Wenn Detlev malt

Detlev hatte eine rote Fresse und abstehende Ohren, konnte aber aufregend malen. Er hatte einen Stock in der Hand und beugte sich über eine mehrere Quadratmeter große Fläche blanken, schwarzen Bördebodens, die er vorher sorgfältig von Blättern, Stöcken und Steinen gereinigt und mit seinen Quadratlatschen platt getrampelt hatte. Dann grub er mit dem Stock in schnellen Zügen die groben Umrisse eines Segelschiffs in die noch glatte Erde. Jetzt zeichnete er die Masten, die Mastkörbe und dann − viel langsamer und bedächtiger − Segel auf Segel.

Wir schauten zu und staunten; das konnte keiner von uns. Bald waren alle Segel gesetzt und das Vollschiff ging vor den Wind. Wir hatten bisher zugeguckt; nun aber wagte der Mutigste von uns den ersten Angriff. Schnell sprang Erwin vor und löschte ein Focksegel weg. Schon war er einige Meter zur Seite gelaufen und hatte sich hinter dem Denkmal versteckt. Detlev schrie auf, starrte wild umher, machte eine Bratschlabbe und ließ Schaum vom Mund tropfen. Der Krieg war erklärt. Wir zogen uns einige Schritte zurück. Langsam bildeten wir einen großen Kreis. Die Wölfe umringten ihr Opfer. Detlev stand dicht neben seinem Schiff und verteidigte Masten und Segel. Wir, manchmal fünf oder sechs Jungen, selten waren Mädchen dabei, suchten eine Gelegenheit anzugreifen. Sobald Detlev sich herabbeugte, unartikulierte Laute ausstieß und sabbernd das ausgelöschte Segel wieder flickte, sprang ein anderer vor und wischte rasch ein anderes Stück Segel aus. Da hieß es schnell zurückspringen, denn Detlev hatte nur darauf gelauert, jaulte wie ein geprügelter Hund und schlug mit dem Stock um sich. Manch einer fing so einen schmerzhaften Hieb, aber Segel um Segel verschwand, und die Meute blieb Sieger. Wenn Detlev mit der Schiffsreparatur nicht mehr nachkam, wenn sein verzweifeltes Schlagen keinen abschreckenden Erfolg mehr zeigte, zerstörten wir binnen Sekunden große Teile des Schiffs, an dem er eine halbe Stunde und mehr gearbeitet hatte. Dann hielt Detlev mit dem Schlagen inne, dann sabberte er noch mehr als sonst, gab tierische Laute von sich, brabbelte Unverständliches und trabte schließlich mit seinem Stock zum Dorfteich, die Straße hinunter zum Spittel, wo er mit seiner alten Mutti wohnte. Wir waren Sieger, das stolze Schiff wurde in Grund und Boden getrampelt und endgültig versenkt.

 

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