Die geheimsten Geheimnisse der Lehrer

Geschichten für Schüler, die schon immer wissen wollten, wie die Schule eigentlich funktioniert

 

 

Im Lehrerzimmer

Früh am Morgen treffen sich alle Lehrer im Lehrerzimmer. Zum Schluss kommt der Direktor mit seiner Sekretärin und sagt: „Frau Oelke, fangen Sie an!“

Frau Oelke hat eine Liste dabei, auf der die Namen aller Lehrerinnen und Lehrer stehen. Sie ruft: „Frau Becker!“

Frau Becker steht auf und geht von ihrem Platz nach vorne, wo der Direktor steht. Dort sagt sie: „Guten Morgen, Herr Fedders.“ Der Direktor sagt: „Guten Morgen, Frau Becker.“ Dann geht Frau Becker zurück auf ihren Platz. Das dauert genau 15 Sekunden.

Dann sagt der Direktor: „Frau Oelke, fahren Sie fort!“

Frau Oelke sucht auf der Liste den nächsten Namen und sagt: „Herr Behrens!“

Herr Behrens steht auf und geht von seinem Platz nach vorne, wo der Direktor steht. Dort sagt er: „Guten Morgen, Herr Fedders.“ Der Direktor sagt: „Guten Morgen, Herr Behrens.“ Dann geht Herr Behrens zurück auf seinen Platz. Das dauert auch genau 15 Sekunden.

So geht es weiter, bis alle 80 Lehrerinnen und Lehrer von Frau Oelke in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen wurden und den Direktor begrüßt haben und umgekehrt. Diese Begrüßung dauert 20 Minuten.

Danach stellt sich Frau Becker vorne auf und Frau Oelke ruft alle 79 Lehrerinnen und Lehrer nacheinander auf. Frau Becker begrüßt jede Kollegin und jeden Kollegen, nur Herrn Fedders nicht, denn den hat sie ja schon begrüßt. Diese Begrüßung dauert 19 Minuten und 45 Sekunden.

Danach stellt sich Herr Behrens vorne auf und Frau Oelke ruft alle 78 Lehrerinnen und Lehrer nacheinander auf. Herr Behrens begrüßt jede Kollegin und jeden Kollegen, nur Herrn Fedders und Frau Becker nicht, denn die hat er ja schon begrüßt. Diese Begrüßung dauert 19 Minuten und 30 Sekunden.

 

Wenn ihr wissen wollt, wie lange es dauert, bis jede Lehrerin und jeder Lehrer jeden Lehrer und jede Lehrerin begrüßt haben, müsst ihr nur die Zeit zusammenzählen, die es dauert, bis jeder Lehrer und jede Lehrerin jede Lehrerin und jeden Lehrer begrüßt haben. Aber denkt daran, bei jeder Lehrerin und jedem Lehrer, die nach vorne gehen, um die anderen zu begrüßen, dauert es 15 Sekunden weniger, bis sie oder er jede Lehrerin und jeden Lehrer begrüßt haben.

 

 

 

Namen

Viele Lehrer können sich die Namen ihrer Schüler schlecht merken. Herr Bömmel hat da eine gute Idee. Er weist den Hausmeister an, die Tische in seinem Klassenraum in drei Reihen hintereinander zu stellen. An jeden dieser Tische nun lässt er sich zwei Schüler nebeneinander setzen und sagt: „Nun merkt euch Folgendes: Jeder von euch erhält jetzt eine Nummer. Sie besteht aus zwei Zahlen. Die Fensterreihe bekommt eine 1, die Reihe in der Mitte einen 2 und die Wandreihe eine 3. Habt ihr das verstanden?“

„Ja!“, rufen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a im Chor.

Herr Bömmel überprüft das gewissenhaft. „Welche Nummer hast du?“, fragt er und deutet mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf Marie. „Zwei“, sagt Marie. „Richtig!“, ruft Herr Bömmel.

„Welche Nummer hast du?“, fragt er und deutet mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf Moritz. „Drei“, sagt Moritz. „Richtig!“, ruft Herr Bömmel.

„Und welche Nummer hast du?“, fragt er und deutet mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf Jannes. „Eins“, sagt Jannes. „Richtig!“, ruft Herr Bömmel.

