Ich habe schon damals das Kind geliebt ‒ Weihnachten 1836

 

Am Weihnachtsmorgen des Jahres 1836 notierte der Primaner Theodor Storm folgende Verse in sein Notizbuch, in das er bereits seit drei Jahren Gedichte niederschrieb:

Liebesweh1

Altona.

I

Der Sturm erbraust, die Wolken ziehn
Vom fernen Norden her;
Und bringen von dem Liebchen mein
Mir lang ersehnte Mär.

„O, sprecht ihr luftigen Gesell’n
Habt ihr mein Lieb geschaut?
Ist sie noch treu und hold und schön
Die wundersüße Braut?“ ‒

Da fährt der Sturm so jach heran,
Und hell durch Sturmes wehn
Entströmt der Wolke Tränenflut ‒
Ich mag sie nicht verstehn.

 

Das ist die Klage eines Liebenden, der von seinem Liebchen getrennt ist; sie hat ihn bei schlechtem Wetter verlassen; nun hofft er, dass ihm die Wolken die lang ersehnte Mär von seiner Braut bringen. Später ruft er die Sonne an und beschuldigt sie, nicht nur das böse Wetter gebracht, sondern zugleich auch die Liebste vertrieben zu haben. Sein Herz findet keine Ruhe; er trauert und klagt, weil er sein Liebchen nicht mehr sehen kann.
In der Woche bis zum 2. Januar folgten sechs weitere Strophen:

 

II

Wie lieb ich, schöne Sonne Dich
Du helles Himmelslicht,
Dein frommer Strahl belebt mein Herz,
Wenn es vor Schmerze bricht.

Die Liebste gleicht Dir ganz genau,
Sie ist so schön wie Du;
Doch ihrer Augen Himmelslicht
Zerstörte meine Ruh.

 

III

Durch des Winters Nebelflocken
Tönen trübe meine Lieder
Vor des Himmel<s> heilge Bläue
Rauscht der Wolke grau Gefieder.

Einsam steh ich da und weine ‒
Fern sind meine blauen Augen,
Kann nicht mehr aus meinen Sternen
Lust und frische Lieder saugen.

 

IV

Die Sonne fuhr gen Himmel,
Da reiste mein Liebchen fort,
Das böse Wetter nur hatte
Gehalten sie am Ort.

Wenn du die Nacht verscheuchest,
O Sonne groß und hehr,
Da fliehn zugleich die Sterne ‒
Schau’s Liebchen nimmermehr.

 

Storms Handschrift in „Meine Gedichte“

 

Was war geschehen? Was hatte den jungen Poeten zu einem solchen Aufwand an Sprachgewalt und Sentiment veranlasst?

Das Weihnachtsfest 1836 verlebte Theodor Storm nicht im Kreis seiner Familie, sondern bei Verwandten in Altona. Im Herbst hatte er seine Heimatstadt Husum verlassen und war gemeinsam mit seinem Freund Johann Peter Olhues nach Lübeck gegangen, um sich dort durch den Besuch des berühmten Katharineums auf sein Studium vorzubereiten.2 Storm schrieb später über diese Zeit3: Etwa 18 Jahre alt trat ich nach dem Willen meines Vaters aus der Gelehrtenschule meiner Vaterstadt Husum in die Prima des Lübecker Gymnasiums, wo damals Friedrich Jacob Direktor und Prof. Classen erster Lehrer war. Geibel war eben zur Universität gegangen; hinterließ mir aber seinen nächsten Freund unter den Zurückgebliebenen, Ferdinand Röse, von uns „Wanst“, auch wohl „Magister Wanst“ genannt, Sohn eines Lübecker Maklers; er war vom Gymnasium als Lehrling in eine, ich meine die Rohdesche, Buchhandlung getreten, aus dieser aber wieder in’s Gymnasium und zu seinen Studien zurückgekehrt, und daher uns Übrigen im Alter etwas voraus.

