zurück zum Titelbild

Zu den Illustrationen

 

Jabberwocky

 

Dodgson wollte, dass John Tenniel, der die Illustrationen für „Alice´s Adventures in Wonderland“ gezeichnet hatte, auch seine Fortsetzung „Through the Looking Glass and what Alice found there“ illustriert, aber Tenniel weigerte sich anfangs, da er sehr beschäftigt und nicht willens war, mit dem schwierigen Autor erneut zusammenzuarbeiten. Daraufhin kontaktierte Dodgson den Illustrator Richard Doyle, der aber ablehnte.

Am 18. Juni 1868 unterbreitete Tenniel das, was Carroll als „freundliches Angebot für die Bilder (zu den freien Zeiten, die er finden kann)“ bezeichnete. Carroll akzeptierte, setzte sich aber trotzdem mit John Proctor in Verbindung, der ebenfalls winkte ab. Tenniel sagte dann aber zu, die Illustrationen bis Weihnachten 1869 fertig zu stellen. Dodgsen erhielt die ersten zehn groben Skizzen erst am 20. Januar 1870.

Am 12. März 1870 trafen sich Dodgson und Tenniel in London, um die Themen für 30 weitere Bilder festzulegen. Im Folgenden wurde diese Zahl auf 50 erhöht. Tenniels Illustration des Jabberwockyy war ursprünglich als Frontispiz des Buches gedacht, aber im März 1871 entschied sich der Autor, das Bild auf die Textseiten zu verschieben und wählte den Weißen Ritter als Frontispiz.

Als das Buch kurz vor Weihnachten 1871 erschien, war Tenniel mit der Druckqualität der Holzstiche unzufrieden. Obwohl Dodgson seinem Verleger Macmillan vorschlug, die bereits ausgelieferten Exemplare neu zu drucken, wurden keine Bücher zurückgerufen.

 

 

 

Tenniels Jabberwocky zeigt das Groteske und das Übernatürliche, das in Werk so vorherrschend ist. Dodgson fand dieses Biest so schrecklich, dass er es nicht als Frontispiz des Buches wählte, weil er fürchtete, seine seine jungen Leser dadurch allzu sehr zu verängstigen

Der Greif, der sich gegen die Finsternis des Walds abhebt, ist surrealistisch grotesk gezeichnet. Er schwebt mit seinem langen, nachlaufenden Schwanz, die spitzen Drachenflügel und den schuppigen Körper vor einem Hintergrund von hohen, düsteren Bäumen mit freiliegenden Wurzeln.

Seine jaws that bite, die claws that catch und die eyes of flame werden von der Weste, die er trägt und die zur Dienstkleidung eines Dieners gehört, kontrastiert. Das schreckliche Ungeheuer wird so ins Lächerlich vermenschlicht, wie auch viele andere der auftretenden Figuren in beiden Romanen.

Der junge Angreifer hält ein schweres Schwert in der Hand und wirkt wie ein schwaches Kind, das mit seinem Schlag den Hals so unmöglich erreichen kann.

Die Illustration des Jabberwocky spiegelt das viktorianische Interesse an Naturgeschichte und an den sich schnell entwickelnden Wissenschaften der Paläontologie. Nach Stephen Prickett besteht ein Zusammenhang mit einer umfangreichen Ausstellungen von Dinosauriern im Londoner Crystal Palace von 1854, denn Tenniel verleiht dem Jabberwocky die ledrigen Flügel eines Pterodaktylus und den langen schuppigen Hals und Schwanz eines Sauropoden.
Nach: Wikipedia (Jabberwocky englisch)

An die Dramatik der Zeichnung Tenniels kommen andere Illustratoren nicht heran.

 

Lewis Carroll: Alice's Adventures in Wonderland. With forty full-page illustrations in Text from Drawings by Peter Newell. New York & London: Harper & Brothers, 1901.

 

 

 

Die zweite Abbildung illustriert die erste Strophe des Jabberwocky. Es handelt sich um die Transformation einige der Neologismen ins Medium der Zeichnung.

Man erkennt auf dem Holzstich nach Tenniels Zeichnung, wie der Künstler den Inhalt der ersten Strophe und die Erläuterungen Humpty Dumptys für die Bildkomposition verarbeitet hat. Die beiden Texte enthalten Angaben zu Ort, Zeit und zu drei Kreaturen sowie zu ihrem Tun.

