Heinrich Theodor Ludwig Schnorr
Heinrich Theodor Ludwig Schnorr wurde am 6. Januar 1760 als ältester Sohn des Conrad Gottlieb Schnorr (Pastor von 1758 bis 1792) in Amelunxen geboren. Das Dorf liegt 7 km südwestlich von Höxter. Durch finanzielle Unterstützung von wohlhabenden Verwandten konnte er die seit 1542 nachgewiesene evangelisch reformatorische Lateinschule in Alfeld in der Nähe von Hildesheim im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel besuchen. Diese Einrichtung bereitete junge Männer auf das Studium auf der 1576 gegründeten Landesuniversität für das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel in Helmstedt vor.
Für diese Schule wurde 1610 ein neues Gebäude errichtet, deren Inschriften und Bildprogramm an den Fassaden das damalige pädagogische Konzept entfaltet, das Auskunft über Schnorrs Bildungsweg gibt und manche Spiegelungen in seinen späteren Münchhausiaden erfahren hat.
1779 ging er nach Helmstedt, wo er drei Jahre Theologie und Philosophie
studierte. Das belegt der Matrikel-Eintrag: „Schnorr, Henricus Dietericus
Ludovicus, Amelunxa Corbejennsis. Okt. 16 CA <civis academicus (akademischere
Bürger)>, RD <ritu depositionis initiatus (Ersteinschreibung)>; Schule
Helmstedt, theol.“
Herbert Mundhenke (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Helmstedt 1685-1810 (Bd.
3). Hildesheim 1979. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für
Niedersachsen und Bremen. IX.), S. 259.
Schulbesuch und Studium ermöglichte ihm die Unterstützung eines Verwandten, des dortigen Universitätsdrucker Johann Dietrich Gottfried Schnorr.
Die Universität Helmstedt (Academia Julia oder Academia Julia Carolina oder „academia helmstadiensis“) wurde von Herzog Julius, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, in Helmstedt als erste dezidiert protestantische Universität in der Nordhälfte Deutschlands neu gegründet und am 15. Oktober 1576 mit einem feierlichen Gottesdienst in der St.-Stephani-Kirche eröffnet. Rektoren wurden aus Tradition immer die Herzöge und Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Helmstedter Universitätsgebäude im 17. Jahrhundert; Kupferstich von Matthäus Merian
Durch die Dominanz der rigoros orthodox-lutherisch ausgerichteten Theologischen Fakultät in Helmstedt begann die Attraktivität der Academia Julia zu sinken. Mit der Errichtung weiterer Hochschulen in Norddeutschland, z. B. der Universität Kiel (1665), besonders aber mit der Gründung der Reformuniversitäten in Halle (1692) und vor allem Göttingen (1734) wandelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Universität Helmstedt zu einer reinen Provinz-Universität für die studierende Einwohnerschaft des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. (nach Wikipedia)
Seit 1783 unterrichtete Schnorr als Hauslehrer bei drei verschiedenen Familien im Umfeld seiner Heimat und begann eine schriftstellerische Tätigkeit.
Im selben Jahr veröffentlichte er das Schauspiel Ferrol oder Es geht manch Einem so! Ein Burschengemälde in fünf Aufzügen.
Ein Exemplar schickte er Ostern 1784 an Friedrich Nicolai mit der Bitte, das Schauspiel in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu rezensieren. Eine Besprechung erfolgte aber nicht.
Aus dem Begleitbrief geht hervor, dass der heiligen Gottes Gelahrtheit Candidat Schnorr zu diesem Zeitpunkt auf dem Rittergut Voldagsen bei Hemmendorf im Fürstenthum Calenberg (im Ortsteil Marienau der Gemeinde Coppenbrügge (Landkreis Hameln-Pyrmont) im Süden Niedersachsens) als Hauslehrer wirkte.
Heinrich Theodor Ludwig Schnorr an Friedrich Nicolai, Brief vom 17.4.1784; Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Nachl. Friedrich NicolaiI68Mappe 21Bl. 390.
Das 1350 erstmals urkundlich erwähnte Rittergut Voldagsen war bis in das Jahr 1878 über 200 Jahre im Besitz des Adelsgeschlechts Münchhausen.
Wappen derer von Münchhausen, schwarze Linie
1789 erschien anonym die erste seiner drei Münchhausiaden unter dem Titel: Nachtrag zu den wunderbaren Reisen zu Wasser und Lande, und lustige Abentheuer des Freyherrn von Münchhausen, wie er dieselben bey der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt. Der Verlag gab sie als zweiten Teil von Bürgers Wunderbare Reisen zu Wasser und Lande, Feldzüge und lustige Abentheuer des Freyherrn von Münchhausen, wie er dieselben bey der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt von 1788 aus, der ebenfalls anonym erschienen war. Das Buch verkaufte sich so gut, dass der Verlag Franzen und Grosse in Stendal 1795 eine zweite Auflage drucken konnte. 1794 erschien eine zweiter und 1800 ein dritter Band mit weiteren Münchhausen-Abenteuern und einer satirischen Adelsbiographie des Bodenwerder Barons Hieronymus von Münchhausen.
Ein Jahr später kam noch ein Pendant zu Münchhausen auf den Markt: Wunderbare Reisen zu Wasser und Lande und Abentheuer des Fräuleins Emilie von Bornau, verehlichte von Schmerbauch. Von ihr selbst erzählt. Frankfurt/ 1801. Der Verlag ist wieder Franzen und Grosse in Stendal. Das freizügige Buch zählt zu den Erotika und kann als eine Satire auf Jean-Jacques Rousseaus Émile oder Über die Erziehung aus dem Jahr 1762 gelesen werden, der die Themen Mädchenerziehung und Sexualität verdrängte.