Als Weihnachten herannahte, sehnte Storm sich danach, das Fest nach alter Tradition im Kreise der Familie zu verleben. Von Lübeck aus war der Weg nach Altona weniger beschwerlich als der nach Husum. In Altona wohnte er bei Jonas Heinrich Scherff4 (1798-1882), einem Kaufmann, der mit Friederike Henriette, geb. Alsen (1802-1876) verheiratet war, einer Cousine von Storms Mutter. Dort begegnete der Primaner einem kleinen Mädchen, der zehnjährigen Bertha von Buchan, die mit ihrer Pflegemutter Therese Rowohl in Hamburg wohnte und ebenfalls bei den Scherffs eingeladen war.

Gut vier Jahre später, am 11. März 1841 ‒ Bertha war nun 15 Jahre alt ‒, vertraute Storm Friederike Scherff Folgendes an5: Seitdem ich sie an dem Weihnachtsabend gesehen hatte, den ich noch bei Lebzeiten Deiner vortrefflichen Mutter mit Euch verlebte, bildete sich ein Gedanke bei mir aus, dies Mädchen geistig an mich zu fesseln. Und jetzt muss ich Dir das Manchen vielleicht Unbegreifliche sagen, ich habe schon damals das Kind geliebt.

Zunächst aber schrieb der verliebte Theodor sein Liebesweh; da war er gerade 19 Jahre alt, und vielleicht erklärt der Altersunterschied zu Bertha, warum der junge Dichter kein heißes Liebesgedicht, sondern eine Liebesklage zu Papier gebracht hat. Denn es ist ein erst zehn und bald elfjähriges Kind, an das der Poet bald seine erotischen Wünsche richten wird. In seiner Liebesklage aus den Weihnachtstagen jedenfalls ist nicht nur die räumliche Trennung von Bertha ausgedrückt, die ja nur wenige Kilometer von Altona entfernt in Hamburg wohnte, und zwar in der Dienerreihe auf der Elbinsel Grasbrook, zwischen Dovenfleet und Brooktorkai, südlich des Zollkanals. Der Trennungsschmerz, dem Theodor in seinem Gedicht Ausdruck gibt, verweist auf etwas noch ganz anderes.

Bertha von Buchan entstammte einem böhmischen Adelsgeschlecht und wurde als Tochter des Kaufmanns Eduard von Buchan am 1. Februar 1826 in Rumburg geboren (heute Rumburk in Tschechien an der sächsischen Grenze). Ihr Vater stammte aus Böhmen und war nach vornehmer Erziehung und Reisen nach Italien und Frankreich als vermögender und erfolgreicher Geschäftsmann viele Jahre in Mexiko tätig; seine Frau war kurz nach der Geburt ihrer Tochter Bertha gestorben, der Vater brachte das Kind 1830 nach Hamburg und gab es in die Obhut von Therese Rowohl (1782–1879), die unverheiratet war und mit ihrer Schwester Jette zusammenlebte. Er führte seine Geschäfte von Dresden aus, bis er einen Großteil seines Vermögens durch die Unredlichkeit seines Geschäftsteilhabers in Mexiko verlor. Danach betrieb er bis zu seinem Tode (1876) einen Kunsthandel in Dresden.

 

Bertha von Buchan um 1830; Fotografie des Stereographischen Instituts von Moser Senior in Berlin (nach 1860) aus Theodor Storms Besitz

 

In ein Kind also, in ein Mädchen, das noch vor der Pubertät stand, hatte sich der 19jährige aus Husum verliebt. Bereits am 5. Januar schrieb er ein weiteres Gedicht, das mit Bertha in Verbindung steht: „Das Kind im Bette“.6 In dieser sentimentalen Einheit von Kindlichkeit und Frömmigkeit7 ist nichts von der Sehnsucht des Liebenden nach seiner „Braut“ zu spüren. Denn ein Kind darf man nicht lieben ‒ und so scheint auch Theodor zunächst gedacht zu haben, aber die Erinnerung an Bertha ließ ihn nicht los. Kurze Zeit später hat Storm diesen Text etwas verändert mit einem zweiten Gedicht ins Reine geschrieben und auf einem außen mit einer Zierleiste versehenen Doppelblatt Bertha geschenkt. Dort stehen sich beide Texte gegenüber8:

