Weitere Münchhausiaden
Neben Schnorrs Fortsetzungen der Raspe-Bürgerschen Jagd- und Reise-Abeteuer des Baron von Münchhausen erschienen eine Fülle von weiteren Erzählungen derselben Art. Sie werden vom Werner R. Schweizer folgendermaßen kategorisiert:
Die Ableger des Bürgerschen «Münchhausen» sind dessen unmittelbare literarische und künstlerische Wirkungen. Sie lassen sich zwanglos in drei Klassen teilen, zwischen denen jedoch allerlei Übergänge stehen: Die erste Klasse sind die wortgetreuen Nachdrucke. Die zweite Klasse sind die freien Nachdrucke, die textlich, sowohl als stofflich dem Bürgerschen Vorbild nur ungenau folgen. Die dritte Klasse sind die Nachbildungen und Nachahmungen, die textlich, sowohl als inhaltlich sich freimachen von dem Vorbild und dieses nur in großen Zügen nachahmen. Von den selbständigen Neuschöpfungen reden wir später.
Textliche und stoffliche Treue sind zwei verschiedene Dinge. Dennoch gehen sie Hand in Hand. Die Sprache, ihre Lautform und Bedeutung folgen ihren eigenen Gesetzen während der Variation. Darum verändern sich Stil-form und Inhalt, sobald der Nachahmer zu variieren beginnt.
Die erste Klasse der Ableger sind Nachdrucke mit strenger, sprachlicher und stofflicher Treue gegenüber Bürgers Fassung. Fast jedes Jahr erscheinen solche Nachdrucke seit der ersten Veröffentlichung durch die Dieterichsche Verlagsbuchhandlung im Jahre 1786. Viele dieser Nachdrucke lassen die Einleitungen aus und andere die Seeabenteuer oder sie variieren in leichter Weise den Titel.
Die zweite Klasse der Ableger sind Nachdrucke, die mehr oder weniger frei mit ihrem Vorbild verfahren, indem sie den vorliegenden Text kürzen oder durch allerlei Einschiebsel dehnen, ihn abändern oder umstilisieren, was sie so weit treiben können, daß schließlich nur das Gerüst der Bürgerschen Münchhausiade bleibt. […]
Zu der zweiten Klasse der Ableger gehören fast alle Ausgaben für die Jugend. Der Text wird dem besonderen Leser oder Hörer angepaßt. Manche Verleger haben solche Ausgaben herausgebracht, gewöhnlich in der Bearbeitung von C. D. Mund und mit den Illustrationen von Willy Plank, F. Berger und anderen.
Die dritte Klasse der Ableger sind die Nachahmungen und Nachbildungen. Ihr Wortlaut weicht von dem Bürgerschen gänzlich ab. Der Inhalt ist neuartig, nimmt gewöhnlich nur einzelne Schnurren und Motive aus dem Vorbild und fügt ganz neue ein. Diese Nachahmungen sind bald witzig, bald ernst, bald realistisch, bald phantastisch, einige sind erzählend, andere in dramatischer Form, pseudogeschichtlich oder pseudobiographisch. Der Verfasser ahmt nach, erweitert, phantasiert, dehnt, formt um, reimt, dialogisiert und verwässert oder vergewaltigt, in manchen Fällen veredelt er das Vorbild.
Der Reigen der Nachahmungen wird eröffnet von einer Menge von Werken, die auf den ersten Blick dem Volksbuch ähneln, indem sie von bezeichnenden Merkmalen ausgehen. Selten ist es dem Nachahmer um künstlerische Kriterien zu tun, oft fehlt es ihm an künstlerischer Eigenart. Darum gehören auch die meisten Nachahmungen ins Gebiet der anspruchslosen Unterhaltungsliteratur, die bestrebt ist komisch zu wirken. Dabei enthalten sie gelegentlich witzige Apercus, Spielwitze, Sprachspiele, drollige Charaktere und allerlei Ulk, neben langweiligen, geistlosen Ausgüssen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Münchhausen wird hingestellt als Fahrender, unsteter Abenteurer, Schelm, Aufschneider, Spötter oder als Übermensch. Die Quellen dieser Nachahmungen sind neben dem Volksbuch oft der Schelmuffski, Eulenspiegel, Robinson, Volksmärchen oder voyages imaginaires. Die Druckorte sind gewöhnlich fiktiv.
