Schlüssel

In der Werkstatt meines Opas hing ein dicker rund gebogener Draht, auf dem viele Schlüssel aufgefädelt waren. Ich befreite einen kräftigen Hohlschlüssel und suchte einen passenden Nagel heraus, die ich ineinander steckte. Dann knotete ich einen festen Bindfaden an die Reide und an den Nagelkopf. Die Konstruktion musste – mit dem Nagelkopf voran – gut schwingen.

Jetzt brauchte ich Streichhölzer. Ich wusste genau, wo meine Oma die aufbewahrte, aber sie hatte mir verboten, sie anzurühren. Also musste ich abwarten, bis fünf oder sechs Schachteln da waren, dann konnte ich je vier oder fünf Hölzer herausnehmen, ohne dass der Diebstahl meiner Oma auffallen konnte.

Dann suchte ich nach Stanniolpapier. Das fand ich im Küchenschank, wo meine Oma ein paar Schokoladentafeln aufbewahrte, die mir meine Mutti regelmäßig aus dem Westen rüberschickte.

Mit einem Messer schabte ich ein paar rote Streichholzköpfe vorsichtig ab und füllte das Pulver in den Schlüssel. Ich knüllte etwas Stanniolpapier zu einem Kügelchen zusammen und drückte es auf die Ladung. Dann den Nagel rein und fertig.

Mit Wolfgang traf ich mich am Teich. Wir suchten uns eine Hausecke, denn mein Onkel hatte mich gewarnt, dass der Schlüssel auseinander fliegen und dann Metallstücke wie Schrapnelle herum sausen und uns ein Auge ausschlagen könnten.

Der Schlüssel wurde nun mit dem Nagel voran mit aller Kraft um die Hausecke an die Mauer geschleudert. Dumm war, dass ich nur ein Ohr zuhalten konnte, während Wolfgang beide Hände auf die Ohren drückte. Rums! Jetzt mussten wir schnell wegrennen. Auf dem rechten Ohr war ich dann mindestens eine halbe Stunde taub.

Beim nächsten Schuss war Wolfgang dran. Dann wieder ich. Mein Schlüssel überstand diesmal die Ballerei und wanderte wieder an seinen Platz im Schlüsselbund. Auch unsere Ohren erholten sich in den nächsten Tagen von der Strapaze.

 

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