Alle Münchausiaden waren Verkaufserfolge, so dass 1803 in Berlin ein weiteres Buch von Schnorr herauskam, in dem er – wieder anonym – die Münchhausen-Erzählungen von Bürger und seine eigenen zu einer Einheit zusammenfügte: Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, und lustige Abentheuer des Freyherrn von Münchhausen, wie er dieselben bey der Flasche Wein im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte Neueste Auflage mit 25 Kupfern. Berlin, in der neuen Buchhandlung. 1803.
Anfang der 1790er Jahre hatte er eine Erzieherstelle in Bierbaumsmühle im Hildesheimischen. Von hier aus veröffentlichte er neben theologischen Beiträgen auch kurze Aufsätze zu naturkundlichen Themen im Braunschweigischen Magazin (Gelehrten Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen), im Neuen Hannöverschen Magazin und in weiteren Zeitschriften. Bis ins Frühjahr1792 unterrichtet der Kandidat Schnorr in Gebhardshagen. Das Gut Heerte gehörte Levin Friedrich Ernst von Münchhausen (1753-1795), dem Amtmann von Gebhardshagen.
Georgskirche in Amelunxen an der Weser
Nachdem sein Vater wegen einer Erkrankung aus dem Amt geschieden war, wurde sein Sohn zum Prediger ordiniert und am 24. Mai 1792 in sein neues Amt eingeführt. In den folgenden Jahren verfasste er Berichte für die Amelunxener Chronik. Aus ihr geht hervor, dass der Pastor bis 1802 die Aufsicht über das Schulwesen hatte. In der Chronik von Amelunxen notierte er Ende des Jahres 1800: „Das Schulwesen dahier auf dem Lande stand bis zum Jahre 1802 unter der höheren Aufsicht des Hochwürdigen Generalvicariats, und zunächst unter der Aufsicht der zeitligen Pfarrer. es war ganz der damaligen Zeit -der stillen und einfachen Lebensweise der hiesigen Landbewohner angemessen. Der Schulunterricht bestand in der Anweisung zum Lesen und Schreiben, und hauptsächlich in der Anweisung zu einem sittlichen und religiösen Leben. Rechnen, Stylübungen, Natur- und Weltgeschichte u.s.w. welche in den späteren Zeiten beym Schulunterrichte als Hauptursache betrieben wurde, sah man damals nur als Nebensache an. Ein Haupthinderniß in Bebesserung des Landschulwesens war von jeher und ist bis jetz noch immer der zu schlechte Besol der Lehrer. Ist dieses Hinderniß einmal gehoben, so fallen alle Mängel beym Schulunterricht nach und nach von selbst fort. Ohne den Schulverordnungen wärend des oben angegebenen Zeitraums sind hier keine bekannt, als die von den Jahren 1762, 1764, 1795 worin die Aelteren verpflichtet wurden bey Vermeidung einer Geldstrafe ihre Kinder so bald sie das siebente Jahr erreicht hatten, zur Schule zu schicken, und worin die Schullehrer aufgefordert wurden, über den Schulbesuch der Kinder ordentliche Listen zu führen. eim Anfange des Jahres 1800 stand der hiesigen katholischen Schule vor Joseph Alme, und der hiesigen lutherischen Schule Ludewig Ebbeke. Bis zur oranischen Occupation war in Höxter ein Gymnasium. Die Jünglinge erhielten darin eine Vorbereitung zum Seminar oder zur Universität. Sie wurden unterrichtet in der Lateinischen Sprache, in der Mathematik, Rhetorik, Geschichte und Philosophie. Die Lehrer mußten von dem Kloster in Höxter gestellt werden. Die Eltern zahlten für den ihren Söhnen erteilten Unterricht jährlich höchstens fünf Reichstaler. Nicht nur die Stadt sondern auch die Landbewohner fanden darin eine herrliche Anstalt, ihre Söhne wenn sie Lust und Talente hatten, ohne großen Kosten für den höheren Stand zu bilden. Dieses Institut ist leider bey den großen Umwälzungen zugleich mit dem Kloster verschwunden.“
Schnorr erteilte Unterricht an der Schule in Amelunxen und lehrte an der Universität in Rinteln. Die Alma Ernestina (auch: Academia Ernestina) in Rinteln im Weserbergland war eine 1619 gegründete Universität, die bis 1810 existierte.
Mit Johann Friedrich Ludwig Wachler (1767-1838), der von 1794-1801 die dritte Professur in der theologischen Fakultät innehatte und die Neuen theologischen Annalen herausgab, verband ihn eine enge Freundschaft.
Johann Friedrich Ludwig Wachler (1767-1838)
Er war Mitarbeiter dieser Zeitschrift, die sich ein Vierteljahrhundert lang unter Wachlers Leitung als eines der einflussreichsten und wissenschaftlich gediegensten Organe ihrer Art hoher Wertschätzung erfreute.
Nach dem Wechsel Wachlers als Professor der Philosophie zur Philipps-Universität Marburg wurde die Zusammenarbeit mit Schnorr fortgesetzt; wohl auf seine Anregung hin wurde Schnorr von der philosophischen Fakultät im Oktober 1806 in Anerkennung seiner Verdienste um die Wissenschaft die theologische Doktorwürde verliehen. Schnorr veröffentlichte philosophische und pädagogische Schriften wie: Katechetik. Anweisung für Kinderlehrer. Göttingen 1793 und Der Mentor für Jünglinge auf Universitäten. Quedlinburg 1796.