 

Das Kindes Gebet

„Hu, wie mich friert! die Kälte
Presst mir die Lippen zu;
Kann noch nicht zu Dir beten
Du guter Vater, Du!“ ‒

Und als es warm geworden,
Da schlief das Kindchen ein,
Und für die schlummernde Kleine
Still beten die Engelein.

 

Des Kindes Träne

Das Mägdlein weint, der Knabe zerbrach
Ihr die Rose und trat sie mit Füßen;
Und was ihr die Mutter Schönes verspricht,
Die Tränen reicher und reicher fließen.

„Sei ruhig! Die Blumen sprießen ja neu
Und neue Sonnen scheinen;
Mein herzig Kind, ach möchtst Du stets
Nur um gebrochne Rosen weinen.“

 

Die Gedichte „Des Kindes Gebet“ und „Des Kindes Träne“ in Storms Handschrift

 

Das Bild der gebrochenen Rose symbolisiert nicht nur die Vergänglichkeit des Lebens, es steht auch für den Schmerz der Liebe. „Des Kindes Träne“ enthält die Antwort, die sich Theodor auf sein „Liebesweh“ von Bertha gewünscht hat. Nur: Er musste sich die Antwort selber geben, da er nicht in einem ständigen gedanklichen Austausch mit dem Mädchen stand. Da erscheint auf dem Schmuckblatt, auf dessen Vorderseite er fein säuberlich die Buchstaben DD geschrieben hat, nun plötzlich neben dem Gedicht, in dem Storm die Unschuld eines Kindes schildert, ein erotischer Text, der der Tradition der Liebeslyrik der Anakreontik des späten 18. Jahrhunderts verpflichtet ist. So hatte der Schüler bereits in Husum gedichtet und damals Anregungen aus dem Schulunterricht und aus der gängigen Wochenblattpoesie seiner nordfriesischen Heimat verwendet.

 

Markt in Lübeck um 1820. Stahlstich von Anton Radl (1774–1852) nach einer Zeichnung von William Gury, 1822

 

Die Anregungen für die meisten Gedichte, die in und kurz nach der Lübecker Zeit entstanden sind, empfing Storm nicht mehr aus solchen Quellen, sondern von den neuen Freunden wie Ferdinand Röse (1815–1859) und Emanuel Geibel (1815–1884). In einer Notiz zu seinem Essay „Ferdinand Röse“ schrieb Storm 1885: Röse, von den derzeit Zurückgebliebenen Geibels nächster Freund, wurde auch bald der meinige, das heißt, wie ein Älterer dem Jüngeren, wie ein in sich Fertiger dem noch Werdenden. Ich sah zu ihm hin auf und hatte ihn lieb; [...]9. Röse gehört zu denen, welchen ich es verdanke, Kritik ertragen zu können und sie an mir selbst zu üben; er schrieb quer über meine Gedichte sein „Denique sit, quid sit, simplex dumtaxat et unum“ (Was du schließlich auch willst, es sei schlicht und einfach)10, und sagte mir mehr, als einmal: „Du bist geistig tot“; ob Letzteres mit Recht, ist mir später zweifelhaft geworden. In der Poesie freilich war es bei mir nur noch ein Flügelprüfen; über meine zuerst 1852 erschienenen Gedichte hat er mir später mit Begeisterung geschrieben, dass er sie morgens und abends lese.11

