Apfelsinen

Amerika roch nach Apfelsinen. Es waren die ersten Apfelsinen meines Lebens und sie bevölkerten einen großen Pappkarton, den mein Vater bei der Post abholen musste, nachdem man ihn dort sorgfältig nach eventuell gefährlichen Inhalten untersucht hatte. Mein Vater stellte den Karton auf den Küchentisch und meine Mutter, meine Oma und ich durften beim Auspacken zusehen. Zunächst wurde die äußere Verschnürung gelöst, dann angelte mein Vater allerlei Gegenstände heraus, die er auf dem Tisch stapelte. Und die Apfelsinen. Ich vergesse nie die kleinen, festen Apfelsinen, die jede für sich in ein Stück bunt bedrucktes Papier eingewickelt waren. Meine Oma packte sie aus, legte sie vorsichtig auf den Tisch und ich durfte zählen: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun zehn, elf, „wie ville dat sind!“ zwölf, dreizehn und vierzehn. Davon bekam jeder von uns eine, die er zunächst schälen und dann essen durfte. Meine schälte mir meine Oma; die Spalten schmeckten süß, nur die Kerne waren so bitter, dass ich sie wieder ausspucken musste. Dann legte sie zehn in den inzwischen leeren Karton zurück, der von meinem Vater („Her damit!“) auf den hohen Schrank gestellt wurde („Und dassde mir janich dranjehst!“), von wo aus sie bis zum Weihnachtsfest ihren eigentümlichen Duft ausströmten und mir verrieten, dass es da zum Fest noch etwas Besonderes geben sollte.

 

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