Thoms Nussbaum

Über die Mauer, die meinen Garten nach Norden begrenzte, streckte ein mächtiger Nussbaum seine Äste. Er stand schon seit vielen Jahren auf dem Nachbargrundstück, das den Thoms gehörte. An der Rückseite dieses Grundstücks an der Magdeburger Straße lag die Drogerie. Dort kaufte meine Oma alle Putzmittel, Bohnerwachs, Seife, Zahnbürsten und Wischlappen, manchmal auch Verbandsmull und Pflaster.

Die langen Äste, die der Nussbaum über die Mauer streckte, wurden von meinem Opa nie beanstandet; im Sommer war das nicht nötig, da die Sonne von Süden aus die Weintrauben leicht bescheinen konnte, im Herbst zeigte sich der alte Baum für seine Duldung dankbar. Dann fielen nämlich alle Nüsse von den Ästen, die über die Mauer herüber ragten, auf unsere Wege und Beete. Jeder, der zum Hühnerhaus ging, hob die gerade runter gefallenen Nüsse auf und legte sie auf ein Brett, das unter der Traufe des Bienenhauses angebracht war, damit keine Regen die Nüsse erreichen konnte. Wenn sich genügend auf dem Brett angesammelt hatten, wurden sie in einen Korb gelegt, der im Bienenhaus stand. Ende Oktober lagen so viele darin, dass meine Oma mehrerer ausrangierte Nylonstrümpfe damit füllen konnte, die auf dem Boden des alten Hauses aufgehängt wurden.

Hier konnte sich jeder bedienen, der Lust auf Walnüsse hatte und ich hatte immer Lust darauf. Sie hielten bis weit nach Weihnachten, manche sogar bis nach Ostern und ich knackte einige ganz vorsichtig, um aus ihren Schalen kleine Schiffe zu bauen, die ich auf den Regenwassertonnen schwimmen ließ.

 

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