Überall ist Entenhausen!

 

Den Freunden von Donald Duck und Micky Maus muss ich den Weg nicht beschreibe; allen anderen sei mit Wikipedia verraten: Entenhausen ist eine fiktive Stadt der Disney-Comics. Zu seinen Bewohnern gehören die Figuren um Donald Duck und Micky Maus. Entenhausen stellt damit die zusammenfassende deutsche Übersetzung der im englischen Original als Duckburg und Mouseton bezeichneten Städte dar.

 

 

Die Existenz dieser Metropole verdanken wir Dr. Erika Fuchs ‒ natürlich nicht die Zeichnungen, die stammen von Carl Barks und anderen ‒, aber die genialen Übersetzungen der englischen Texte ins Deutsche. Damit schuf sie einen eigenständigen Kosmos an Abenteuern und Ereignissen, der die amerikanischen Vorlagen bisweilen an Schlagfertigkeit und Witz in den Schatten stellt.

In der Weltstadt Entenhausen gibt es natürlich unterschiedliche Viertel, vom geschäftigen Finanzzentrum, in dem der riesige Geldspeicher von Dagobert Duck dominiert, über kleinbürgerliche Einfamilienhaussiedlungen bis zu slumähnlichen Wohnquartieren, in denen die Industrieabgase nicht nur die Wäsche auf den Leinen verschmutzt, sondern auch die weiße Schneedecke des Winters ergrauen lässt.

Die zunehmenden Umweltprobleme der amerikanischen Gesellschaft lassen sich auch in der Umgebung Entenhauses eindringlich studieren, dort, wo Onkel Donalds Neffen Tick, Trick und Track mit ihrer Pfadfinder-Gruppe in der freien Wildbahn allerlei Abenteuer erleben.

Die folgende kurze Geschichte dieser Organisation basiert auf den einschlägigen Grundinformationen in dem Artikel „Fähnlein Fieselschweif“ der deutschsprachigen Disney Enzyklopädie Duckipedia unter der Adresse: http://www.duckipedia.de/index.php5?title=F%C3%A4hnlein_Fieselschweif .

In meinen weiteren Ausführungen zitiere ich aus amerikanischen und deutschen Originalausgaben.

 

Das Fähnlein Fieselschweif (engl. Junior Woodchucks=Waldmurmeltiere) ist eine weltumspannende Pfadfinderorganisation. Zu den Mitgliedern der Entenhausener Unterorganisation gehören Tick, Trick und Track. Das Fähnlein veranstaltet regelmäßig Zeltlager und setzt sich für ein Zusammenleben zwischen Mensch und Natur ein. Es besitzt mit Spurobold auch einen Pfadfinderhund (in einigen Geschichten nimmt aus redaktionellen Gründen Pluto diesen Platz ein). Die Kluft der Fieselschweiflinge bestand zunächst nur aus Waschbärmützen, später kamen noch zumeist rote Halstücher hinzu.

Geleitet werden die einzelnen Unterorganisationen teilweise von Oberstwaldmeistern, von Generalfeldmeistern oder von anderen hochrangigen Mitgliedern der Organisation, deren Titel sich meist aus Apronymen oder zumindest Akronymen zusammensetzen. In vielen Geschichten wird deutlich, dass Tick, Trick und Track unter den Jungpfadfindern einen besonders hohen Rang haben. Kaum verwunderlich, denn die drei Brüder besitzen so viele Orden und Ehrenzeichen, dass Donald diese kaum noch bei sich unterbekommt. In seiner Versessenheit auf Ränge und Auszeichnungen erinnert das Fähnlein Fieselschweif an paramilitärische Strukturen.

Die Jungpfadfinder haben immer das Schlaue Buch bei sich, welches scheinbar das komplette Weltwissen enthält und als Vorläufer des Internets angesehen werden kann.

Barks schuf das Fähnlein Fieselschweif 1951 für die Geschichte „Test am Graupelpaß“ / „Operation St. Bernhard“. Später erfand er das Schlaue Buch (1954) hinzu, das Schwärmlein Kohlmeisen (1955) als weibliche Gegenspieler der Fieselschweiflinge und den hochintelligenten Fähnlein-Hund Spurobold (1958).

 

Im englischen Original heißen Donalds Neffen Huey, Dewey and Louie und sind Mitglieder der Junior Woodchucks. Erika Fuchs übersetzt „Fähnlein Fieselschweif“ und nennt Donalds Neffen und ihre Freunde Fieselschweiflinge.

