Opas Bienen

In meinem Garten lebten nicht nur Mulle, die Katze, und fünfzehn bis zwanzig braune Hühner, sondern noch viele weitere Tiere. Manchmal besuchte mich eine Igelfamilie, die am Komposthaufen zu Hause war und sich von Schnecken und Engerlingen ernährte. Die schnauften und schnalzten vor Begeisterung, wenn sie eine fette Schnecke erwischt hatten. Auch husteten sie manchmal, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit den breiten Weg vom Komposthaufen bis zu unserem Sitzplatz entlang huschten.

Ich kannte auch die flinken Mäuse, die sich nur selten sehen ließen, und allerlei Vögel, die in den Büschen vor der Planke, die unseren Garten von dem Schulhof trennte, ihre Nester bauten und mich im Frühling schon um halb fünf durch ihr lautes Geschrei weckten. Am Tage aber beherrschten Tausende von Bienen meinen Garten, denn mein Opa war Imker und mein Onkel half ihm dabei. Die Bienen lebten in grünen Kästen neben dem Hühnerstall; ihre Behausungen waren in Dreierreihen übereinander gestapelt und bildeten die Südwand des Bienenhauses, das man vom Norden durchqueren musste, wenn man die Werkstatt betreten wollte.

Innen, hinter den Kästen, gab es keine Bienen. Die flogen nur vorn aus ihren Löchern hinaus und wieder herein. Da durfte man sie nicht aufhalten, denn sie flogen bei fast jedem Wetter nach draußen. Vor ihren Kästen tropfte Wasser aus einem Holzfass auf ein Brettchen, das den Bienen als Tränke diente. Der breite Gartenweg, der unser Haus mit dem Komposthaufen verband, musste auf Höhe des Bienenhauses schnell durchquert werden; oft stand ich an der Badewanne, die an dem alten Brunnen aufgestellt war, und beobachtete, was die Bienen gerade machten.

Bei schönem Wetter flogen sie zu Tausenden hin und her, und ich konnte ihre Flugbahnen verfolgen, wenn sie in dunklen Streifen zu den Linden am Knochenpark flogen oder nach Osten die Rapsfelder hinter Benneckenbeck besuchten. Mein Garten bot das ganze Jahr hindurch viele Blüten, die unsere Bienen eifrig nutzten. Nur selten verirrte sich eine Wespe in meinen Garten, weil die Bienen genau aufpassten und diese Vagabunden schnell vertrieben. Nur barfuß konnte ich da nicht laufen, weil viele alte Bienen sich zum Sterben auf den festgetretenen Bördeboden fallen ließen, wenn ihre Flügel zerschlissenen waren, und dort noch ein paar Stunden herumtaumelten, bevor sie verendeten.

Einmal kam ein Mann zu meinem Opa, der sollte alle Haustiere zählen. Nachdem er Trenklers Schwein und die Hühner meiner Oma in eine Liste eingetragen hatte, stand er ratlos vor unserem Bienenhaus. Da ich von meinem Opa wusste, dass in einem Bienenstock so um die 20.000 Bienen lebten, prahlte ich mit meinen Rechenkünsten. 18 ˗ oder besser 20 mal 20.000 macht 400.000 Bienen! Der Mann trug aber nur 18 Völker in seine Liste ein.

Wenn geschleudert wurde, mussten große Eimer mit Honig an einer Sammelstelle abgeliefert werden. Dafür bekam mein Opa bares Geld und mehrere Säcke mit Zucker, der für die Fütterung im Winter gebraucht wurde. Der Rest des Honigs durfte privat verkauft werden. In guten Jahren verkaufte mein Opa mehr als 600 Gläser Honig.

 

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