Äpfel und Birnen

In unserem Garten standen viele Obstbäume; neben knackigen Süßkirschen wurden im Juli auch dunkle Schattenmorellen reif, deren säuerlicher Saft mir am besten spät abends vor dem Schlafengehen mundete, und an der Mauer zu Thoms Grundstück ragten die Zweige einer Glaskirsche zu uns herüber, von denen ich mir im späten Frühling die Backen vollstopfte und die Kerne auf den Weg spuckte. Die Pflaumen begannen mit den Mirabellen, die alle in großen Weck-Gläsern eingemacht wurden, und endeten mit blauen Pflaumen, deren Zweige sich über dem Hühnerstall wölbten und aus denen meine Oma Pflaumenkuchen buk. Bei denen musste ich aufpassen, dass ich keine Maden mitaß, denn über die Hälfte war von den ekligen Würmern befallen. Besonders schmeckten mir die Renekloden, die eigentlich nach der französischen Claude Duchesse de Bretagne „Reine Claude“ (Königin Claude) hießen und bei uns „Reine Clauden“ genannt wurden.

Das Apfel-Jahr begann mit dem Weißen Klarapfel, der auf den Bäumen wuchs, die am Weg zum Bienenhaus standen. Davon aß ich drei oder vier zum Auftakt der Apfelsaison und überließ den Rest meiner Oma, die Apfelmus daraus kochte. Den gab es zu Kartoffelpuffern oder zu Vanillepudding. Dann allerdings streute ich mir groben Zucker darüber.

Zu den frühen Äpfeln gehörte auch der Gravensteiner, den ich von meinem Kletterbaum pflückte und direkt im Baum verspeiste. Außerdem ernteten wir Gelben Boskop, Cox Orange, Französische Goldrenetten, Goldparmänen, Ingrid Marie und eine lagerfähige Rubinette. An Birnen gab es Alexander Lukas, Clapps Liebling und Gellerts Butterbirne.

Wer im Herbst durch unseren Garten streifte, der hob automatisch alle Äpfel oder Birnen auf, die von ihren Bäumen gefallen waren. Die verschimmelten wurden auf den Komposthaufen geworfen; alle andere aber, auch wenn sie wurmstichig waren oder kleinere Faulstellen aufwiesen, legten wir in den großen, flachen Korb, der auf unserer Terrasse stand. Von da nahm sich meine Oma das Fallobst mit in ihre Küche und verarbeitete es weiter. Jeden Abend gab es ein paar Birnen und Äpfel, die sie sorgfältig zerschnitten und von ihrem Gehäuse, von Wurmgängen und faulen Stellen befreit hatte. Die Spalten lagen auf einem Teller und sie wurden zum Abendbrot immer schnell weggespachtelt.

Wenn größere Mengen anfielen, verarbeitete sie alles zu Apfelmus, das abgekühlt in einem großen Kochtopf auf einem Brett im Abgang zum Keller auf uns wartete. Wer Lust hatte, holte sich da einen großen Nachschlag. Dort stand auch die Puddingschüssel, aus der ich mich bedienen konnte.

Im Oktober wurden die besten lagerfähigen Äpfel und Birnen vorsichtig von ihren Bäumen gepflückt, in einen Korb gelegt und dann in den Keller unter dem alten Hausflur getragen, wo sie auf Holzregalen gelagert wurden.

Äpfel legte meine Oma mit dem Stiel nach unten und kontrollierte sie alle 2-3 Wochen, entfernte angefaulte Exemplare und nahm mit, was sie für ihren sagenhaften Apfelkuchen brauchte. Der wurde im Gasofen gebacken und während der letzten halben Stunde mit den Pergamentpapieren abgedeckt, in denen vorher die Butterstücke eingewickelt waren. Die kratzte meine Oma immer sorgfältig mit dem Messer ab, glätte und stapelte sie dann in ihrem Küchenschrank. Wenn der Kuchen abkühlte, streute sie mit Zimt vermischten Zucker darüber.

 

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