Der Doppelte Donald
Carl Barks zeichnet ein Psychogramm von Donald Duck
Erstveröffentlichung der deutschen Fassung der Comic-Geschichte „Die Wette“ im Januar-Heft der „Micky Maus“ 1952.
Donald Duck (englisch [ˈdɒnəld dʌk]) ist eine Comic- und Zeichentrickfilm-Figur aus dem US-amerikanischen Disney-Studio. Sie hat die Gestalt einer anthropomorphen Ente. Donald Duck – mit vollständigem Namen Donald Fauntleroy Duck – gehört zur fiktiven Familie Duck und lebt in Entenhausen.
Der Name „Donald Duck“ wurde erstmals 1931 in einem Bilderbuch namens The Adventures of Mickey Mouse als ein Freund von Micky Maus genannt. 1936 erhielt Donald eine eigene Comic-Serie, die als täglicher Streifen und sonntägliche Seite in zahlreichen Tageszeitungen erschien. Die Comics waren meist nicht länger als vier Bilder. Al Taliaferro war lange Zeit der Zeichner dieser Comics, während Bob Karp die Texte verfasste. Ab 1942 zeichnete Carl Barks (1901-2000) zusätzlich längere Geschichten exklusiv für die Heftreihe.
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Barks schrieb und zeichnetet die 10-Seiten Comicstory „Wintertime Wager“ im Jahre 1947; sie wurde zuerst in Walt Disney's Comics and Stories 88 (January 1948) veröffentlicht. Es treten auf Donald Duck, seine Neffen Huey, Dewey, and Louie, Daisy Duck sowie Gladstone Gander, der hier zum ersten Mal erscheint.
Eine deutsche Version erschien in der Übersetzung von Dr. Erika Fuchs in Micky Maus, Heft 1 1952. Die Neffen heißen hier Tick, Trick und Track, Donalds Cousin Gustav Gans. In späteren Veröffentlichungen heißt die Geschichte „Die Wette“.
Der Plot ist schnell erzählt:
Es ist Weihnachten. Der Schnee liegt tief und die Temperaturen sind sehr kalt. Donald will drinnen bleiben, um sich warm zu halten. Sein Cousin Gladstone Gander kommt und teilt Donald mit, dass er die Wette vom letzten Sommer verloren hat. Damals hatte Donald zugestimmt, dass er sein Haus an seinen Cousin verlieren würde, sollte er am Weihnachtstag nicht im Frozenbear Lake schwimmen gehen. Um sein Haus zu behalten, zieht Donald jetzt seinen Badeanzug an, kann sich aber nicht dazu durchringen, in den kalten See zu springen. Daisy Duck kommt, um Gladstone daran zu erinnern, dass er ihr letzten Sommer versprochen hat, innerhalb einer Stunde zwei Gallonen Limonade zu trinken oder Donald das Haus zurückzugeben. Gladstone trinkt die Limonade nicht; Donald bekommt sein Haus zurück. Die Neffen beschließen, dass die Moral von der Geschichte lautet: „Ein großes Prahlmaul bringt einen immer in Schwierigkeiten.“ Als Daisy geht, hört sie, wie Gladstone und Donald jungenhaft Wetten für das nächste Jahr abschließen. Mit einem Seufzer geht sie, als sie erkennt, dass Donald und Gladstone ihre Lektion nicht gelernt haben.
Der Literaturkritiker Denis Scheck hat die deutsche Übersetzung des Comics in Schecks Kanon aufgenommen (Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur – Von »Krieg und Frieden« bis »Tim und Struppi«) und nennt „Die Wette“ eine seiner „Lieblingsgeschichte(n) aus dem Kosmos von Entenhausen.“
Frank Schätzing, der Herausgeber einer Sammlung von maritimen Donald Duck-Comics, schreibt in seinem Kommentar: „Meine erklärte Lieblingsstory, weshalb ich den werten Leser um Nachsicht bitten muss. Mir ist schon klar, dass diese Geschichte wenig maritim ist, sie spielt an einem zugefrorenen See. Auf jeden Fall kann sie aber als Wassergeschichte durchgehen, zumal dieses den beiden Hauptakteuren Donald und Gustav im Verlauf der Handlung aus sämtlichen Poren rinnt, Letzterem sogar aus allen Knopf- und Kragenlöchern. Auch die vielen Liter Limonade, von Tick, Trick und Track gebraut, fügen der Sache Flüssigkeit hinzu. Was «Die Wette» jedoch für die Barks'schen Top Ten qualifiziert, ist, dass wir darin mehr über den wahren Charakter Donalds erfahren als aus allen anderen Geschichten zusammen. Hier begegnet er uns, wie er wirklich ist: nicht als selbstloser Moralist, auch nicht als absoluter Tunichtgut, sondern als Kleinbürger reinsten Wassers, der gern den Schnabel zu voll nimmt und als Folge in die Gruben fällt, die er anderen gräbt.“
Das Besondere an diese Geschichte sind die Bilder und Gegenstände in Donalds Haus, die jeweils mit dem Gefühlszustand des Enterichs korrespondieren.