1794 erschien sein Werk Über die Unsterblichkeit der Seele, ein Beitrag zur Diskussion über das Leib-Seele-Problem im Anschluss an den Bestseller von Moses Mendelssohn Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele aus dem Jahr 1767, das aufgrund seines klaren Stils noch heute lesenswert ist. Aus der Vorrede geht hervor, dass die Idee für dieses Buch in Gesprächen im gebildeten Freundeskreis entstanden ist: „Hier erinnere ich mich noch oft mit dem lebhaftesten Vergnügen, der glücklichen und frohen Stunden, die ich einst im Zirkel der Freundschaft einer mir so sehr verehrungswürdigen und allgemein geschätzten Familie, vorzüglich eines mir so theuren Freundes L. v. A. und der mir ewig unvergesslichen Freundinnen J. v. ***. und H. v. ***. verlebte, wo wir Stundenlang über Mendelson sprachen mit der wärmsten Herzensfülle, die der Gegenstand verdient. Ihnen und Ihrem Umgange verdanke ich unendlich viel, mehr als sich in einer Anmerkung sagen lässt. Selbst die Bearbeitung dieses Werkes war Ihr Wunsch. Möchte die Ausführung desselben so ganz Ihrem Wunsche entsprechen!!!“
Die zeitgenössische Kritik reagierte gespalten; in den Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte (Sechster Jahrgang, Rinteln 1794, S. 667) lesen wir: „Neues haben wir in dieser Schrift eben nicht gefunden, und das wird man wohl auch hier, bey einer schon so oft behandelten Materie, nicht erwarten. Unterdessen hat doch Herr Schnorr für eine gewisse Classe von Lesern, alles sehr plan, verständlich und deutlich, in einer schönen, oft blühenden Sprache, die nur bisweilen zu sehr ins declamatorische fällt, vorgetragen. Der Denker hingegen wird immer noch lieber den Mendessohnschen Phädon lesen.“ Schnorr habe die Argumentation Mendelssohns durch Gedanken aus der Kantʼschen Philosophie ergänzt. Gerade diese Ergänzung und Popularisierung macht aber die eigentliche Bedeutung dieses Werks aus, das ein wichtiger Beitrag zur zeitgenössischen Diskussion über das Wesen der menschlichen Seele im Rahmen der „Erfahrungsseelenkunde“ darstellt, wie die Psychologie zunächst genannt wurde.
Schnorr war als Pfarrer sehr beliebt und vermittelte bei Konflikten zwischen der evangelischen und der katholischen Gemeinde seines Amtsbereichs, wie aus folgenden Darstellungen hervorgehen:
Nachrichten.
Höxter, den 25sten Junius 1797.
[...]
Zu Amelunxen, einem Dorfe ohnweit Höxter, befindet ich eine lutherische und catholische Gemeine, aber nur eine Kirche, in welcher das Simultaneum stattfindet, welches im Jahre 1674 dort ist eingeführet worden. „Inhalts desselben ist der catholischen Gemeine, da die Kirche einzig und allein den Evangelicis zugehöre, zwar, doch unter mehreren Einschränkungen, zugestanden worden, daß sie ihren Gottesdient in dieser Kirche verrichten dürfe.
Es ist nämlich, damit hieraus zwischen beiden Religions-Verwandten keine Unordnungen und Collisionenen entstehen mögen, ganz bestimmt vorgeschrieben, zu welcher zeit dies geschehen, und wie lange der catholische Gottesdient, sowohl Vormittags, als Nachmittags dauern sollte. Hierzu ist die Zeit des Morgens von sieben bis halb neun, und des Nachmittags von 12 – 1 Uhr festgesetzet; und zwar mit dem ausdrücklichen Anhange, daß der cathol. Gottesdienst über diese Zeit nicht protrahiret werden solle, auch daß den Catholiken dadurch nihil juris weiter, als das verwilligte Simultaneum auf die betimmten Stunden concediret und eingeräumet seyn sollte.“
Wie leicht wäre es also hier in Ruhe, Friede und Einigkeit zu leben!
Der jetzige Evangel. lutherische Prediger zu Amelunxen ist Herr Schnorr, ein verständige und friedliebender Mann, der sich auch schon durch verschiedene Schriften in der gel. Welt bekannt gemacht hat. Der ehemalige catholische Pfarrer daselbst hieß Gutermann; so lange der dort war, gieng alles sehr ruhig und friedlich zu. An seine Stelle aber kam ein Seminarist aus dem Seminarium zu Corvey, Namens Amecke, Dieser verlangte es gleich als völliges Recht, daß die Lutheraner solange warten müßten, bis der catholische Gottesdienst geendiget wäre. Er ließ nun nach Belieben um 8 auch wohl erst nach 8 Uhr in die Kirche läuten, und dehnte oft, alle ihm gemachten vernünftigen Vorstellungen ohngeachtet, den catholischen Gottesdient bis gegen 10 Uhr aus.
Dadurch ist nun zwischen beiden Gemeinen, die sonst friedlich mit einander lebten, viel Haß, Feindschaft und Bitterkeit entstanden und sind endlich gar, blos durch das intolerante Benehmen dieses Pf. Amecke, in einen kostspilligen Proceß verwickelt worden.
Heist das, ich will nicht sagen Cchristlich, sondern nur billig und gerecht gehandelt? Kein unbefangener Mann, wenn er auch gleich selbst Catholik wäre, wird ein solches Betragen billigen können.
Sollten also wohl diejenigen, welche behaupten, daß im catholischen Westphalen noch mehr, wie in jeder anderen cathol. Provinz Deutschlandes, Finsterniß das Erdreich bedecke, so ganz Unrecht haben?
Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte. Neunter Jahrgang 1797. Dreissigste Woche, S. 477-479.
