The Naked Cowboy

Was kann ein Loser in den USA anstellen, um doch noch Erfolg zu haben? Er muss zum Supermann werden. Die modernen Mythen des Erfolgs heißen nämlich Spiderman, Batman, The Fantastic Four oder Captain America. Im bürgerlichen Leben führen die Superhelden eine Durchschnittsexistenz; wenn sie aber gebraucht werden, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, weil irgend ein Schurke die Weltherrschaft an sich reißen will, dann schlüpfen sie in ihr Kostüm und verfügen sogleich über Superkräfte. Und seit siebzig Jahren verdienen die Medienkonzerne mit ihnen in aller Welt super viel Geld.

Dass so etwas nicht nur in Comics oder im Film funktioniert, zeigt uns seit zehn Jahren Robert John Burck aus Cincinnati. Weil seine ersten Auftritte als Straßenmusiker im Jahr 1998 am Strand von Venice Beach (Los Angeles) wenig erfolgreich waren, beschloss er, sich ein unverwechselbares Image zu verschaffen und verwandelte sich in den Naked Cowboy.

Welches Kostüm passt aber zu einem nackten Cowboy? Natürlich der Cowboyhut und die Cowboystiefel und dazu eine Gitarre, wie es sich für einen Straßenmusiker gehört. Aber im Adamskostüm auf den Straßen New Yorks im sittenstrengen Amerika? Das geht natürlich nicht. Also muss eine Hose her, um die anstößige Blöße zu bedecken. Der Nackte Cowboy trägt deshalb zu seinen weißen Cowboystiefeln und zu seinem weißen Cowboyhut eine weiße Unterhose. Die verdeckt er aber möglichst, indem er seine Gitarre so hält, dass der Eindruck von tatsächlicher Nacktheit entsteht. So verwandelt sich Robert John Burck  jeden Tag in den Naked Cowboy und singt am Time Square, dem Broadway und auf anderen Straßen und Plätzen von Manhattan: I'm the Naked Cowboy”. Mittlerweile ist er zu einer Touristenattraktion geworden. Und der angestellte Helfer im schwarzen Anzug fordert von jedem Knipser pro Foto zwei Dollar, was seinen Chef zu einem wohlhabenden Mann gemacht haben soll.

Im Juli 2009 gab der Naked Cowboy bekannt, er wolle für das Amt des Bürgermeisters in New York City kandidieren: „Keiner weiß besser, wie man aus weniger mehr macht als ich selbst, und diese Art des Denkens möchte ich mit euch New Yorker Bürgern teilen, wenn ihr mich wählt.“ Allerdings zog er seine Kandidatur vor den Wahlen am 3. November 2009 wieder zurück.  Doch Anfang Oktober 2010 gab er auf einer Pressekonferenz am Times Square seine Kandidatur gegen Präsident Obama bekannt. Auch strebt er die Führung der ultrakonservativen Tea Party Bewegung an. Seiner Popularität haben solche Eskapaden nicht geschadet, im Gegenteil. Auf New Yorks Straßen ist er weiterhin zu sehen und lässt sich fotografieren. Vor allem den Frauen steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, wenn sie hinter der Gitarre nicht das beste Stück vom Mann erblicken. Dafür entschädigt sie dann vielleicht der wohltrainierte Bodybuilding-Körper. Oder Burck lässt sich schon einmal die weißen Shorts tätscheln, aber nur von hinten und in allen Ehren, versteht sich.

 

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