Dann sagt Herr Bömmel: „Nun merkt euch eure zweite Zahl!“ Und er zählt die Schüler in der Fensterreihe nacheinander durch und sagt, indem er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf Anja zeigt: „Eins.“ Dann zeigt er auf Laura und sagt: „Zwei“, danach auf Vladislav und sagt: „Drei.“ So geht das weiter, bis er auf Tim zeigt und „acht“ sagt. Danach bekommt auch in der Wandreihe jeder Schüler eine Zahl von eins bis acht genannt, nur in der mittleren Reihe nicht, denn da sitzen nur sieben Schüler.

Und wieder überprüft Herr Bömmel seine Klasse. „Ich sage euch jetzt eure Zahlen und ihr ruft: hier!“ Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a sehen ihn konzentriert an.

„Eins/drei!“, ruft Herr Bömmel. Vladislav springt auf und ruft: „Hier!“

„Drei/drei!“, ruft Herr Bömmel. Vanessa springt auf und ruft: „Hier!“

„Zwei/sieben!“, ruft Herr Bömmel. Nichts passiert. „Zwei/sieben!“, ruft Herr Bömmel noch einmal. Wieder passiert nichts. Da zeigt Herr Bömmel auf den Schüler, der allein am letzten Tisch der mittleren Bankreihe sitzt und ruft noch einmal: Zwei/sieben!“ – Aber Terence guckt ihn nur mit großen Augen an und weiß nicht, was er sagen soll.

„Merkt euch das alles!“, ermahnt Herr Bömmel seiner Schüler, bevor er die Stunde beendet.

Am nächsten Tag geht es los. Wenn Herr Bömmel befiehlt: „Drei/vier liest seine Hausaufgaben vor!“, dann liest Leyla ihre Hausaufgabe vor. Wenn Herr Bömmel fragt: „Drei/eins, welches Tempus verwenden wir beim Erzählen?“, dann sagt Veit: „Präteritum.“ Und auch bei den anderen klappt es prima. Nur wenn Herr Bömmel sagt: „Zwei/sieben! Setz dich an deinen Platz!“, dann passiert nichts.

 

 

 

Klassenarbeiten

Viele Schüler fragen sich, warum es so lange dauert, bis sie ihre Klassenarbeiten zurückbekommen. Das hat folgenden Grund. Die Deutschlehrerin legt den Stapel Hefte auf ihren Schreibtisch, nimmt das erste Heft herunter und schlägt es auf. Dann liest sie das erste Wort und schaut im Duden nach. Wenn sie dasselbe Wort dort gefunden hat, vergleicht sie beide miteinander. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder stimmen die Schreibungen des Wortes im Heft und im Duden überein oder die Lehrerin erkennt eine Abweichung. Im ersten Fall nimmt sich die Lehrerin das nächste Wort vor, im zweiten Fall schraubt die Lehrerin die Kappe ihres Füllfederhalters ab, legt sie beiseite und unterstreicht das Wort im Heft mit roter Tinte.

Dann liest sie das zweite Wort und vergleicht dessen Schreibung mit der Schreibung im Duden und so fort, Wort für Wort, bis sie am Ende des Aufsatzes angekommen ist. Danach kommt das nächste Heft dran. Das kann ganz schön lange dauern, weil einige Schüler mehr als zweihundert Wörter in ihre Hefte geschrieben haben. Und die Lehrerin muss dreiundzwanzig Hefte durch korrigieren, in manchen Klassen sogar mehr als dreißig. Das sind dann fast fünftausend Wörter, die sie überprüfen soll. Und sie muss genau aufpassen, damit sie auch das Wort im Klassenarbeitsheft und nicht etwa im Duden unterstreicht.

Nach fünf Heften ist sie so erschöpft, dass sie erst einmal eine Pause einlegt. Wenn sie sich erholt hat, kann sie weiter arbeiten. Fräulein Ilse hat in ihrem langen Lehrerinnenleben folgende Methode entwickelt: Blick ins Heft – Blick ins Buch – unterstreichen. Blick ins Heft – Blick ins Buch – nicht unterstreichen. Blick ins Heft – Blick ins Buch – unterstreichen. Blick ins Heft – Blick ins Buch – nicht unterstreichen. Und immer so weiter. Darum bekommen ihren Schülerinnen und Schüler auch jedes Mal so schlechte Noten unter ihre Klassenarbeiten geschrieben.