Schweizer 1969, S. 84ff.
Die folgenden Titel aus dem Zeitraum 1794 bis 1858 entsprechen dritter Klasse. Sie wurden auf der Grundlage von Erwin Wackermanns Bibliographie ermittelt und als Originale oder Digitalisate eingesehen. Der jeweilige Standort ist angegeben.
1. 1793
Empfindsame/ REISE/ nach Schilda./ mit Kupfern./ Leipzig. 1793./ bey Wilhelm Heinsius/ dem jüngern.
8°. Mit gest. Frontispiz von Dornheim nach Schubert, gest. Titel u. 4 Kupfertafeln. 192 Seiten.
Autor Georg Friedrich Rebmann
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek; P.o.germ. 1129 c
„Satire auf politische und gesellschaftliche Verhältnisse. Aktualisierung von Episoden aus dem Lalebuch, damit Anknüpfung an einen ähnlichen Versuch von Johann Gottlob Schulz: ‚Die neuen Schildbürger oder Lalenbuch in den Tagen der Aufklärung (...)‘ Nürnberg 1791“ (Kawa). „Die Verfasserschaft Rebmanns ergibt sich aus der 1795 publizierten Satire ‚Leben und Taten des jüngern Herrn von Münchhausen, wohlweisen Bürgermeisters zu Schilda‘, die im Titel als ‚Zweiter Teil der Empfindsamen Reise nach Schilda‘ ausgewiesen ist und für die Rebmann als Verfasser feststeht“
Wolfgang Ritschel in „Georg Friedrich Rebmann. Werke und Briefe“, I, S. 636, vergl. S. 645.
Johann Andreas Georg Friedrich Rebmann (1768-1824), Sohn eines Finanzbeamten, studierte in Erlangen, dann in Jena Rechts- und Staatswissenschaften; nach seiner Promotion war er ab 1789 als Prokurator in Erlangen tätig. Als Verfechter der Prinzipien der Französischen Revolution wie der Menschenrechte entlassen wandte er sich der Publizistik zu und war nach 1792, wiederholt zur Flucht gezwungen, Redakteur und Herausgeber verschiedener politischer Zeitschriften (u. a. „Das neue graue Ungeheuer“) in Dresden, Erfurt, Altona und Paris. Nach der Annexion des Rheinlandes durch Frankreich wurde Rebmann 1797 Richter am Kriminalgericht zu Mainz, wo er 1803 den Prozeß gegen Johannes Bückler (Schinderhannes) führte; 1810 wurde er Präsident des kaiserlichen Gerichtshofs zu Trier. Nach dem Sturz Napoleons wurde er in den Justizdienst Pfalzbayerns übernommen und war zuletzt Oberpräsident des Appellationsgerichtshofs in Zweibrücken.
Rainer F. Mayer, http://www.rfmeyer.de/catentries/rebmann.html
2. 1794
Geschichte/ des/ Baron von Münchhausen des Zweyten,/ oder/ the neighbour, next I. König/ zu Hellecone 1219 Jahre vor Erschaffung der Welt nebst/ der Beschreibung von der Geburt seines Sohns/ the neighbour, next II König/ zu Hellecone, und Thessalien 12 thausend Jahre nach Erscha-/fung der Welt, nebst der Beschreibung seiner Geburt und/ der Reise nach der Insel Monstraserpent./ 17994.|
Wackermann 2.11
4ᵒ.Titel und 6 Seiten
Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN806927828.
3. 1795
Leben und Thaten/ des jüngern/ Herrn von Münchhausen,/ wohlweisen Bürgermeisters zu Schilda./ Zweiter Theil/ der/ empfindlichen Reise nach Schilda./ Thorn,/ bei Gottfried Vollmer./ 1795.|
Wackermann 2.14
8ᵒ. 112 Seiten.
Zweiter Teil der Empfindsame Reise nach Schilda. Leipzig 1793. Verfasser ist Johann Andreas Friedrich Georg Rebmann (1768-1824). Verlagsort ist Hamburg. 2. Auflage 1817.