Die Lichtführung auf Tenniels Blatt wird durch die langen Schatten erkennbar; sie entspricht ungefähr der Tageszeit (16 Uhr); links steht auf einer Säule die Horizontalsonnenuhr mit Erdachs-paralleler Blechkante als Schattenwerfer, im Hintergrund oben beginnt ein Wald. Die Komposition wirkt durch die Betonung beider Diagonalen recht dynamisch. Auf dem Weg um die Sonnenuhr schreitet ein tove, der sich um sich selber dreht, links bohrt ein anderer ein Loch in den unteren Teil einer zerbrochenen Flasche oder eines (Wein)kruges. Rechts steht ein borogove, ein anderer hockt; im oberen Bildbereich sind drei ‘outgribing’ raths zu sehen und ein vierter verschwindet links oben im Wald.

Hier noch einmal Text und Kommentar nebeneinander:

 

‘Twas brillig, and the slithy toves
Did gyre and gimble in the wabe:
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.

 

“[…] there are plenty of hard words there. ‘Brillig’ means four o’clock in the afternoon – the time when you begin broiling things for dinner.”

“That’ll do very well,” said Alice: and ‘slithy’?"

„Well, ‘slithy’ means ‘lithe and slimy.’ ‘Lithe’ is the same as ‘active.’ You see it’s like a portmanteau – there are two meanings packed up into one word.”–

„I see it now,” Alice remarked thoughtfully: „and what are ‘toves’?”

„Well, ‘toves’ are something like badgers – they’re something like lizards – and they’re something like corkscrews.”

„They must be very curious looking creatures.”

„They are that,” said Humpty Dumpty: „also they make their nests under sun-dials – also they live on cheese.”

„Andy what’s the ‘gyre’ and to ‘gimble’?”

„To ‘gyre’ is to go round and round like a gyroscope. To ‘gimble’ is to make holes like a gimblet.”

„And ‘the wabe’ is the grass-plot round a sun-dial, I suppose?” said Alice, surprised at her own ingenuity.

„Of course it is. It’s called ‘wabe’, you know, because it goes a long way before it, and a long way behind it – “

„And a long way beyond it on each side,” Alice added.

„Exactly so. Well, then, ‘mimsy’ is ‘flimsy and miserable’ (there’s another portmanteau for you). And a ‘borogove’ is a thin, shabby-looking bird with its feathers sticking out all round – something like a live mop.”

„And then ‘mome raths’?” said Alice. „I’m afraid I’m giving you a great deal of trouble.”

„Well, a ‘rath’ is a sort of green pig: but ‘mome’ I’m not certain about. I think it’s short for ‘from home’ – meaning that they’d lost their way, you know.”

„And what does ‘outgrabe’ mean?”

„Well, ‘outgribing’ is something between bellowing and whistling, with a kind of sneeze in the middle: however, you’ll hear it done, maybe – down in the wood yonder – and when you’ve once heard it you’ll be quite content. […].”

 

Daraus konnte Tenniel folgende Informationen ableiten:

Ort

‘the wabe’ is the grass-plot round a sun-dial; it goes a long way before it, and a long way behind it – And a long way beyond it on each side.

the wood yonder

Zeit

‘Brillig’ means four o’clock in the afternoon

Kreaturen

slithy toves

‘slithy’ means ‘lithe and slimy.’ ‘Lithe’ is the same as ‘active.’
they make their nests under sun-dials
they live on cheese.
To ‘gyre’ is to go round and round like a gyroscope.
To ‘gimble’ is to make holes like a gimblet.

 mimsy borogoves

‘mimsy’ is ‘flimsy and miserable’. And a ‘borogove’ is a thin, shabby-looking bird with its feathers sticking out all round – something like a live mop.

 mome raths

a ‘rath’ is a sort of green pig
mome is short for ‘from home’ – meaning that they’d lost their way
‘outgribing’ is something between bellowing and whistling, with a kind of sneeze in the middle

 

Eine wörtliche Übertragung ins Deutsch unter Beibehaltung der Carroll’schen Neologismen klänge so:

Schon brillig war’s, und slithy toves
Gyreten and gimbleten in dem wabe:
Ganz mimsy waren die borogoves,
Und die mome raths outgrabe.

