Illustrationen

 

Buchillustrationen sind eine spezielle Form der bildlichen Erläuterung oder Hervorhebung, die in der Bilderfolgen der Ergänzung und der Erhellung eines Textes dienen. Die Buchillustration ist zwar an das Buchformat gebunden, und auch die Abfolge der Seiten ist festgelegt, es ist jedoch offen, ob die Abbildungen getrennt vom Text stehen, in diesen integriert sind oder sich auf einer eigenen Seite befinden, die der gemeinten Textstelle nicht immer gegenüberliegen muss. Illustration wirkt dreifach: als Schmuck, als Erläuterung und als Deutung.

Bereits die Erstausgabe des „Häwelmann“ enthält eine Illustration, ein den Text erläuterndes Bild, das zur Veranschaulichung und zum Verständlichmachen des Erzählten dient. Leonhard Biernatzki hat dem Abdruck im „Volksbuch auf das Jahr 1850 für Schleswig, Holstein und Lauenburg“ eine ganzseitige Illustration beigegeben, auf der fünf Szenen des Märchens in einer Gesamtkomposition dargestellt werden und bei der es sich um eine Bildergeschichte handelt. Die Federlithographien von Wilhelm Hoyer, die in einem Sepia-Ton gedruckt wurde, lässt sich vom Zentrum her von links unten gegen den Uhrzeigersinn mit vier Stationen der Reise Häwelmanns lesen: in der Stadt, im Wald, im Himmel und vor dem Sturz ins Meer.

 

 

Damit kam der Herausgeber einer Erwartung der Leserschaft des bürgerlichen Zeitalters nach, die Beigaben von Bildern erwartete, was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die illustrieren Familienzeitschriften zunehmend erfüllt wurde.

Storms Stellung zur Illustration poetischer Texte war komplex. Gegenüber seinem Verleger George Westermann schrieb er: „Ich habe mir die Illustration schon ein paar Mal ausdrücklich verbeten. Dem Dichter, der einen reinen ungestörten Eindruck mit seinem Werk hervorzubringen wünscht, geschieht kein Gefallen damit; denn einmal deckt die Illustration sich doch selten ganz mit der Dichtung und bringt schon dadurch einen Zwiespalt hervor; wenn aber auch, so verwirrt sie dadurch, dass das Auge des Lesers ihm unwillkürlich die Vorstellung einer Situation zuführt, welche nach der Entwicklung der Dichtung erst weit später an die Reihe kommt. Es ist unzweifelhaft, dass die Illustration die Wirkung der Dichtung teilt und abstumpft. – Obgleich keiner ein größerer Bildernarr sein kann als ich, so kann ich dies doch nicht verkennen.“
Theodor Storm an George Westermann, 30. Januar 1868 und Anmerkungen

Anne Petersen, die Herausgeberin des Briefwechsel, bemerkt dazu: „Storm sprach sich gegen die Illustration aus, wo sie vom Text ablenkt, seine Erschließung verhindert oder die Rezeption von vornherein beeinflusst. Zugleich war der Dichter sich des medialen Charakters von Stimmungen bewusst: Stimmungen tönen und durchdringen dauerhaft das Erlebnisfeld. Soll eine Illustration eine bestimmte Stimmung im Betrachter erwecken, sind Dichter und Illustrator vor die Herausforderung gestellt, sich dieses Moment der Medialität zunutze zu machen. Ein optimales Zusammenspiel von Text und Bild hielt Storm für ebenso selten wie ein wahrhaft lyrisches Gedicht.

Seit den 1920er Jahren erschienen illustrierte Einzel- und Sammelausgaben der Erzählungen Storms, in denen die Bilder eine erläuternde, kommentierende oder nur dekorative Funktion haben. Die seit der frühen Moderne auch heute noch nach wie vor interessanteste und innovativste Sparte der Literaturillustration ist die im Bilderbuch und im Kinderbuch. Dort spielt sie eine immer größere Rolle.

 

Gestaltung und Buchschmuck der Werkausgabe im Verlag Westermann 1912