In die LPG?

Als die FDJ mit einem Lautsprecherwagen am Eichplatz ankam, der damals in Geschwister-Scholl-Platz umbenannt worden war, bist du mit Wolfgang hingelaufen. Du hast gesehen, wie ein paar junge Leute, Männer und Frauen mit blauen Hemden und mit roten Halstüchern, ein Transparent entrollten, auf dem sie forderten, alle Bauern sollen in die LPG eintreten.

Am Verkaufsladen neben Rusches Hoftor aber hing ein Plakat, das forderte: „Werktätige Bauern! Verkauft eure Übersollprodukte an die Konsum-Genossenschaft!“

Dann sind die FDJler in die Schmiedestraße eingebogen, während durch den Lautsprecher blecherne Arbeiterstimmen von dem Kampf um eine bessere Zukunft sangen. Frau Rusche stand in ihrem Blumenladen und ließ sich nicht dabei stören, den Kranz für die Beerdigung des alten Helmecke zu binden, der gestern verstorben war und für den deine Oma auf dem Hof und in der Schmiedestraße gesammelt hatte. Du hast genau gesehen, wie Wolfgangs Vater vor dem halb geschlossenen Hoftor breitbeinig vorgebeugt die Axt mit beiden Händen leicht zwischen seinen gespreizten Beinen pendeln ließ.

„Wer hier rin will, den schlåch ich mit die Axt vorn Kopp!“, schrie er so laut, dass du erschrakst und Angst bekamst. Wolfgang spürte das, drückte sich langsam an seinem Vater vorbei durch das Tor und verschwand auf dem Hof. Du folgtest ihm und sahst noch, wie er Asta von der Kette löste. Der Hund sprang an dir vorbei und schritt langsam auf die Straße. Nachdem er die Luft tief in seine Nase eingesaugt hatte, setzte er sich neben seinen Herrn. Er blickte aufmerksam auf die Szene, die sich vor seinem Hof abspielte. Die Lautsprecher brüllten und ein Echo bellte von Dittrichs Haus zu euch zurück. Du hast dich nie getraut, Asta anzufassen, jetzt aber fühltest du den Drang hinzugehen. Vorsichtig nähertest du dich Herr und Hund, stelltest dich neben sie und fingst an, das mächtige Tier zu streicheln.

Bald darauf wurde auch Bauer Rusche Mitglied der LPG „Neues Leben“.

 

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