Unser täglich Brot

 

Als Kind kannte ich nur zwei Brotsorten; die eine - aus dunklem Roggenbrot - weichte meine Oma in Wasser ein und verfütterte sie an ihre Hühner, die andere enthielt etwas Weizenmehl und war für uns Menschen bestimmt. Meine Oma schnitt mit gefurchtem Brotmesser in der rechten Hand dem Busenbogen folgend das dreipfundige Brot, das sie im linken Armwinkel an die Rippen drückte, schob den Laib dann vor und vollendete die Rundung. Die Brotscheibe fiel in die durchbrochene Emailschüssel. Jetzt griff ich zu und strich mit einem Messer weiche Butter auf die Scheibe und schnitt sie in der Mitte durch, dann streute ich mit einem Teelöffel Zucker auf die Butter, schüttelte zu viel Gehäuftes auf den Teller, führte die halbe Schreibe vorsichtig zum Mund und biss hinein. Dazu trank ich lauwarmen Muckefuck.

Manchmal besuchte uns Tante Lisa, der hatten die Russen die Zähne rausgeprügelt und sie musste sich beim Kauen mit einem Gebiss behelfen. Das hatte sie aber nur selten im Mund. Deshalb schnitt sie die Brotrinden ab, bevor sie sich ihre Butterbrote sorgfältig einfettete und dann mit Schlackwurstscheiben belegte.

Das entrindete Brot konnte sie auch ohne Zähne zwischen Unter- und Oberkieferknochen klein mümmeln, die Wurstscheiben schlang sie unzerkaut hinunter.

Ich kaute die Rindenschlangen und knetete aus den grauen Teigflocken, die ich von den braunen Rinden ab knibbelte, mit etwas Spucke weiche Kugeln.

Wenn ich ein kräftiges Butterbrot essen wollte, bestrich meine Oma die Scheibe mit Butter und polkte graue Mettwurst darauf, die sie Bratwurst nannte.

Ich warf die grobe Bratwurst heimlich auf den Misthaufen und aß mein Brot lieber schier; später legte sie mir auch mal eine dicke Scheibe Fleischwurst darauf, das fand ich besser. Rotwurst schmeckte mir nur zwischen zwei frisch gebackenen Brötchenhälften. Wenn aber geschleudert wurde, ließ ich mir aus dem großen Fass von dem noch warmen Honig auf ein Butterbrot laufen, schlang es hinunter und leckte mir danach die Finger ab.

Als ich zum ersten Mal in Frankreich war, lernte ich weißes Baguette kennen. Lange knusprige Brotstangen, die ganz anders schmecken als unser pappiges deutsches Weißbrot. Was braucht man mehr zum Glücklich sein als ein Baguette, reifen Käse und eine Flasche Rotwein?

Aber Baguette in Deutschland, das blieb ein Traum und kein Bäcker konnte mich überzeugen, selbst wenn er behauptete, nach original französischem Rezept zu backen und französisches Mehl zu verwenden. Dabei ist es so einfach: Typischen Zutaten für die „Stäbchen“ sind Weizenmehl, Wasser und Hefe. Die Porung der Krume ist immer sehr grob und ungleichmäßig, ein Qualitätsmerkmal, das durch die kühle Teigführung mit wenig Hefe bewirkt wird. Der hohe Anteil an Kruste im Verhältnis zur Krume ist für den kräftig-aromatischen Geschmack verantwortlich.

Die Getreidesorte ist ein so genannter harter Weichweizen, für den wärmere Temperaturen erforderlich sind. Auch auf die Art des Mahlens kommt es an; in Frankreich wird also eine andere Mehltype verwendet als wir sie in Deutschland haben.

 

 

Die Teigführung dauert in Frankreich sehr lange, oft wird der Vorteig über Nacht geführt und nach dem Aufgehen nicht mehr geknetet, weshalb die Poren im Brot groß werden. Die fertigen Teiglinge schneidet der Bäcker waagrecht ein, nicht senkrecht wie bei dunklen Brotlaiben, dadurch entstehen kräftigere Risse.

Nach französischer Überlieferung wurde das erste Baguette in Paris von einem österreichischen Bäcker gebacken, der nach dem Wiener Kongress nach Frankreich übersiedelt war. Und das neue Brot war ein riesiger Erfolg. Der schnurrbärtige Franzose mit dem Baguette unter dem Arm repräsentiert mittlerweile das kulinarische Frankreich. Und alle Bäcker werben mit einem Hinweis auf ihre Handwerkskunst: la boulangerie artisanale.

 

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