 

 

 

Noten

Immer wieder muss ein Lehrer Noten geben. Das ist gar nicht so einfach, denn jeder verantwortungsbewusste Lehrer will vermeiden, dass er seinen Lieblingsschülern gute Noten gibt, während die anderen, für die er sich weniger interessiert, immer nur Dreien bekommen. Das nennt man Gerechtigkeit. Am schwierigsten ist es, die richtigen Noten für diejenigen Schülerinnen und Schüler zu finden, die er hinter vorgehaltener Hand im Lehrerzimmer gegenüber anderen Lehrerinnen und Lehrer „Monster“ nennt. Aber Gottseidank wollen die meisten Lehrer und Lehrerinnen ihren Schülerinnen und Schülern gerechte Noten geben.

Das ist ganz schön schwer, denn dazu braucht der Lehrer spezielle Werkzeuge und muss sich außerordentlich konzentrieren. Er setzt sich an seinen Schreibtisch und wählt aus seiner Würfelsammlung den passenden Notenwürfel aus. Sodann nimmt er eine Liste mit den Namen aller Schülerinnen und Schüler einer Klasse, denen er Noten geben will.

Jetzt wirft er den Würfel in einen Würfelbecher, deckt dessen Öffnung mit der flachen linken Hand ab und schüttelt kräftig. Anschließend knallt er den Becher mit der Öffnung nach unten auf seine Schreibtischplatte, wartet eine Weile und hebt den Becher dann vorsichtig hoch. Nun kann er die Zahl ablesen, die beim Würfel oben liegt. Die trägt er in seine Liste hinter den Namen des jeweiligen Schülers ein. Manche Lehrer würfeln auch zweimal oder dreimal, manche noch öfter. Sie tragen alle Zahlen, die sie so ermittelt haben, in die Liste ein und rechnen den Mittelwert aller gewürfelter Zahlen aus. Das ergibt dann die Note. Es soll clevere Lehrer geben, die zwei, drei oder gar vier Würfel in ihrem Becher verwenden. Ihnen geht deshalb das Notengeben sehr viel schneller von der Hand, obwohl sie genauso viel rechnen müssen.

Manche Lehrer sind aber nicht so gerecht. Es gab früher sogar einige, die verwendeten Würfel, die statt einer „Eins“ eine weitere „Fünf“ hatten, ja es soll sogar Würfel gegeben haben, auf die nur Fünfen und Sechsen aufgemalt waren. Deshalb sind früher auch vielmehr Schüler sitzengeblieben als heute.

 

 

 

Strafarbeiten

Wisst ihr eigentlich, warum einige Lehrer Strafarbeiten aufgeben?

Es ist eigentlich ganz schön dumm von ihnen, ihren Schülern Strafaufgaben aufzugeben und die dann auch noch einzusammeln, denn damit bestrafen diese Lehrer sich ja selber, weil sie alle diese vollgeschriebenen Zettel neben den vielen Hausaufgaben, die sie einsammeln, auch noch lesen müssen. Aber sie erzählen euch doch nie die Wahrheit darüber, deshalb hört genau zu.

Solche Lehrer haben zu Hause nämlich einen Strafaufgabenfresser. Der kommt aus Tasmanien, sitzt den ganzen Tag auf einer Vogelstange in ihrem Arbeitszimmer und schreit: „Hunger! –Hunger! – Hunger!“

Mit Körnern, Zwieback, Pizza oder Nudeln kann man bei einem solchen Vieh nicht landen; er mag auch kein frisches Hackfleisch, keine Fischstäbchen und keine lebenden Maden. Dieses Getier verschmäht nämlich sämtliche leckeren Speisen sowie jegliches gesunde Tierfutter und will nur Strafarbeiten fressen.

Man muss sie ihm nur mit einer Schere kleinschneiden, schon schnappt er begierig nach den Schnipseln und schlingt sie runter. Dann kräht der Strafaufgabenfresser entweder zufrieden oder er rülpst gleichgültig vor sich hin oder er schnurzt frech in die Schale mit feinem Vogelsand, die man am besten unter seine Stange stellt.

Da muss der Lehrer nun gut aufpassen und sich notieren, wie sein Strafaufgabenfresser auf die Strafarbeiten seiner Schüler reagiert. Wenn der Strafaufgabenfresser laut kräht, war die Arbeit gut und der Lehrer kann seinen Schüler loben. Wenn der Strafaufgabenfresser gleichgültig vor sich hin rülpst, na O.K., dann braucht der Lehrer seinem Schüler gar nichts sagen. Wenn der Strafaufgabenfresser aber frech in die Schale mit feinem Vogelsand schnurzt, dann könnt ihr euch ausrechnen, was am nächsten Tag in der Schule passiert.

