Der faule Hans

 

Es war einmal ein Junge, der hieß Hans, der war so faul, dass er beim Wasserholen den Eimer nicht zum Brunnen tragen mochte. Da sagte die Mutter: „Hans, nimm de Schufkar un för em hen.“ Da nahm er die Schubkarre und fuhr darauf den Eimer zum Brunnen. Als er nun bei des Königs Schloss vorbei fuhr, stand da die Prinzessin auf dem Balkon; und wie sie das faule Fuhrwerk so einher ziehen sah, musste sie so gewaltig lachen, dass es weit durch die Straßen herabschallte. Das ärgerte den Hans, und er dachte: „Kunn ick di wat wünschen!“ Als er nun beim Brunnen stand, lief ein allerliebstes Goldfischchen aus der Brunnenröhre; das wollte der Hans fangen; aber das Fischlein fing an zu sprechen und bat den Hans um seine Freiheit, dann dürfe er sich auch was wünschen. Da ließ er’s laufen und brummte: „So wünsch ick, dat de Prinseß noch vorm Abend en lütten Jung kriegt.“

Als nun der Abend kam, hatte die Prinzess einen kleinen Jungen. Der König, ihr Vater, wollte aber, dass sie auch einen Mann dazu haben sollte und ließ alle Männer des Reichs in den großen Königssaal hinaufkommen, ihrem kleinen Jungen gab die Prinzess einen goldnen Apfel in die Hand und stellte ihn damit mitten in den Saal. Wem er den goldnen Apfel geben würde, der sollte sein Vater und ihr Gemahl sein. Und es zogen vorüber zuerst die Herzöge und Grafen des Reichs, dann Beamte und reiche Kaufherren, dann die Handwerker, die Tagelöhner und Dienstknechte, aber das Büblein stand unbeweglich mit seinem goldenen Apfel.

Hans aber lag zu Hause und war zu faul, die Schlosstreppe hinaufzusteigen, bis ihn die Mutter mit Gewalt dazu trieb, da musste er, kaum trat er in den Saal, so lief das Büblein auf ihn zu und gab ihm den goldnen Apfel. Da ließ der König Hochzeit ausrichten für Hans und seine Tochter, und die Prinzess hatte über ihren eigenen Gemahl gelacht.

Nach der Handschrift von Theodor Storm. In: Eversberg 2005, S. 221f.