Über sein Engagement berichtet der Neuer Nekrolog der Deutschen:
Überhaupt richtete er auf Alles, was Menschenwohl betraf, seine Aufmerksamkeit und suchte auf verschiedenen Wegen für die Abstellung manchen Übels zu wirken. So beschäftigte ihn lange ein Plan, dem übermäßigen Genusse des Branntweins zu steuern und er reichte diesen im Frühjahr 1806 bei der Regierung zu Hannover ein, fand aber dort kein Gehör, da, wie ihm geantwortet wurde, „zu der Ausführung seiner menschenfreundlichen Ideen die Vereinigung sämtlicher Potentaten gehöre“, – Was die übrigen Verhältnisse unseres S. betrifft, so war er als Pastor ein treuer Hirt seiner Gemeinde, die er unter zum Theil sehr schwierigen Verhältnissen immer liebevoll und segensreich geleitet hat. […] Die Armen des Dorfes fanden in ihm einen freundlichen Wohlthäter und wo er bei beschränkten Mitteln mit eigner Hülfe nicht ausreichen konnte, da erwirkte er durch Bittschriften oft bedeutende Unterstützungen: erst in späteren Jahren artete diese Gutmüthigkeit in Schwäche aus. Seine Gemeinde umfasste er mit großer Liebe. Unter ihr geboren und erzogen, war fast Jedermann im Dorfe ihm von Jugend auf bekannt und mit allen hatte er Freude und Laid erlebt und gern getheilt. […] Eine äußerst sanfte und treffliche Frau und drei Kinder, von denen der jüngste Sohn jedoch im zwanzigsten Jahre starb, ließen ihn die Sorgen und Mühen des Amtes vergessen oder doch leichter tragen. Gern unterrichtete er auch Kinder aus der Gemeinde und so nahm er besonders eines Bauernknaben, in welchem er ungewöhnliche Anlagen bemerkte, sich freundlich an. Er unterrichtete ihn in Sprachen und Wissenschaften, munterte ihn weiter auf und weckte so in ihm das schlummernde Talent, das sonst unbeachtet und ungenutzt geblieben sein würde und dankbar erkannte dies der als Collegienrath und erster Professor zu Dorpat verstorbene Gustav Evers durch freundschaftliche Briefe an, die er bis zu seinem Tode an seinen ehemaligen Lehrer richtete. [Johann Philipp Gustav von Ewers (1781-1830) war ein deutscher Historiker, Staatslehrer, Hochschullehrer sowie Rektor der Kaiserlichen Universität zu Dorpat (1818–1830). Er besuchte die Klosterschule zu Holzminden. Ewers studierte in Göttingen Theologie und Geschichte. (Wikipedia)] Auch bei seinen Bekannten war S. durch seine Gemüthlichkeit und ununterbrochene frohe Laune seht beliebt und genoß einer allgemeinen Achtung auch bei denen, die einer anderen Konfession zugethan waren, wie er denn auch mit seinem katholischen Collegen eine herzliche Freundschaft unterhielt.
Neuer Nekrolog der Deutschen. 13.1835, Zweiter Theil. Weimar 1837, S. 928.
1815 brachte er sein Elementarwerk für die deutsche Sprache heraus, in dem er in der Tradition der Pädagogik der Aufklärung sowie aus den Erfahrungen seiner Tätigkeit als Lehrer Vorschläge für die Vermittlung elementarer Lese- und Schreibtechniken als Alternative zum Unterricht mit der Fibel unterbreitet.
Seiner Didaktik stellte er als Motto Folgendes voran:
Die Erziehung des Menschen, das höchste Ziel unsers Strebens, erfordert eine beständige Sorgfalt. Aus unsern Kindern geht ein neues Menschengeschlecht hervor. Aus den Früchten merket man, wie des Baumes gewartet ist. Das schwere Geschäft des Unterrichts ist noch nicht vollendet. Zu allen Zeiten war es ein Gegenstand des Beobachtens Und der genausten Untersuchung der Philosophen.
Über seine pädagogische Berufung gibt er in folgender Einleitung Auskunft:
Die Elementarschulen. Gegenwart und Zukunft – eine Vision.
–––
Ich sah und siehe –
ein Engel hellglänzenden Angesichts mit holdem Lächeln stand neben meinem Lager. Er bot mir treulich seine Hand und sagte: Stehe auf und gehe, wohin ich dich führe und du sollst sehen.
Schnell stand ich auf, warf mich in mein Gewand und ging mit ihm.
Er führte mich auf einen Standpunkt, von welchem ich die ganze Welt oder doch einen großen Theil derselben übersehen konnte. Alle Schulen der Erde standen offen vor meinen Augen. Und er fragte mich: Was siehest du?
Was ich sehe? Finsterniß bedecket das Erdreich und Dunkel die Völker. Ich sehe, wie Männer *), größtentheils zerlumpt und elend, mit dem jämmerlichsten Aussehen, sich quälen, eine Menge kleiner Kinder um sich zu haben. In kleine enge Winkel zusammengedrängt stehen oder sitzen sie. Die meisten Lehrer horanguiren. Die Kinder horchen hoch auf, verstehen ihren Lehrer wenig oder gar nicht; sagen ihnen Alles nach; thun ihnen Alles nach; Alles auf gut militärisch. Hebt der Lehrer die Hand auf; so hebt das Kind die Hand auf Streckt er sie aus; so streckt sie das Kind auch aus. Thut er sie auf oder verschließt er sie; so thut es sie auf oder verschließt sie. Faltet er die Hände oder läßt er sie sinken; so geschieht Alles nach diesem Mechanism. Wird ein Kind gefragt; so steht es auf – hat es geantwortet; so setzt es sich wieder nieder. Werden Alle angesehen; so stehen sie Alle auf. Haben sie uno tenore geantwortet; so setzen sie sich Alle wie der nieder. Das heißt doch Aufmerksamkeit! Pädagogische Taktik!!! Anstatt den Verstand der Unmündigen aufzuklären, wird derselbe nur mit wiederholten Phrasen, mit Papageyengeschwätz, mit dem gewöhnlichen dogmatischen Geleyer angefüllt. Das Herz nimmt nicht den kleinsten Antheil daran und wird also nur durch eine solche Methode verdorben. Bey solchen Lehrern möchte man ausrufen: Vater! vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! – Die meisten Lehrer horchen, ob nicht bald die Stunde schlägt, wo sie befreyet werden von dem lastbaren Joch, das auf ihren Schultern ruhet und die meisten Kinder – wie könnte es auch anders seyn? – warten nur auf den Wink der Erlösung und besonders auf den großen Wink der Erlösung, wo sie ganz frey werden. Ich sehe in mehreren Theilen der Erde die Lehrer, von einem sehr bösen Geiste, Crambambuli oder Conflux genannt, besessen schlafen und die Kinder sie necken oder Unfug treiben. Ich höre manche Lehrer auf das schrecklichste toben, wüten, schelten, prügeln, und die armen Kin der schreyen. Warum? weil das Lesenlernen nicht so gehen will. Ich sehe Lehrer und Kinder in der Quaal und überall Dunkel. Aus diesen engen Behältern, wo auch nicht einmahl – weil das Holz sehr theuer und die Winterkälte sehr groß ist – geöffnet wird, um die verdorbene Luft mit dem gesunden Himmelsathem zu vertauschen, kömmt mir ein Dunst entgegen, wie Pestluft.
Was sagst du dazu? fragte mich der Engel.
Nie hätte ich geglaubt, daß das der Geist der Schulen wäre. Um Gottes Willen! So werden Menschen gebildet für die künftige Welt? Unmöglich.
Und doch kannst du es glauben: Es ist größtentheils so und zum Theil noch viel ärger. Du siehst noch lange nicht Alles, was vorgeht. Du sollst es auch nicht sehen. Vor jene Schulen im Hintergrunde sind Vorhänge gezogen. Es würde dein ganzes Gefühl empören, wenn du sähest, was da vorgeht. Der Mensch ist und bleibt Mensch. Unter dem Monde gibt es noch viel Menschliches und es wird auch bey allem Sinn für das Umgestalten stets viel Menschliches bleiben. Aber es wird sich auch vieles ändern. Komm und sieh. –
Ich folgte. Er führte mich auf einen andern Standpunkt. Die Morgenröthe brach an. Ein himmlisch schönes Schauspiel begann. Vor mir unermeßliche Hallen in diesem großen Weltraum – und in diesen Hallen nichts als Kinder. Kleine allerliebste Geschöpfe, alle wie Engel. Knaben und Mädchen aller Nationen, aller Secten, aller Zungen und Alle freundlichen liebevollen Angesichts, blühend wie die Gesundheit. Fröhlich hoben sie ihre kleinen Händchen in die Höhe. Nichts als Freude belebte sie. Es waren allerliebste Kinder!
Was sollen diese? fragte ich.
Du bist vom Himmel ersehen, diese künftige Generationen alle Sprachen lesen zu lehren. Du bist das Werkzeug in der Hand des mächtigen Urgeistes, der alle Welten in seiner Hand hält. Sieh, wie sie dir so froh die kleinen Händchen reichen. Aus aller Welt Ende kommen sie, um aus deinen Händen Segen zu empfangen.
Aber was tausend und mehrere Jahre bestanden hat?
Sieh, jenes alte morsche Gebäude im Hintergrunde fällt zusammen und ein neues erhebt sich durch die Kunst der Werkleute. Der alte Phönix verbrennt sich selbst auf dem zusammengetragenen und angezündeten Holzstoße und ein neuer steigt aus seiner Asche. Sieh, wie die Finsterniß, wie der Nebel verschwindet und so hehr und schön die Sonne aufgeht.
Er berührte sanft mit einem weißen Stabe meine Stirn.
Ein süßer Duft, wie von tausend Blumen, umgab mich. Er war verschwunden und als ich erwachte und von meinem Lager aufstand, lag vor mir in heiliger Schrift: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht!“
*) Bey allen Bemühungen für Deutschlands Schulen ist doch noch - nicht genug für das Wohl derselben im Ganzen gesorgt. Es ist Etwas, es ist Manches geschehen – aber noch lange nicht genug.
–––
Dr. Heinrich Theodor Ludwig Schnorr’s, Pfarrers zu Amelunxen, Allgemeines, neuestes und vollständigstes Elementarwerk für die deutsche Sprache und für alle bekannte Sprachen der Welt, um den Kindern das Lesenlernen derselben zu erleichtern. Stendal. Bey Franzen und Große. 1815, S. S. 5-8.
Schnorr war als Pfarrer sehr beliebt und vermittelte bei Konflikten zwischen der evangelischen und der katholischen Gemeinde seines Amtsbereichs. Über sein Engagement berichtet der Neuer Nekrolog der Deutschen:
Überhaupt richtete er auf Alles, was Menschenwohl betraf, seine Aufmerksamkeit und suchte auf verschiedenen Wegen für die Abstellung manchen Übels zu wirken. So beschäftigte ihn lange ein Plan, dem übermäßigen Genusse des Branntweins zu steuern und er reichte diesen im Frühjahr 1806 bei der Regierung zu Hannover ein, fand aber dort kein Gehör, da, wie ihm geantwortet wurde, „zu der Ausführung seiner menschenfreundlichen Ideen die Vereinigung sämtlicher Potentaten gehöre“, – Was die übrigen Verhältnisse unseres S. betrifft, so war er als Pastor ein treuer Hirt seiner Gemeinde, die er unter zum Theil sehr schwierigen Verhältnissen immer liebevoll und segensreich geleitet hat. […] Die Armen des Dorfes fanden in ihm einen freundlichen Wohlthäter und wo er bei beschränkten Mitteln mit eigner Hülfe nicht ausreichen konnte, da erwirkte er durch Bittschriften oft bedeutende Unterstützungen: erst in späteren Jahren artete diese Gutmüthigkeit in Schwäche aus. Seine Gemeinde umfasste er mit großer Liebe. Unter ihr geboren und erzogen, waqr fast Jedermann im Dorfe ihm von Jugend auf bekannt und mit allen hatte er Freude und Laid erlebt und gern getheilt. […] Eine äußerst sanfte und treffliche Frau und drei Kinder, von denen der jüngste Sohn jedoch im zwanzigsten Jahre starb, ließen ihn die Sorgen und Mühen des Amtes vergessen oder doch leichter tragen. Gern unterrichtete er auch Kinder aus der Gemeinde und so nahm er besonders eines Bauernknaben, in welchem er ungewöhnliche Anlagen bemerkte, sich freundlich an. Er unterrichtete ihn in Sprachen und Wissenschaften, munterte ihn weiter auf und weckte so in ihm das schlummernde Talent, das sonst unbeachtet und ungenutzt geblieben sein würde und dankbar erkannte dies der als Collegienrath und erster Professor zu Dorpat verstorbene Gustav Evers durch freundschaftliche Briefe an, die er bis zu seinem Tode an seinen ehemaligen Lehrer richtete. [Johann Philipp Gustav von Ewers (1781-1830) war ein deutscher Historiker, Staatslehrer, Hochschullehrer sowie Rektor der Kaiserlichen Universität zu Dorpat (1818–1830). Er besuchte die Klosterschule zu Holzminden. Ewers studierte in Göttingen Theologie und Geschichte. (Wikipedia)] Auch bei seinen Bekannten war S. durch seine Gemüthlichkeit und ununterbrochene frohe Laune seht beliebt und genoß einer allgemeinen Achtung auch bei denen, die einer anderen Konfession zugethan waren, wie er denn auch mit seinem katholischen Collegen eine herzliche Freundschaft unterhielt.
Neuer Nekrolog der Deutschen. 13.1835, Zweiter Theil. Weimar 1837, S. 928.
Ein anonymer Korrespondent der in Gotha erscheinenden National-Zeitung berichtete im Sommer 1807:
Aus dem Korweyischen. Je seltner jetzt gute Dienstboten sind, desto mehr ist es Pflicht, die bessern zu ehren. Ein Beyspiel dieser Art sahe man am 7. Jun. Zu Amelunxen einem beträchtlichen Pfarrdorfe in der ehemaligen Abtey Corwey. Eine Dienstmagd des Herrn Geheimraths von Porbeck zu Höxter, Anna Maria Elisabeth Lingemann, die sich in ihren Diensten durch gute Eigenschaften empfohlen hatte, hielt an diesem Tage zu Amelunxen Hochzeit. Braut und Bräutigam hatten die Herrschaft, der Gewohnheit gemäß, zu dieser Feyerlichkeit eingeladen, und, was man nicht erwarten konnte, geschah als Auszeichnung und Belohnung des treuen Eifers der vormaligen Dienstmagd. Die ganze Familie erschien, war zugegen bey dem Trauungsakt in der Kirche, folgte dann den Brautleuten ins Hochzeitshaus, wo die liebenswürdigen Kinder mit Braut und Bräutigam tanzten, während ihre Eltern sich freundlich mit allen Anwesenden unterhielten, und kehrten erst nach einigen eingenommenen Erfrischungen wieder zurück. Ausserdem trug aber auch die rührende und herzerhebende Art, mit der der ehrwürdige Prediger zu Amelunxen, Herr Schnorr, die Trauung vollzog, sehr viel zur Auszeichnung dieser Feyerlichkeit bey. Er schilderte zuerst mit aller Kraft der Beredsamkeit und eindringender Wärme des Herzens, die Reise durchs menschliche Leben zu einer höheren Bestimmung; zeigte, wie wir anfangs von Eltern und Lehrern; nachher in den Jahren der Selbständigkeit von Freunden und zuletzt von Weib und Kind begleitet würden; und nahm davon Gelegenheit, die Wichtigkeit des Ehestandes, und den seligen Einfluß einer überlegten und glücklichen Wahl des Gatten auf die Zufriedenheit unseres Lebens zu würdigen. Hierauf führte er das neue Ehepaar auf dessen allgemeine und besondere Pflichten. Liebe zur Religion und Gottesfurcht und Vertrauen auf Gott in jeder Lage des Lebens machte er demselben zur Hauptpflicht, woraus er alle übrigen Pflichten ihres Standes und Berufes herleitete. Insbesondere ermahnte er dann die Brautleute zur gegenseitigen Nachsicht, als der Quelle der Eintracht und des ehelichen Friedens, und zur kindlichen Liebe ihres alten, siebzigjährigen Pflegevaters, der ihnen die Güter übertragen hatte. Sie sollten, rief er ihnen in rührenden Ton herzlicher Liebe zu, sie sollten ihm nicht bloß in den ersten Tagen freundlich begegnen, sondern ihm bis zum letzten Augenblick seines Lebens die schuldige Liebe, Achtung und Dankbarkeit beweisen. Nach dieser Rede traten die Brautleute zum Altar, wo der würdigen Prediger den Trauungsakt auf die feyerlichste Weise verrichtete. – Die Kirche war voll von Menschen, die zu verschiedenen Religionspartheyen gehören; gleichwohl herrschte einen solche Stille und Ordnung, die den deutlichsten Beweis von der innigen Rührung gab, die alle ergriffen hatte.
Anmerkung: Schon seit 16 Jahren bekleidet dieser Mann, der sich eben so sehr durch seinen tadellosen Wandel als durch seine Gelehrsamkeit und Redetalente empfiehlt, eine kleine Pfarrstelle von etwa 350 Thl. Einkünfte! – Möchte er bald in einen größern Wirkungskreis versetzt werden, wo er mehreren nützen und ein sorgenfreyeres Leben führen könnte!
National-Zeitung der Deutschen. Gotha, 30tes Stück, den 23sten July 1807, Sp. 629-631.
Schnorr veröffentlichte in mehreren Zeitschriften und Zeitungen, darunter auch in der in Herford erscheinenden Westphalia: eine Zeitschrift für alle Stände. Gelegenheitsgedichte und kurze Essays u. a. zu seelsorgerischen, ökonomischen und pädagogischen Themen. Einige seiner Gedichte vertonte er auch und gab die Noten auf eigene Kosten in der Schulbuchhandlung in Brauschweig heraus.