 

 

 

Kreide

Habt ihr euch vielleicht schon einmal gewundert, warum einige eure Lehrer manchmal keine Kreide bei sich haben, gerade dann, wenn sie die dringend brauchen? Das kann ich euch ganz einfach erklären.

Die Kreide lebt in einem dunkeln Keller, tief unter der Schule. Dort hinunter führt eine lange, steile Metalltreppe, die hat so viele Stufen, dass sich der Hausmeister schon seit Jahrzehnten weigert, hinunterzuklettern und Kreidestücke heraufzuholen. Also muss jeder Lehrer und jede Lehrerin, die Kreide im Unterricht verwenden wollen, selber hinuntersteigen und sich welche holen. Weil Kreide so selten ist, steht sie bei uns unter Naturschutz und darf nicht gewerblich gesammelt werden. Nur beamteten Lehrern ist es gestattet, sich für ihren Unterricht Kreide zu verschaffen, und das auch nur in sehr begrenztem Umfang. Drei Stücke pro Monat ist das höchste, was die strengen deutschen Kreidegesetze erlauben.

Viele Lehrer fürchten sich vor dem Abstieg in die Tiefe und vor dem, was sie da unten erwartet. Deshalb verwenden sie in ihrem Unterricht lieber Overhead-Projektoren, statt sich auf ein so ungewisses Abenteuer einzulassen. Andere aber schwören nach wie vor auf ihre Kreide, weil sie ihnen als verlässliche Begleiterin in vielen Schulstunden ans Herz gewachsen ist. Und weil sie nicht von ihr lassen wollen, nehmen sie den gefährlichen Abstieg in den Keller auch gerne in Kauf.

Wenn nun ein Lehrer ein Stück Kreide braucht, muss er zunächst auf der langen Metalltreppe in den Keller hinuntersteigen. Unten gibt es kein elektrisches Licht, denn die Kreide soll weiß bleiben. Würde man sie dem grellen Licht aussetzen, verfärbte sie sich schnell und wäre für schwarze Tafeln unbrauchbar. Mildes elektrisches Licht, wie das von Taschenlampen, bewirkt, dass die Kreidestücke rot, blau und grün anlaufen. Deshalb können Mathematiklehrer immer ihre Taschenlampen mit in die Tiefe des Kellers nehmen.

Deutschlehrer aber, die weiße Kreide bevorzugen, weil sie alles weiß auf schwarz an die Tafel schreiben wollen, was ihre Schüler von der deutschen Grammatik behalten sollen, müssen mit Kerzen hinabsteigen und dann bei deren trüben Schein ihr Glück versuchen. Kreidestücke sind nämlich sehr scheu und laufen kreischend weg, wenn man sich ihnen nähert. Sie haben überhaupt keine Lust, sich an der rauen Tafel zerreiben zu lassen. Es erfordert deshalb viel mehr Geschick, ein Kreidestück einzufangen, als einen Fisch zu angeln. Manch ein Lehrer findet kein einziges und muss unverrichteter Dinge wieder ans Tageslicht steigen.

So kommt es, dass auch die flinksten Lehrer mehr als eine halbe Stunde brauchen, um eines von ihnen zu erhaschen. Das stecken sie dann in ihren Kreidehalter, wo es festgeklemmt wird und nun nicht mehr entwischen kann. Schon nach ein paar Minuten hören die gefangenen Kreidestücke auf zu schreien, und sie ergeben sich ganz in ihr Schicksal, sobald der Lehrer mit seiner Beute in der lichtgeschützten Kreidebox wieder ans Tageslicht steigt.

Im Unterricht verhalten sich die meisten kooperativ, nur die ganz Wilden muss der Lehrer energisch gegen die Tafel drücken, sodass einige von ihnen dabei zerbrechen. Wenn der Lehrer nun aber ein solches Stück Kreide einem Schüler gibt und wenn der mit seiner ungeübten Hand damit etwas an die Tafel schreibt, dann schreit das Kreidestück manchmal so schrill und erbärmlich, dass es allen durch Mark und Bein fährt.

 

 

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