Nussschalen

Wenn ich Schiffe aus Nussschalen bauen wollte, suchte ich mir die größten Walnüsse heraus. Mit einem stumpfen Okuliermesser drückte ich zwischen die Schalen und öffnete vorsichtig eine Nuss. Ich hob eine der beiden Schalen ab. Manchmal blieb der Kern ganz und ich konnte ihn leicht aus der anderen Schale heraus ziehen. Nun nahm ich ein abgebranntes Streichholz, tropfte das Wachs eines Kerzenstummels in die Nussschale und drückte vorsichtig das Streichholz in das noch warme Wachs hinein. Mein Mast stand nach ein paar Minuten senkrecht in der Nussschale. Jetzt brauchte mein Schiff noch ein Segel. Dazu schnitt ich mir ein Stück Papier zurecht, das ich aus einem Heft herausgerissen hatte. Ich nahm dafür immer eine unbeschriebene Doppelseite, damit meine Oma mir nicht auf die Schliche kam, denn ich durfte aus meinen Schulheften keine Seiten herausreißen. Dann schnitt ich mir kleine Segel zurecht, die viereckigen Papierstücke bog ich etwas und bohrte mit der Spitze des Streichholzmasts zwei Löcher hinein. Nun konnte ich das Papiersegel auf den Mast schieben und in Position bringen. Dann kam das nächste Papier, wenn das Streichholz lang genug war, auch noch ein drittes. Manchmal besorgte ich mir bei meiner Oma eine Stecknadel mit Glaskopf, die ich in das Heck der Nussschale piekte; daran klebte ich ein Stückchen Papier, das ich mit Buntstiften bemalt hatte. Meistens fuhr ich unter britischer Flagge, die ich in meinem Buch über die Abenteuer des Robinson Crusoe gesehen hatte.

Der Stapellauf war ein großes Ereignis. Die Nussschale schaukelte auf der Wassertonne, wenn es aber regnete und das Wasser in dickem Schwall aus dem Fallrohr in das Fass plätscherte, konnte es schnell geschehen, dass mein Schiff Schlagseite bekam und kenterte. Untergegangen ist mir aber nie eine der Nussschalen, denn sie schwammen auch dann noch, wenn sie mit Wasser gefüllt waren.

 

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