Mein Roller

Mein Roller, den ich als Gepäckstück aus dem Westen mitgebracht hatte, erregte mit seinen weißwandigen Ballonreifen ein nicht unbeträchtliches Aufsehen bei Erwachsenen und unverhohlenen Neid und begehrliche Blicke bei Kindern. Er war eierschalengelb lackiert, hatte ein Fähnchen am vorderen Kotflügel, eine Klingel an der Lenkstange und einen Gepäckträger über dem Schutzblech des hinteren Rades, auf den ich mich setzen konnte, wenn ich genügend Schwung gesammelt hatte. Der Bremse, die mit einem Gummiklotz auf den Reifen des hinteren Rades drückte, durfte ich nicht trauen, deshalb sprang ich in brenzligen Situationen lieber ab und ließ den Roller alleine weitersausen. Wenn er hinfiel, passierte nichts Schlimmes, nur die Gummigriffe an der Lenkstange wurden rissig und verschwanden allmählich an den Rohrenden.

Mir war bald klar, dass ich meinen Roller streng bewachen musste, denn ich hatte nichts, um ihn irgendwo festzumachen. Ich durfte ihn also niemals aus den Augen lassen, auch wenn ich mir gelegentlich bei Bäcker Rogge eine Musklappe kaufte oder bei Kalle Osterwald „een Eis für zwanzich“ holte. Fuhr ich durchs Dorf, um jemanden zu besuchen, nahm ich meinen Roller mit auf den Hof oder stellte ihn im Hausflur ab. Abends kam er zum Schlafen in den Stall zu den Fahrrädern.

Alle zwei Wochen musste ich die beiden Räder aufpumpen und mein Opa ölte die Achsen mit Maschinenöl, das er aus einer kleinen Kanne herausträufelte. Dann lief der Roller wieder, dass es eine Lust war, mit ihm durch mein Dorf zu sausen.

 

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