Wieder da

Meine Eltern hängten mir ein Schild um den Hals, auf dem mein Name stand und die Adresse meiner Großeltern. Dann setzten sie mich in einen Wagen des Interzonenzuges, aus dem ich nach acht Stunden Fahrt müde und völlig verdreckt, sonst aber unversehrt am Bestimmungsort ausstieg. Die letzten hundert Kilometer durfte ich im frischen Fahrtwind auf der Lokomotive mitfahren und dem Heizer bei seiner mühseligen Arbeit helfen. Dabei versöhnte ich mich mit den Drachen, da ich feststellte, dass sie von Prinzessinnen überhaupt nichts wussten.

Erst ein halbes Jahr später, als ich mich wieder im vertrauten Hause meiner Großeltern eingelebt hatte, war es mir möglich, meine Erlebnisse auf meinem Dachboden mit einer Blecheisenbahn nachzuspielen. Ich erinnerte mich daran, wie sich die Schienenwürmer auf dem Bahngelände ineinander verdrehten, hörte die schnaufenden Drachen heranjagen und sah, wie sie schwarze Rauchwolken aushusteten, stand im strömenden Regen, bekam zu meinem Geburtstag eine Tafel Schokolade geschenkt, wollte mich nicht an die Tanten im Kindergarten erinnern, sah am Himmel einen Flieger vorbeibrummen, der seinen „Lunika wäscht wunderbar“-Schwanz an Wattebäuschen vorüber zog, drehte einen Schlüssel achtmal nach rechts und ließ das rote Auto im Kreis fahren, verscheuchte mit gelb bemalten Holzknarren Katzen und Vögel und ließ grüne Blechfrösche springen, die alle „Erdal“ hießen. Schließlich hatte mir eine gute Tante, die meine Eltern erst im Westen kennen gelernt hatten, einen nagelneuen Roller mit Ballonreifen geschenkt. Ich wusste gar nicht, wie viele Tanten ich hatte. Den Roller nahm ich mit auf meine Reise in die Ostzone.

 

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