Digitalisat: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle; II d 977
4. 1795
Lustiges/ Post- und Reise-/ Vademecum/ muntern Reisenden gewidmet/ von Monsieur Heemkengrypern,/ gewesenen Kammerdiener/ des Herrn von Munchhausen,/ und herausgegeben/ von/ seinem lachenden Erben./ Mit 3 Kupfern./
[Vignette]/ Polkwitz 1795.|
Wackermann 2.15
8. 100 Seiten.
Verlag: Oehmigke, Berlin
Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN80702600X
5. 1797
Lustiges/ Post- und Reise-/ Vademecum/ muntern Reisenden/ und/ zufriedenen Landbewohnern/ zum Vergnügen/ herausgegeben/ von/ Baldrian Heemkengrypern,/ Eheleiblichen Sohns, des gewesenen Kammerdieners/ Sr. Gnaden des berühmten Herrn von Münchhausen./ Zweites Stück. Mit Kupfern./ Polkwitz 1797.|
Wackermann 2.15
8ᵒ. X und 90 Seiten.
Verlag: Oehmigke, Berlin
Zweites Titelblatt: Der/ Herr Oberamtmann/Schwartemagen/ bey guter Laune/ oder/die vergnügte Tischgesellschaft/ auf/ dem Amte Weizenburg./ Ein angenehmes Unterhaltungsbüchlein/ für/ vergnügten und zufriedenen/ Landbewohner./ 1797.|
Verlag: Oehmigke, Berlin
Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN807026034
6. 1812
Des Freyherrn/ Herrn von Münchhausen/ des jüngern/ Leben, Reisen, Abentheuer/ und/ Schicksale,/ zu Wasser und zu Lande, im Monde und/ in der Hölle./ Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm./ Bartenstein,/ bey L. Fixdorff und Kleinheinz./ 1812.|
Wackermann 2.27
Kl. 8ᵒIV und 190 Seiten
Museum Bodenwerder, Inv.-Nr. 91/556; Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN797823921
Neuauflagen 1819 und 1829
Nachahmung einiger Erzählungen und Abenteuer aus Bürgers (S.94-97) und Schnorrs (S. 168-173) Büchern.
7. 1812
Seltsame/ Reisen und Abentheuer/ von/ Herrn Peter Großmaul,/ Taufpathen Münchhausens./ Von ihm selbst beschrieben./ Mit vielen Vignetten./ Peru 1812./ In Commission in der Rehm’schen Buch-/handlung in Wien.|
Wackermann 2.26
10 Kupfertafeln mit 20 Abbildungen.
Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN797824928
8. 1814
Münchhausens, des jüngern, Reise durch die Welt. In: Winter-Monate. Für Freunde leichter Unterhaltung und froher Laune. Erster Band. Drittes Heft. Leipzig December 1814, S. 247-258.
Wackermann 2.27
Indiane University. Google-Digitalisat: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=inu.30000093416091&view=1up&seq=211&q1=Die%20Sympathiev%C3%B6gel
9. um 1830
Der lustige/ Aufschneider und Erzlügner,/ Münchhausen der Jüngere,/ welcher lügen kann, daß sich die Balken biegen/ mögten./
4 Seiten
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek München; Res/P.o.germ. 1691,39
10. 1833
Leben und Abentheuer/ des/ Herrn von Münchhausen./ Der Wahrheit gemäß erzählt/ von/ Wahrhold Wahrlieb,/ Neffe des großen Münchhausen und Mitglied aller nicht-/bestehenden gelehrten und ungelehrten Gesellschaften./ Aschersleben./ In Commission bei Carl Lorleberg./ 1833.|
Wackermann 2.33
8ᵒ. 84 Seiten; S. 66-84 werden einige von Bürgers Münchhausen-Abenteuern nachgedruckt. Verfasser: Peter August Burmeister, Pseudonym u. a. Johann Peter Lyser
Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Werk Id: PPN806938544
11. 1833