Er starb am 26. Oktober 1835 nach schwerer Krankheit in Amelunxen.
Bibliographie
Heinrich Theodor Ludwig Schnorr an Friedrich Nicolai, Brief vom 17.4.1784; Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Nachl. Friedrich Nicolai, Mappe 21, Bl. 390.
Selbständige Veröffentlichungen
(ohne Münchhausiaden)
Ferrol oder Es geht manch Einem so! Ein Burschengemäld in fünf Aufzügen Hamburg. 1783. Bey Johann Philipp Christian Reuß.
Katechetik. Anweisung für Kinderlehrer von Heinrich Theodor Ludwig Schnorr, Prediger zu Amelunxen im Corveyschen. Göttingen 1793.
[Rezension]: Neunte Beylage zu den Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte. 5. Jg. 1793, S. 143.
Antikritik. In: Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung Halle 1794, Nr. 25 Sp. 199f.
[Rezension] In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 74. Stück. Den 10. May 1794, S. 744.
[Rezension] In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. Zwölfter Band, zweites Stück, fünfter Band. Kiel 1794, S. 299-300.
Über die Unsterblichkeit der Seele. Nach M. Mendelson’s Phädon. von Heinr. Theod. Lud. Schnorr. Göttingen: Bey Iohann Georg Rosenbusch 1794.
[Rezension] In: Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte. Rinteln 6. Jg. 1794, S. 666f.
Od. [Rezension] In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 19. Band, Kiel 1795, erstes Stück. Erstes bis Viertes Heft, S. 138f.
Singstück fürʼs Clavier, von Heinrich Theodor Ludwig Schnorr. Auf Kosten des Verfassers und zu haben in der Schulbuchhandlung in Braunschweig. o. J. [1795].
Kunst-Anzeige. In: Braunschweigisches Magazin. 23tes Stück. Sonnabends, den 6ten Juni 1795, Sp. 367f.
Pu. [Rezension]. In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 25. Band, erstes Stück. Erstes bis Viertes Heft. Kiel, 1796, S. 146.
Der Mentor für Jünglinge auf Universitäten. Quedlinburg 1796.
[Rezension] In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. Des vierzigsten Bandes Erstes Stück. Erstes bis Viertes Heft. Kiel, 1798, S. 273f.
Der Mentor auf Universitäten. Pendant zu J. H. F. Meineckens Beiträgen zur Beförderung christlicher Tugend und anständiger Sitten auf Schulen und Gymnasien. Quedlinburg 1797.
Dr. Heinrich Theodor Ludwig Schnorr’s, Pfarrers zu Amelunxen, Allgemeines, neuestes und vollständigstes Elementarwerk für die deutsche Sprache und für alle bekannte Sprachen der Welt, um den Kindern das Lesenlernen derselben zu erleichtern. Stendal. Bey Franzen und Große. 1815.
[Rezension] In: Allgemeine Literatur-Zeitung auf das Jahr 1815, No. 189, Sp. 732-734.
Reprint 2011
K.: Kinderschriften. [Rezension]. In: Ergänzungsblätter zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung 1818. Num. 22., Sp. 171-176.
Betstunden. Ein Handbuch für Pfarrer und Filialkirchen zur Beförderung kirchlicher und häuslicher Erbauung. Stendal 1821.
Über Schnorr
Ehrenbezeugungen. In: Allgemeine Literatur-Zeitung vom Jahre 1806. Vierter Band, Halle 1806, Sp. 1166.
National-Zeitung der Deutschen. Gotha, 30tes Stück, den 23sten July 1807, Sp. 629-631.
An Dr. Schnorr. In: Westphalen und Rheinland, Vierter Jahrgang, Herford und Bielefeld, 4. Jg. 1825, S. 389f.
Schnorr (H. Th. L.) In: Siebzehnter Nachtrag zu der vierten Ausgabe des Gelehrten Teutschland. Lemgo 1825, S. 235f.
Münchhausen. In: Das Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, Nr. 177, August 1836, S. 270.
Heinrich Theodor Ludwig Schnorr. In: Neuer Nekrolog der Deutschen. 13.1835, Zweiter Theil. Weimar 1837, S. 928.
Literaturhistorische Bewertungen
Dies erbärmliche Machwerk verdiente freilich vollkommen das Verdammungsurtheil der allgem. deutschen Bibliothek (B. 98, S. 613); die Ungerechtigkeit bestand nur darin, daß es dort mit dem wahrhaften Münchhausen in eine Linie gestellt wurde.
Adolf Ellissen: Einleitung zu dieser neuen Ausgabe. In Des Freih. v. Münchhausen wunderbare Reisen und Abenteuer […]. Göttingen und Berlin 1849, S. XXV.
Dieses Volksbuch, aus alten Quellen destilliert und umgegossen, zuletzt von einem Dichter geformt, ist qualitativ natürlich nicht zu überbieten. Es gab aber viele Nachahmer, die eine leichte Feder, einige Erfindungsgabe und Humor genug besaßen, um auf diesem Feld noch einigermaßen bestehen zu können. Zwei dieser Münchhausen-Jünger werden hier vorgestellt.
Der erste arbeitete sehr schnell. Schon 1789, drei Jahre nach der ersten deutschen Münchhausen-Ausgabe, erschien ein Nachtrag zu den wunderbaren Reisen von Heinrich Th. L. Schnorr, der nur noch als Verfasser einer derben Studentenkomödie bekannt geworden, sonst im Dunkel geblieben ist.