Frank Schätzing: „Die bourgeoise Seite seines Charakters spiegelt sich schon im Interieur des Duck'schen Zuhauses und den Dingen des täglichen Gebrauchs – gleich im fünften Panel der ersten Seiten wird offenbar, dass Donald einen Regenschirm mit Entenkopf besitzt. Wunderbar aufschlussreich sind auch die Kleinplastiken auf dem Bücherregal, der Diskus werfende Erpel, die auf dem Schnabel balancierende, gemütlich daliegende oder später dann die mit hängenden Schultern erschlafft dastehende Ente: dieser Donald ist menschlich bis in die Bürzelspitze. Er und Gustav sind einander hier so nah wie später nie wieder: perfekte Antagonisten, und dennoch aus demselben Holz geschnitzt. Daisy wiederum zeigt sich von ihrer positivsten Seite seit Entengedenken und rettet Haus und Herd für Donald und die Kinder.“
Diese doppelte Kommentierung ist einmalig in Barks Werk. Denn die jeweiligen Gefühle Donalds spiegeln sich – genauso wie bei Vetter Gustav – sehr aussagekräftig in Mimik und Köperhaltung, je nachdem, in welcher Situation sich beide gerade befinden.
Indem Barks nun in einigen Panels der Sequenzen kleine Bilder und figürliche Gestalten einfügt, verstärkt er die Aussage seiner Zeichnungen der jeweiligen Gefühlslage Donalds. Darüber hinaus parodiert Barks seine eigene Zeichenkunst im Medium des Comics.
Denis Scheck: „Wir haben den Mund zu voll genommen. Wieder einmal. Völlig gleich, ob am nächsten Tag oder im nächsten Jahr, die Wirklichkeit holt uns natürlich früher oder später ein. Unser Kater ist jedenfalls furchtbar und in seinen gigantischen Dimensionen nur mit unserer Reue und unserer Zerknirschtheit vergleichbar. Die Schärfe unserer Selbstvorwürfe – Variationen auf das Thema: Wie kann man nur? Was ist bloß in uns gefahren? – wird höchstens von der Größe unseres Selbstmitleids übertroffen.“
Schätzings Résumé lautet: „Ebenfalls großartig: Mit aller Konsequenz versagt Barks der Ente den Aufenthalt in ihrem natürlichen Element. Denn eigentlich lebt dieses – pardon – Tier auf und im Wasser, übrigens auch im tiefsten Winter. Enten fetten ihr Gefieder ein und sind so kälteresistent. Mit jedem Recht dürfen wir annehmen, die Ente an sich lebe einzig fürs Wasser. Hier aber will die Ente alles, nur nicht ins Wasser – und sieht sich doch gegen ihren vernehmlich geäußerten Willen dazu gezwungen. Was also tut sie? Sie schlüpft in einen geringelten Ganzkörperbadeanzug. Haben Sie schon mal Enten auf dem Weiher in Badeanzügen gesehen? Eben. Was, fragt man sich, soll das? Der Wärme halber? Sicher, bittere Kälte herrscht in «Die Wette» – 30 Grad unter null. Doch eine weitere Besonderheit des Duck'schen Universums will es, dass man sich zwar gegen Kälte schützt, indem man sich einmummelt, Schal und Handschuhe anzieht, auch eine Pudelmütze und Ohrenschützer, obschon man ja gar keine Ohren hat. Doch weder Donald noch Gustav, Daisy oder die Kinder tragen Hosen, schlimmer noch, mit bloßen Füßen stehen sie im Schnee und auf dem Eis.
Wenn das mal keine Sprechblasenentzündung gibt.“
Menschlich bis in die Bürzelspitz. Über Die Wette. In: Die tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See von Carl Barks. Ausgewählt und kommentiert von Frank Schätzing. Hamburg 2006, S. 295.