Der Lügenkaiser./ Seltsamliche, wunderbare, abenteuerliche, und/ dennoch wahrhaftige Schicksale des/ Herrn v. Münchhausen II. (jun.),/ würdigen Nachkommen des weiland berühmten Erb- und/ Gerichtsherrn gleiches Namens./ Nach aufgefundenen Papieren bearbeitet/ und herausgegeben/ durch/ L. von Alvensleben./ (Gustav Sellen.)/ Zwei Bändchen, mit Abbildungen./ Erstes Bändchen./ Meissen, bei F. W. Goedsche./ Pesth, bei O. Wiegand./ Gedruckt in diesem Jahre.|
Wackermann 2.34
University of California, Google-Digitalisat, Haiti Trust online
12. 1834
Der Lügenkaiser./ Seltsamliche, wunderbare, abenteuerliche, und/ dennoch wahrhaftige Schicksale des/ Herrn v. Münchhausen II. (jun.),/ würdigen Nachkommen des weiland berühmten Erb- und/ Gerichtsherrn gleiches Namens./ Nach aufgefundenen Papieren bearbeitet/ und herausgegeben/ durch/ L. von Alvensleben./ (Gustav Sellen.)/ Zwei Bändchen, mit Abbildungen./ Zweites Bändchen./ Leipzig, bei Vetter und Rostosky./ Gedruckt in diesem Jahre.|
Wackermann 2.34
University of California, Google-Digitalisat, Haiti Trust online
Der 1. Band bringt Münchhausen als Kind, als Student, als reisender Künstler, Münchhausens erste Seereise und Münchhausen als Soldat. Der 2. Band bringt Münchhausen als Reisenden, in der Unterwelt, als Mechanikus, als Dame, als Theaterdirektor, als Diplomat, auf der Heimreise, als Spießbürger.
Wackermann1969, S. 137.
13. 1839
Jäger-Latein,/ oder/ des berühmten Freiherrn v. Münchhausen/ höchst wunderbare Reisen zu Wasser und zu/ Lande, merkwürdige Feldzüge und lustige/ Abentheuer./ Von ihm selbst erzählt im Zirkel seiner Freunde./ Poetisch bearbeitet/ im Versmaß von Blumauer’s travestirter Aeneis/ von/ Chr. H. Gilardone./ Allen Liebhabern gut gegebenen Jäger-Lateins,/ i. e. an das Unwahrscheinliche grenzender Jagd-, Schlacht, Wacht-/ oder lauter Pracht-Histörlein liebevoll verziret./ Hanau./ Druck und Verlag der C. J. Edler’schen Buchhandlung./ 1839.|
Wackermann 2.36
8ᵒ. VIII und 136 Seiten. Lithographiertes Frontispiz; 10 Holzschnitte im Text.
Digitalisat: Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Koblenz
14. 1854
Des/ Freiherrn v. Münchhausen/ nachgelassene Werke./ Erzählt/ von einer Gesellschaft gleichgesinnter Humoristen/ und Spaßvögel, wie sie diese Abenteuer bei seinen/ Lebzeiten aus seinem eignen Munde vernom-/men haben./ Von Lügen giebt man keinen Zoll,/ Dʼrum ist das Land davon so voll./ Mit 8 Illustrationen von Franz Jäde./ Weimar, 1854./ Verlag, Druck und Lithographie von B. Fr. Voigt.|
Wackermann 2.49
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek München;L.eleg.m. 547 fm
15. 1858
Münchhausen./ Eine Geschichte in Arabesken/ von/ Karl Immermann./ Erster Theil./ Berlin, 1858./ Verlag von A. Hofmann & Comp.|
Wackermann 2.38
Digitalisat: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Münchhausen./ Eine Geschichte in Arabesken/ von/ Karl Immermann./ Zweiter Theil./ Berlin, 1858./ Verlag von A. Hofmann & Comp.|
Wackermann 2.38
Digitalisat: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Münchhausen./ Eine Geschichte in Arabesken/ von/ Karl Immermann./ Dritter Theil./ Berlin, 1858./ Verlag von A. Hofmann & Comp.|
Wackermann 2.38
Digitalisat: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Münchhausen./ Eine Geschichte in Arabesken/ von/ Karl Immermann./ Vierter Theil./ Berlin, 1858./ Verlag von A. Hofmann & Comp.|
Wackermann 2.38
Digitalisat: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf