Trenklers Schwein

Beim Schlachten durfte ich nicht zusehen. Als die Trenklers ihre Vorbereitungen trieben, schrie das Schwein bereits im Stall und polterte gegen die Holzbretter, in die es eingeschlossen war. Wochen vorher, wenn ich es besuchte, stand es ruhig in seinem durchgeweichten Stroh, das Frau Trenkler selten erneuerte. Dann schob sie mit einem alten Besen, der schon fast keine Borsten mehr hatte, den ganzen Mist durch ein Loch in der Mauer, das im Winter von einer Holzklappe verschlossen wurde. Die Gülle lief von selber in die Mistgrube und verlieh dieser Hof-Ecke ihren charakteristischen Geruch. Deshalb spielte ich dort nur selten.

Manchmal warf ich dem Schwein ein paar wurmstichige Äpfel hin, die es mit seiner großen Schnauze aufnahm und zerkaute. Dabei grunzte es wohlig. Im Stall war es immer dämmrig und warm. Das Schwein fraß alle Küchenabfälle der drei Haushalte aus dem alten Haus. Nur meine Oma warf ihre Abfälle auf den Komposthaufen im Garten, weil sie dem Schwein nichts gönnte. Allein die Reste vom Kotelett kamen in den Eimer, der neben dem Misthaufen stand und in den die Frauen ihre Küchenabfälle kippten.

Dann aber – es war im Spätherbst – holte Paul Trenkler eine Leiter vom flachen Boden über seinem Schweinestall, wo er auch ein paar Strohballen aufbewahrte, und stellte sie schräg gegen die gekalkte Wand direkt neben die Tür. Darunter wurde eine Zeltbahn gelegt, dann stellte Frau Trenkler Eimer, Schüsseln und eine große Zinkwanne darauf und füllte sie nach und nach mit kochendem Wasser, das sie aus unserer Waschküche in Eimern heranschleppte.

Jetzt wurde ich in den Garten gescheucht, konnte mich aber durch den alten Hausflur schleichen und hörte hinter der leicht geöffneten Tür das Schwein so lange schreien, bis Paul Trenkler mit wuchtigen Axthieben, die dreimal dumpf zu mir herein klangen, für Ruhe sorgte. Durch den Türspalt sah ich, wie er mithilfe seines Sohnes die Hinterpfoten des schweren Tieres an die Leiter band, dann schnitt Frau Trenkler den Hals auf und ließ das Blut in einen Eimer laufen.

Erst als die Innereien in einer großen Schüssel dampften, durfte ich wieder auf den Hof kommen. Ich sah der jungen Frau Trenkler dabei zu, wie sie aus den Därmen den Schiet heraus drückte und sie dann in einem Eimer mit Wasser auswusch. Mit dem heißen Wasser wurde das Schwein abgerieben und dabei die Borsten abgeschruppt. Dann kam der Metzger, der das Tier mit Messer und Säge zerlegte. Mich interessierte, wie Frau Trenkler Fleisch und Fettstücke zerschnitt und mit der Leber im Dampf unserer Waschküche verschwand. Dort kochte sie das Fleisch und die Würste.

Am Abend aßen die Trenklers allerlei Fleischstücke aus einem großen Kessel. Die Metzelsuppe wurde mit dunklen Brotstücken serviert. Mein Onkel verteilte Flaschen mit Bier aus der Colbitzer Heide und alle, die mitgeholfen hatten, bekamen ihren Teil. Ich bekam von Frau Trenkler vier Quiekeschweinwürste. Das waren Leber- und Blutwürste, die sie in den Darm des armen Schweins gepresst und dann in der Brühe gekocht hatte. Mein Onkel reimte im Stile Wilhelm Buschs: „Anstelle von dem Kot steckt Wurst drin für das Brot!“ Am nächsten Abend aß ich die Würste mit scharfem Senf zu kräftigem Graubrot, raspelte mit meinen Schneidezähnen eine saure Gurke und trank göttlichen Apfelsaft dazu.

 

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