Auf die Unbefangenheit des Lesers vertrauend, scheute er sich nicht, den originalen Titel zu verwenden, verbarg sich aber gleichfalls unter dem schützenden Mantel der Anonymität, den auch Bürger – aus anderen Gründen – benutzt hatte. Auch der Druckort »Kopenhagen 1789« war fingiert. Das wiederholt sich bei den folgenden, auch von ihm verfaßten Bändchen, dem dritten und vierten (Teile III und IV, Seiten 145 bis 227). Der im 4. Bändchen als Verfasser genannte Hennige Küper ist natürlich auch erfunden.
Schnorr hatte es schwerer als Bürger: mußte er doch alles selbst erfinden und ausbrüten. Kein Wunder, daß seine Erzählungen in der Fülle der Erfindungskraft mit dem Vorbild nicht ganz Schritt halten können. Trotzdem bleibt noch Interessantes genug; Schnorr kannte den Geschmack der Leser. Die Geschichten sind, nimmt man sie zusammen, etwas näher an der Wirklichkeit angesiedelt; Münchhausen, der Gutsherr, führt hier ein reales Leben, besitzt Acker und Vieh, baut eine – historisch echte – Brücke. Zur Erotik hat Schnorr eine intimere Beziehung als Bürger, der nur gelegentlich einige Fakten lapidar – untertreibend – hinwirft. Die zweite Ehe des alten Münchhausen ist für ihn ein Thema, vor dem er, aller Gewagtheit zum Trotz, nicht zurückscheut. Schnorr muß die Verhältnisse genau gekannt haben. Er akzeptiert noch die Vorrangstellung des Adels; die alte Ordnung ist noch intakt und wird nicht angetastet.
Münchhausens wunderbare Reisen. Die phantastischen Geschichten des Lügenbarons und seiner Nachfolger. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Erwin Wackermann. Hamburg 1966, S.472f.
Als erster Nachahmer ist Heinr. Th. L. Schnorr zu nennen. In die seriöse Literatur ist er nicht eingegangen; die unseriöse Literatur verzeichnet von ihm eine Studentenkomödie: „Ferrol, oder es geht manch einem so. Ein Burschengemälde. Hamburg 1783. 8..“ Bereits 1789, drei Jahre nach Bürgers erster Münchhausen-Ausgabe, erschien Schnorrs „Nachtrag zu den wunderbaren Reisen“ dem noch zwei weitere Bände folgten. Alle drei Bände wurden mehrfach aufgelegt. Es folgte von Schnorr noch der „Lebenslauf des Fräuleins Emilie von Bornau, verehelichte von Schmerbach“, eines weiblichen Münchhausen-Ablegers. Bei Schnorr geht es viel bürgerlicher zu als bei Bürger: den selbstsicheren Freiherrn mit seiner unverwechselbaren sprachlichen Prägnanz sucht man vergebens – es ist ein Abstieg. Ein Bürgerlicher erzählt nun seine Geschichten; zum Teil selbsterfundene, zum anderen Teil solche aus der Wirklichkeit: den Verlauf der letzten schmerzlichen Aventure des alten Barons, der noch einmal eine Ehe mit einem ungleichen und ungeeigneten Partner versucht hatte. Die Erotik, bei Bürger nur gelegentlich angedeutet und unterkühlt dargeboten, erhält bei Schnorr ein größeres Gewicht und wird mit größerem Behagen serviert. Die Zahl der Auflagen spricht für den flotten Verkauf dieser Ware, die ausschließlich mit fingiertem Verlagsort und ohne Nennung des Verfassers erschien. Im ‚Dritten Bändchen‘ sucht Schnorr ein wenig aus der Anonymität herauszukommen; er vermerkt auf dem Titelblatt: „Mein erstes, aber damit ich denen unberufenen Autoren den Spaß nicht verderbe, und weil doch manches von meinem Eigenthum darin enthalten ist.“ Im 4. Band versteckt er sich hinter dem Pseudonym Hennige Küper, Küster in Bodenwerder.
Erwin Wackermann: Münchhausiana. Bibliographie der Münchhausen-Ausgaben und Münchhausiaden. Mit einem Beitrag zur Geschichte der frühen Ausgaben. Stuttgart 1969, S. 75.
Betrachtet man die ganze Reihe der Schnorrianä und ihrer Nachahmer, die die ganze Epoche der Romantik beherrschten, so ist eigentlich sehr wenig Rühmliches davon zu sagen. Die meisten sind langfädige Machwerke, uneinheitlich eklektisch, mit störenden Wiederholungen, zynischen Darstellungen des Hässlichen, Widerlichen, Obszönen. Der Partisan erzählt anzüglich Liebesaffären und gibt sich dem Niedrigstkomischen und Zotenhaften hin. Den Verfassern fehlen sichere ästhetische Maßstäbe. Die Verse sind oft verworrener, weinerlicher oder salbungsvoller Abklatsch von Hölty und Klopstock. Das Hauptinteresse liegt beim Stofflichen, beim Essen, Trinken und beim Geld. Gerade weil ihnen die sicheren Maßstäbe fehlen, mischen sie unharmonisch Scherz, Ernst, Wirkliches und Unwirkliches. Es fehlt ihnen an Geschmack, an Stil, an Kenntnis der Grammatik. Bei ihrer oft enthüllten niedrigen Gesinnung stellen sie Münchhausen als Schelm und windigen Possenreißer dar und entkleiden ihn des Edelmännischen. Wieviel von solcher Verwilderung Schnorr und wieviel der Zeit allgemein aufs Kerbholz zu schreiben ist, müsste erst noch genauer untersucht werden. Die skeptische und pessimistische wie materialistische Haltung ist typisch für die Epoche. Das eingeengte, kleine Bürgertum kann sich wenigstens in Gedanken ungehemmt ausleben, sich mit Münchhausen oder ihm verwandten Helden identifizieren und zugleich über sie lachen.
Werner R. Schweizer: Münchhausen und Münchhausiaden, Werden und Schicksale einer deutsch-englischen Burleske. Bern 1969, S. 86.