Kurz vor der Begegnung mit Bertha hatte Theodor siebzehn Gedichte zusammengefasst, die er in ein kleines Heft mit grünem Einband eintrug und mit der Widmung versah: Gedichte. Seinen Eltern als ein Beweis seiner Liebe und Hochachtung gewidmet von ThWStorm. Zum Weihnachten 1836. Es folgen die Gedichte Der alte Traum, Mein schönes Wunderland, Ständchen (1) und (2), Träumerei, An meine Künftige, Der Bau der Marienkirche zu Lübeck, Auf den sich reckenden Pl –, Goldne Lebensregel, Liebe, Lose Mädchen, König und Herz, In R.s Stammbuch (Ferdinand Röse), Neuer Frühling und Der Sänger beim Mahle. Es handelt sich bei diesen Texten ausschließlich um Gedichte, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1836 entstanden sind.12 Dieses kleine Heft sollte den Eltern zeigen, was ihr Sohn während der Schulzeit neben den Fertigkeiten gelernt hatte, die von den Bildungseinrichtungen vermittelt wurden. Theodor gibt erstmals Rechenschaft über den Stand seiner Dichtkunst. Die Handschrift beginnt mit „In die Heimat“, danach folgt die Zeichnung einer Frau; es handelt sich um die einzige von Storm erhaltene größere Zeichnung, mit der er sein später „Geistesgruß“ überschriebenes Gedicht illustriert und mit den Worten kennzeichnet: „Zur Schmidtschen Titelskizze“.

Das Kind Bertha, dem er am Weihnachtstage begegnet war, entsprach in keiner Weise der erträumten Geliebten, die in „Geistesgruß“  beschworen wird. Denn in der Illustration zu seinem Gedicht hat Theodor seine Vorstellung von einer reifen Frau zu Papier gebracht.13

 

Die Sterne funkeln durch‘s Blau der Nacht
Die Menschen schlummern, mein Lieb nur wacht!

Sie schaut auf das Meer, in die dämmernde Fern,
Sie denket des treuen Buhlen so gern. –

Leis’ flüstert der Nachtwind mit spielendem Hauch,
Und küsst ihr die schwellende Träne vom Aug’. –

Was schaust Du so trüb’ in die freundlichen Stern? –
Der Mann den du liebest in weiter Fern,

Und starret wie Du über’s wogende Meer,
Das treue Auge von Tränen schwer.

 

Theodor Storms Zeichnung zu „Geistesgruß“

 

Die Zeichnung zeigt eine junge Dame in üppiger Kleidung, die in einem biedermeierlichen Interieur sitzt und sehnsuchtsvoll aus dem Fenster in die Ferne schaut. Ob Storm eine populäre Vorlage kopiert hat, konnte nicht ermittelt werden. Die Komposition lässt darauf schließen; die Ausführung ist allerdings schülerhaft und die Proportionen sind ungenau. Der Titel verweist auf eine kulturhistorische Skizze, die der Arzt und Bankkaufmann „Schmidt von Lübeck“ 1827 veröffentlicht und in der er das unerfüllte Liebesverhältnis zwischen dem italienischen Renaissance-Dichter Petrarca und seiner Muse Laura beschrieben hat.

Im Mittelpunkt von Schmidts Skizze14 steht das Sehnen der beiden Liebenden, deren Erfüllung ihnen aber versagt bleibt, laut Schmidt aufgrund der Sprödigkeit Lauras. Storm beschreibt in seinem Gedicht „Geistesgruß“ die doppelte Perspektive der Liebenden, die herüber und hinüberschauen; die Hauptperspektive nimmt dabei allerdings der Mann ein und erst die Zeichnung stellt ein Gleichgewicht der Sehnsucht zwischen beiden her.

Bei dieser Dichtung handelt es sich um eine konventionelle Liebeständelei, gestaltet in der Tradition der Anakreontik; aber sie kann nicht auf ein wirkliches Erleben des jungen Dichters zurückgeführt werden. Zwar zeugen einige Gedichte aus der Husumer Schulzeit von Verliebtheit, jedoch lassen sich auch die folgenden Verse einem biographisch bezeugten Liebeserlebnis des damals 17jährigen nicht zuordnen.

