Das Karussell

Einmal kamen sie mit dem Karussell aus Wolmirstedt. Sie fuhren mit zwei Wagen von der Halberstädter Chaussee aus bis zum Denkmalplatz, wo sie die vier Pferde ausschirrten und bei Roseburgs im Stall unterstellten.

Der eine Wagen war ihr Wohnhaus, der andere enthielt alle Teile, aus denen das Pferde-Karussell zusammengesetzt wurde. Da gab es Bodenbretter, die auf Rädern im Kreis liefen, und einen großen Schirm, von dem uns bunt bemalte Schilder herbei riefen. In der Mitte aber leuchteten vier senkrechte Stangen, die mit bunten Glühbirnen bestickt waren. Die Pferde, immer zu zweit aufgebockt, ließen sich leicht besteigen. Wer beim Aufbauen half, kriegte fünf Freikarten. Eine Fahrt kostete zehn Pfennig. Dann setzten wir uns auf eines der Pferde und das Karussell fuhr immer rundherum für das hochverehrte Publikum. Mit geschlossenen Augen wurde mir sogar schwindlig.

Sie kamen an einem Dienstag und blieben mehr als eine Woche; von nachmittags um zwei bis abends gegen acht sang Hans Arno Simon immer wieder „Anneliese, ach Anneliese, warum bist Du böse auf mich? – Anneliese, ach Anneliese, Du weißt doch, ich liebe nur Dich. Doch ich kann es gar nicht fassen, dass Du mich hast sitzen lassen. Wo ich von dem letzten Geld die Blumen hab‘ für Dich bestellt. Und weil Du nicht bist gekommen, hab‘ ich sie vor Wut genommen, ihre Köpfe abgerissen und dann in den Fluss g’schmissen.“ Wir brüllten da immer: „Und dann in den Fluss geschissen!“ – „Anneliese, ach Anneliese, nachher tat es mir wieder leid. Anneliese, ach Anneliese, wann wirst Du nun endlich gescheit?“

 

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