Sauberkeit und Ordnung

Steigt man die fast dreihundert Stufen auf den Montmartre zur Sacré-Coeur hinauf, muss man eine Gartenanlage durchqueren, die wie die meisten Pariser Parks wohl bewacht und nachts geschlossen wird. Die Anlage macht einen gepflegten Eindruck und man sieht nur wenig Müll außerhalb der dafür vorgesehenen Abfallbehälter. Das sind neuerdings grüne Ringe, in denen durchsichtige Plastiksäcke hängen, deren Aufschrift "propreté" auf ihre Funktion hinweist.

Oben angekommen betreten die Besuchermassen nach einem flüchtigen Rundblick auf das grandiose Stadtpanorama die mächtige Basilika, jenen kitschigen Koloss, in dessen Innerem eine seltsam unechte Frömmigkeit zur Schau gestellt wird, die einen scharfen Kontrast zu den würdigen Kirchen des Mittelalters in der Stadt bildet.

Ein kleiner Aufseher, der unverkennbar vom indischen Kontinent stammt, springt wild gestikulierend im Eingangsbereich herum und ermahnt mit unterdrückten Zischlauten die Besucher, das Fotografieren und Filmen zu unterlassen. Außerdem sorgt er dafür, dass sich die Menge im Uhrzeigersinn durch das Gebäude wälzt, links zur Tür hinein und rechts wieder hinaus. Das unschickliche Verhalten einiger Besucher kann er dennoch nicht verhindern. Viele männliche Touristen aus Asien wissen nicht, dass man in christlichen Kirchen die Kopfbedeckung abnimmt, aber das tun auch eine Reihe junger Flegel aus dem europäischen Abendland und aus der Neuen Welt nicht, wohl weil niemand es ihnen gesagt hat.

Dass es in Stadt und Land ordentlich zugeht, dafür sorgen an vielen Orten des Hexagon Ordnungskräfte, die aufpassen, dass das Nacktbadeverbot eingehalten wird und auch jungen Männern mit unbekleidetem Oberkörper in Stadtzentren Verweise erteilen.

Aber von Seiten der Kirche scheint man den Kampf gegen entblößte weibliche Körper aufgegeben zu haben; vier junge Mädchen, Brüste und Bäuche schamlos zur Schau gestellt, knipsen einander trotz Intervention einer einfachen Putzfrau in neckischen Posen am Beichtstuhl.

Überall in der Hauptstadt sieht man grün gekleidete Männer, deren Aufgabe darin besteht, die Müllbehälter nicht überquellen zu lassen. Sie spülen die Rinnsteine regelmäßig mit Wasser ab, waschen die Trottoirs mit Hochdruckreinigern und entfernen Tonnen von Hundekot. Paris ist eine Stadt der öffentlichen Sauberkeit und Ordnung.

Auch die Sécurité wird groß geschrieben. Neben der Polizei patrouillieren uniformierte Ordnungskräfte der Stadtverwaltung durch Boulevards und Grünanlagen. Im Parc Monceau sind die Grasflächen als Liegewiesen beliebt und im Juli entsprechend belegt; zwei junge Damen, die zu ihrem Pique-nique jede aus einer Flasche Wein trinken, werden höflich darauf hingewiesen, dass der Alkoholgenuss in öffentlichen Anlagen nicht gestattet ist. Um 22 Uhr schließen die Wärter den Park; genau 15 Minuten vorher weisen sie die Besucher mit ihren Trillerpfeifen auf das Ende des Treibens hin. Bis auf  das Haupttor haben sie bereits alle Pforten geschlossen; ob sie den Clochard übersehen, der hinter einem Busch auf seinen Plastiktüten schläft?

 

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