Im Kino

Für unser Dorf-Kino, das „Hansa-Lichtspiele“ hieß, hatten sie schon vor dem Krieg einen Schafstall umgebaut, wo es angeblich immer noch nach Schafdreck roch. Ich aber liebte die muffigen Klappstühle, auf denen ich sitzen durfte, wenn ich die 80 Pfennig für den Sperrsitz bezahlt hatte.

Die Frau, die uns die Karten verkaufte, sah genau so aus wie die Frauen auf den Plakaten, die den Gang zierten, der uns seitlich zu unseren Plätzen führte. Vor der Leinwand waren rechts und links Türen hinter schwarzen Vorhängen verborgen, die am Ende der Vorstellung weggezogen wurden, damit man das Kino durch diese Türen schneller verlassen konnte.

Jeden Sonntag, wenn der Kinderfunk im Nordwestdeutschen Rundfunk zu Ende war, nahm ich die 80 Pfennig, die mir meine Oma nach dem Mittagessen hingelegt hatte, und sauste los.

Zuerst zeigten sie einen Kulturfilm, den die meisten Kinder nicht sehen wollten. Sie unterhielten sich dabei, am lautesten die auf den Rasiersitzen für 50 Pfennig. Ich aber fand sie alle interessant: Die mutigen Gämsen, die schwindelfrei über tausend Meter abstürzende gezackte Berggrate sprangen, die Fischer, die mit ihren kleinen Kuttern auf die Ostsee hinausfuhren und aus ihren prallen Netzen Tausende von glitschigen Fischen und Seesternen auf das Deck schütteten oder die Ostereier, die von den Leuten im Spreewald auf kunstvolle Weise bemalt und verziert wurden und die dann dumpfe Kinder so aneinander schlugen, dass eines oder gar beide Kunstwerke zerbrachen.

Dann begann der Hauptfilm und es wurde still.

 

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