„Schweif“ lässt sich ja noch leicht verstehen, offenbar haben unsere Übersetzerin die Pfadfinder-Mützen dazu angeregt. Solche Kopfbedeckungen sind bis heute in Mode und werden von der kanadischen Firma FurHatWorld.com als „Herren Pelzmütze aus Waschbär mit Waschbärschwanz oder Daniel Boone Hüte oder Berg retro Man hüte“ beworben und im Internet folgendermaßen angepriesen: „Sie sind die perfekte Kombination aus Mode und Funktion, von gestern revisited. Hergestellt mit nur die höchste Qualität Pelz aus dem nördlichen USA und Kanada verfügen diese charismatische Schönheiten eine vollständige Fell außen, eine gemütliche gesteppte Innenfutter und die wesentliche Ergänzung eines echten Pelz Schwanz auf der Rückseite.“

Da verstand es die selige Frau Dr. Fuchs ganz offensichtlich sehr viel besser, aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzt als die Modemacher aus Winnipeg es heute können.

Aber bei dem Attribut „Fiesel“, dem Frau Fuchs dem unschuldigen Waschbärenschwanz beigegebe hat, muss ich doch mit dem Kopf schütteln. Vielleicht reagieren auch andere Zeitgenossen auf diese Befremdlichkeit mit einem allgemeinen Schütten des Kopfes, wenn ich dazu aus dem Wörterbuch der Brüder Grimm zitiere:

fisel, m. penis, virga, nd. pesel, dessen p erst hd. verschoben wurde, obschon man vielmehr pfisel, wie pfeil, pforte erwarten sollte. doch heiszt es auch mhd. visel = fisel, s. hernach visellîn = fisellein und fissel für fisel. ohne diesen verhalt von fisel : pesel würde ein bezug des fisel auf fasel ganz glaublich sein, wie wir fisel, fiserchen für faserchen, fäserchen finden.

Aber Frau Fuchs! ‒ Von einem solchen faux pas einmal abgesehen hat die gebildete Dame mit ihren Übertragungen ins Deutsche manches hübsche Stück geliefert, wie folgendes Beispiel zeigt.

 

Eine der Vorgeschichten der Serie trägt den Titel „Die braven Brückenbauer“; der englische Originaltitel („The Chickadee Challenge“) bedeutet „Die Herausforderung durch die Kohlmeisen“.

Tick, Trick und Track werden mit den „Wölflingen“, wie das Fähnlein im Jahre 1956 noch hieß, von den Kohlmeisen, einer Pfadfinderinnen-Gruppe, zu einem Wettbewerb im Brückenbau herausgefordert. Donalds Neffen leiten den Wettbewerb als stellvertretende Gruppenführer, da ihr Fähnleinführer aus privaten Gründen verhindert ist. Onkel Donalds Versuche, den Jungen zu helfen, misslingt nicht nur, sondern führt auch beinahe dazu, dass die Mädchen gewinnen. Aber in letzter Sekunde gelingt es den Wölflingen, mit Hilfe einer Notbrücke aus dem Pfadfinder-Handbuch zu bauen, so dass es zu einem Unentschieden kommt.

Die Geschichte erschien in der englischen Originalfassung am 1. Oktober 1955 (Walt Disnes’s Comics and Stories, 16. Jahrg. Nr. 1) und wurde erstmals im Juli 1956 (Micky Maus Nr. 15) in Deutschland veröffentlicht; später (Die tollsten Geschichten von Donald Duck, Sonderheft 16 (1969) hat Frau Fuchs dann einige redaktionelle Veränderungen vorgenommen. Hier ein paar markante Beispiele im Vergleich.

 

MM 1956DD 1969

 

Die erste deutsche Fassung enthält eine sehr gelungene Parodie auf den deutschen Militarismus der Nazi-Ära; das alles war natürlich 11 Jahre nach Kriegsende vielen noch ganz präsent.

Aus dem „old-time wac from the army engineers” (Mitglied eines Frauen-Pionier-Corps der US-Army während des 2. Weltkriegs) macht Frau Dr. Fuchs 1956 „eine alte Wehrmachtshelferin, die bei den Pionieren gedient hat“. Hübsche Parodie!

 

USA 1955

MM 1956

DD 1969

 

Leider hat sie diese Idee fünfzehn Jahre später ‒ das Kriegsende liegt nun fast schon ein viertel Jahrhundert zurück ‒ verworfen und abgeschwächt, denn nun heißt es bloß noch „Kantinenwirtin bei den Pionieren“. Schade, Frau Fuchs!

 

USA 1955MM 1956

DD 1969

 

 

 

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