 

Liebesklage eines Verschmähten15

Kann dein Aug gefühllos starren,
Bei dem Sturm in dieser Brust!
Soll ich dulden, soll ich harren,
Kämpfen zwischen Schmerz und Lust?!

O lass einmal nur dich blicken,
Einmal aus dem holden Licht
Schöpfen Ruhe und Erquicken,
Da’s dem Herz an Trost gebricht!

Ach lass mich nicht fühllos schmachten,
Lindre heile meinen Schmerz,
Still mein Sehnen, still mein Trachten,
Rette dies zerrissne Herz.

Oder willst du mich vernichten,
Oder ist die Liebe Wahn,
Möge niemand an dir richten,
Was du Harte mir getan.

Nein du kannst mich nicht verdammen,
Mehren diesen herben Schmerz,
Schrecklich doppeln sich die Flammen.
Und verzehren dann mein Herz.

Ach zum Schmerz bin ich geboren,
Meine Pein vernichtet mich!
Wirst du auch mein Herz durchbohren,
Lieb ich sterbend dennoch dich.

 

In dieser Klage stammt alles aus zweiter Hand. Der Sänger sonnt sich in immer denselben vielfach variierten Motiven, die den heutigen Leser wegen der allzu einheitlichen Trochäen zu einem leiernden Vortrag animiert. Den Dichter verlässt jede konkrete Anschauung, und er fällt aus einer Redensart und aus einem Gemeinplatz in den andern. Es wird keine Spannung erzeugt, und Reime wie Brust – Lust, Schmerz – Herz, geboren ‒ durchbohren wirken abgenutzt und in ihrer Wiederholung beliebig.

Dennoch, die Liebesgedichte, die der Primaner Theodor Storm in den Jahren zwischen 1837 und 1843 an Bertha von Buchan schickte, an das Mädchen von zunächst 11 Jahren und schließlich an die 17jährige junge Frau, entfernen sich weit von solcher epigonalen Massenware, wie wir sie noch unter den Schülergedichten finden. Sie repräsentieren den Übergang von der Nachahmung vorgefundener Muster bis zu einer selbständigen lyrischen Rede, die zu den bedeutenden Schöpfungen des 19. Jahrhunderts gehört.

An den dafür erforderlichen unmittelbaren subjektiven Erfahrungen aber mangelte es Theodor Storm noch weitgehend, als er die Gedichte für seine Eltern zusammenstellte. Der junge Poet aus Husum fühlte sich nach dem Weihnachtsfest 1836 von einer Lebenssituation angesprochen, die er aus der Biografie Gottfried August Bürgers kannte. Plötzlich befand er sich in einer Lage, die ebenfalls durch einen Zwiespalt gekennzeichnet war; seiner Sehnsucht nach Bertha steht die Erfahrung der unerfüllbaren Liebe entgegen, die sich in seelischen Schmerzen zeigt. Begehren, Wünschen und Hoffen werden mit Abweisung, Enttäuschung und Kälte kontrastiert.

Daher verbindet er in seinem Gedicht „Des Kindes Träne“ die extremen Motive von Liebessehnen und Todesahnung, die einigen der bereits in Husum entstandenen frühen Gedichte ihren Spannungsbogen verleiht. Das Bild des unschuldigen Kindes und die Vision des begehrten Mädchens werden in einen Zusammenhang gestellt, den die gerade elfjährige Bertha wohl kaum hat verstehen können.

Zwar konnte Theodor als empfindsamer Poet auf die Natureindrücke seiner Kindheit und Jugend zurückgreifen, über Liebesdinge aber hatte er vor allem in der Literatur gelesen. Das sollte sich durch die Begegnung mit Bertha nun rasch ändern. „Liebesweh“ ist das erste von Storms Gedichten, mit dem er auf die intensive erotische Erfahrung reagiert, allerdings auf eine sehr einseitige, wie er bald feststellen musste.

