Elegie

 

Bleib! Was fliehest du mich, Kalliope, liebliche Muse,
Einmal nur wende dein Aug lächelnd dem Sterblichen zu!
Doch sie eilet hinweg, sie flieht in die Arme Apollos;
Wehe, den Sterblichen ist keine der Himmlischen hold.
Lorbeer sprießet im Hain, hoch ragen die herrlichen Zweige,
Freund, doch nirgend erschaust du ein gebrochenes Reis.

Theodor Storm in „Meine Gedichte“ (Herbst 1835), S. 30.

 

Sieben Jahre war Theodor Storm (1817-1888) in Bertha von Buchen verliebt. Er lernte das zehnjährige Mädchen am Heiligabend des Jahres 1836 kennen, da war er 19 Jahre alt und besuchte die Prima des Katharineums in Lübeck. Storm entwickelte eine schwärmerische Neigung zu dem Kind und schickte ihm Gedichte und sein Märchen „Hans Bär“, die er eigens für sie verfasst hatte.

Als Bertha 13 Jahre alt war, schrieb Storm heiße Liebesgedichte und warb um die Heranwachsende. Mit 16 Jahren wies Bertha seinen Heiratsantrag zurück, weil sie sich für die Liebe noch zu jung fühlte. Theodor fiel in eine tiefe Depression und konnte nicht akzeptieren, dass seine innige Liebe nicht erwidert wurde.

Diese Darstellung widmet sich den Jahren, in denen Theodor unglücklich in Bertha verliebt war; es sind die Jahre seiner beruflichen und poetischen Entwicklung. Sie beginnt im letzten Jahr von Storms Schulzeit in Lübeck, erstreckt sich über seine Studienjahre in Kiel und Berlin bis zum juristischen Examen und erreicht ihren Höhepunkt nach der Rückkehr in die Vaterstadt Husum, wo der junge Advokat eine Kanzlei einrichtet und schließlich nach der Hochzeit mit Constanze Esmarch eine Familie gründet.

Die Untersuchung geht der Frage nach, was Theodor Storm antrieb zu schreiben. Der junge Poet versucht, den Ursachen seiner Verzweiflung auf die Spur zu kommen und entwickelt einen Lebenssinn, der ihm emotional nie genügt; dennoch kommt er in seinen Versen dem Kern des Menschseins sehr nahe. Er begreift seine Situation als biographischen Wendepunkt und beschäftigt sich mit Anfang und Ende des menschlichen Lebens. In den Jahren des schmerzlichen Verlustes und der Trauer entwickeln sich die Verse des Studenten zu ersten Gedichten mit eigenem Ton.

Über diese Entfaltung des jungen Dichters berichtet meine Darstellung. Dazu habe ich bisher unbekannte Dokumente ausgewertet und entwerfe auf der Grundlage meiner langjährigen Forschungen eine biografische Skizze des jungen Storm, die bis zu seiner Heirat mit Constanze Esmarch im September 1846 reicht und in der die Etappen seiner lyrischen Entwicklung und die Anfänge seiner Erzählkunst erfahrbar werden.

 

Theodor Storm. Fotografie von G. F. Krauß nach einer Daguerreotypie, die Ende Dezember 1852 in Berlin aufgenommen wurde. In: Seeger 1864.

 

Für die Bereitstellung der Dokumente danke ich der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel, der Bibliothek der Husumer Gelehrtenschule, heute Hermann-Tast-Schule, sowie der Theodor-Storm-Gesellschaft in Husum. Die Bibliothekarin der Gesellschaft, Frau Elke Jacobsen, hat mir freundlicherweise vielfältige Auskunft gegeben; dafür gebührt ihr ein besonderes Dankeschön. Prof. Dr. Dr. Herbert Kraft (Münster) hat das Typoskript in einem frühen Stadium gelesen und mich durch vielfältige kritische Hinweise zur Fertigstellung angeregt. Meinem Freund Dr. Jean Lefebvre (Büsum) verdanke ich detaillierte Vorschläge zur Präzisierung meiner Argumentation und Anregungen, die zur Klärung mancher Frage beigetragen haben. Mein Kollege Ralf Kukowski (Husum) hat mir wertvolle und erhellende Hinweise zu Storms Musikalität vermittelt. Sämtliche Abbildungen stammen aus dem Storm-Archiv, Husum.