Frau Knochenmuß

Manchmal schickte meine Oma mich rüber zu Frau Knochenmuß. Dann gab sie mir einen Korb mit, in dem noch heiße Weißblechdosen standen, auf die sie die Deckel nur lose aufgelegt hatte. Ich fürchtete mich vor dieser Frau, weil ihr Name mich an den Knochenpark im Norden des Dorfes erinnerte, auf dem noch ein paar schwarze Grabsteine standen und den ich bei Dunkelheit nicht gerne besuchte. Auch stellte ich mir schaudernd vor, dass Knochenmuß in denen Weißblechdosen stecken und von meiner Großmutter mit einem Glas Apfelmus verwechselt werden könnte. Immer, wenn Frau Knochenmuß mir freundlich die Tür öffnete, hatte ich den Geruch von verwesenden Blumen in der Nase, wie ich das immer riechen konnte, wenn ich meinen Freund Wolfgang besuchte, dessen Mutter einen Blumenladen betrieb. Die Knochenmußꞌ besaßen eine Maschine mit einem Hebel, der die Dosen mit dem Deckel fest verschloss.

Wenn ich dann mit meinem Korb zu meiner Großmutter zurückkam, musste ich die Dosen in den Keller unter dem alten Hausflur tragen, wo sie zu anderen in ein Regal gestellt wurden. Dort warteten sie neben Einweckgläsern mit Gurken, Bohnen, Stachelbeeren, Apfelmus, Birnen und Pflaumen auf den Winter, um ihr saftiges Schweinefleisch herzugeben.

 

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