 

Anmerkungen


1 MG, S. 66-68 (Nr. 83) mit der Datierung Weihnachtmorgen. (1) und 2t Jan. 1837.

2 Storm und Ohlhues wohnten zunächst bei der Witwe Luetjens an der Untertrave im Eckhaus Fischstraße Nr. 115. Später gab Storm als Adresse bei Herrn Giffhorn, Balauerfohr an, dem Färbermeister Marcus Johann Giffhorn im Haus Nr. 192 nahe der St. Aegidien-Kirche.

3 Theodor Storm: „Ferdinand Röse“. In: LL 4, S. 441.

4 Ecke der großen Fischer- und Lucienstraße 1.

5 Theodor Storm an Friederike Scherff; eigenhändiges Brieffragment (Entwurf), 1 S., StA, Husum. Hier nach Eversberg 1995a, S. 124.

6 MG, S. 69 (Nr. 85) mit dem Datum „5. Jan. 73“

7 Detering 2011, S. 173.

8 „Des Kindes Gebet“, Einzelblatt im Nachlass Bertha von Buchans mit der veränderten Überschrift auf einem Blatt mit „Des Kindes Träne“ (StA, Husum). Gedruckt im Volksbuch auf das Jahr 1846 im Kalendarium beim Monat Januar mit der ursprünglichen Überschrift. Hier nach der Handschrift im StA, Husum.

9 Entwurf zu Storms Essay „Ferdinand Röse“. In: LL 4, S. 945.

10 Horatius, De arte poetica, Epistula ad Pisones 23.

11 Theodor Storm: „Ferdinand Röse“. In: LL 4, S. 444.

12 Vergl. die Kommentare zu den Gedichten in Eversberg 2006.

13 MG, S. 64 f. als Nr. 81 November/Dezember 1836 mit der Überschrift Nach einer Skizze von Schmidt. und der späteren Notiz vidi 39 eingetragen; G 1836 als erstes Gedicht mit der Überschrift Zur Schmidt’schen Titelskizze., davor eine Zeichnung einer jungen Frau). Etwas verändert veröffentlicht in Neue Pariser Modeblätter 12.1838, Nr. 22, Sp. 341 mit dem Titel „Geistesgruß“ und der Unterschrift H. W. Storm. Später von Storm verändert unter dem Titel „Hinüber, herüber!“ Hier nach G 1836.

14 Storms Hinweis in seiner Sammelhandschrift „Meine Gedichte“ verweist auf Georg Philipp Schmidt (1766-1849), einen aus Lübeck stammenden Arzt und Bankkaufmann, der unter dem Namen Schmidt von Lübeck Gedichte in der Tradition des Göttinger Hainbundes veröffentlicht hat (Lieder von Schmidt von Lübeck. Altona 1820; 2. vermehrte Auflage 1821). In dem 1827 in Altona erschienenen Band „Historische Studien von Schmidt von Lübeck“ ist unter dem Titel „Petrarca und Laura“ (S. 61-100) eine skizzenhafte Darstellung dieser berühmten Liebesbeziehung enthalten, in der Schmidt in Briefen an eine fiktive Leserin Episoden aus dem Leben des italienischen Renaissancedichters Francesco Petrarca (1304-1374) schildert, der in seiner Lyrik eine wohl nur erdichtete Beziehung zu einer Frau namens Laura besingt. Storms Bild illustriert die Gedichthandschrift, die er Weihnachten 1836 seinen Eltern schenkte, und in der dieses Gedicht an erster Stelle steht. Dies erklärt auch die dortige Überschrift Zur Schmidt’schen Titelskizze.

15 Liebesklage eines Verschmähten, MG, S. 5 f. als Nr. 10 1834 eingetragen. Hier nach der Handschrift.