Wenn man sich an Humpty Dumptys Kommentar orientiert, könnte man mit Hilfe dieser Angaben die erste Strophe so übertragen:

Um vier Uhr nachmittags drehten sich einige schleimige eidechsenartige Dachse um und um eine Sonnenuhr und einige aktive bohrten Löcher. Die schäbigen dürren Vogel-Mopps standen ganz elend herum und grüne Schweine bellten, nießten und pfiffen verloren herum.

Oder in Strophenform:

Nachmittags um vier umsausten flinke Dachse
Die Sonnenuhr, bohrten hyperaktiv Löcher.
Elend standen dürre Mopp-Vögel herum.
Grüne Schweine hust-, nießt-, pfiffen verloren am Waldesrand.

Da aber von allen ermittelten Übersetzern neue deutsche Neologismen erfunden wurden, mussten auch die Kommentare Humpty Dumptys neu übertragen werden, wie meine Dokumentation der Nachdichtungen in deutscher Sprache zeigt. Zum Beispiel recht eindrucksvoll die letzte gedruckte Fassung von Gundula Müller Wallraf von 2015:

Schon zwimmrig war's, und flichte Huschen
karusten und drillten im Gestück.
Gar zuppig zwischten Fieselfuschen,
und fevause Grumpen bifften zurück.

 

 

Humpty Dumpty

 

In einem Beitrag der satirischen Zeitschrift "Punch" erscheint  Hampty Dumpty in menschlicher Gestalt.

 

Punch. 3: 202. July – December 1842

 

 

Humpty Dumpty wird bereits 1843 als anthropomorphes Ei dargestell

 

 

Diese Form verwendet auch Tenniel, der sich an Alices Beschreibung in Throug the Looking glass orientiert:
 

 

HOWEVER, the egg only got larger and larger, and more and more human: when she had come within a few yards of it, she saw that it had eyes and a nose and mouth; and, when she had come close to it, she saw clearly that it was HUMPTY DUMPTY himself. “It can't be anybody else!” she said to herself. “I'm as certain of it as if his name were written all over his face!”

It might have been written a hundred times, easily, on that enormous face. Humpty Dumpty was sitting, with his legs crossed like a Turk, on the top of a high wall such a narrow one that Alice quite wondered how he could keep his balance and, as his eyes were steadily fixed in the opposite direction, and he didn't take the least notice of her, she thought he must be a stuffed figure, after all.

“And how exactly like an egg he is!” she said aloud, standing with her hands ready to catch him, for she was every moment expecting him to fall.  

Das Ei wurde jedoch immer größer und menschlicher. Als sie auf ein paar Meter herangekommen war, sah sie, dass es Augen, eine Nase und einen Mund hatte. Und als sie nahe genug herangekommen war, sah sie deutlich, dass es HUMPTY DUMPTY selbst war. „Es kann niemand anderes sein!“, sprach sie zu sich selbst. „Ich bin mir so sicher, als ob sein Name über sein Gesicht geschrieben wäre!“

Man hätte es leicht hundertmal auf dieses riesiges Gesicht schreiben können. Humpty Dumpty saß im Türkensitz mit gekreuzten Beinen auf einer hohen Mauer, die so schmal war, dass Alice sich sehr wunderte, wie er das Gleichgewicht halten konnte. Da seine Augen fest in die entgegengesetzte Richtung fixiert waren und er nicht die geringste Notiz von ihr nahm, meinte sie, es müsse sich doch um eine ausgestopfte Figur Handeln.

„Und er sieht exakt wie ein Ei aus!", sagte sie laut und streckte die Hände auf, um ihn aufzufangen, denn sie erwartete jeden Moment, dass er fallen würde. 

 

 

Tenniels Darstellung von Humpty Dumpty

 

Spätere Illustrationen

 

 

    

Mother Goose's Nursery Rhymes. A Collectin of Alphabets, Rhymes, Tales, and Finles. London: George Routledge and Sons 1877.

 

       

   

Denslow's Mother Goose: being the old familiar rhymes and jingles of Mother Goose. New York : McClure, Phillips, 1901.

 

Denslow's Humpty Dumpty. New York: G.W. Dillingham Co., 1903.

 

Weitere Abbildungen aus englischen Kinderbüchern:

 

                               

 

 

zurück zum Titelbild