Du siehst Gespenster!

Ein Dialog über Theodor Storms „Schimmelreiter“

von

Jean Lefebvre und Gerd Eversberg

 

 

SKEPTIKER                Und Sie meinen wirklich, wir sollen uns hier vor diesem Publikum über Storms „Schimmelreiter“ unterhalten?

KENNER                     Das meine ich allerdings.

SKEPTIKER                Ist das nicht ein wenig zu viel des Guten?

KENNER                     Wieso zu viel?

SKEPTIKER                Na ja, der Text liegt seit Jahrzehnten zuverlässig ediert in mehreren Ausgaben vor. Es gibt hervorragende Kommentare, erst heute Morgen haben wir hier an diesem Ort ein ausführlich illustriertes Buch vorgestellt, das detailliert über Storms Schreibprozesse Auskunft gibt. Und in den nächsten Wochen beginnen die Abschlussarbeiten für eine historisch-kritische Edition der Novelle, die alle Vortexte, Manuskripte, Drucke und Quellen einschließen wird, ein gelehrtes Exemplum, wie man zukünftig Storm-Texte edieren sollte.

KENNER                     Sie meinen also, über Storms Meisterwerk sei alles gesagt?

SKEPTIKER                Doch. Schauen Sie sich nur einmal die vielen klugen Dissertationen im Storm-Archiv an. Und dann werden jedes Jahr mehrere Aufsätze zur Novelle des Meisters veröffentlicht, die voller gescheiter Gedanken stecken.

KENNER                     Nun, was die Materiallage betrifft, die Recherchen zu den Handlungsorten und -räumen, da kann ich Ihnen wohl Recht geben. Aber …

SKEPTIKER                Was für ein Aber?

KENNER                     Die editorische Präsentation eines so bedeutsamen Textes, die Recherchen zu den Quellen, die Erforschung der Handlungsräume und der Biographien der darin agierenden Personen, das ist eine Sache. Die Bedeutung, die Storms Novelle im Rahmen der Weltliteratur hat, eine ganz andere.

SKEPTIKER                Ach, kommen Sie mir doch nicht mit „Weltliteratur“. – Dazu hat man Storms „Schimmelreiter“ schon seit langem geadelt.

KENNER                     Ich weiß, die Zeit der Heimat-Tümelei ist längst vorbei; keiner reklamiert heute mehr Storms Novellen als Beiträge zur nordfriesischen Heimatkunst.

SKEPTIKER                Nein, wir betreiben keine nationalistische Germanistik mehr. In jedem Jahr erscheinen neue Interpretationen, nicht nur von deutschen Germanisten, sondern auch von internationalen Wissenschaftlern aller Richtungen.

KENNER                     Sie vergessen aber nicht, dass Hauke Haien zunächst als nordischer Held gefeiert wurde, der dem Schicksal entschieden Widerstand geleistet hat.

SKEPTIKER                Zugegeben, und dann verstand man ihn als kompromisslosen Vertreter der Gründerjahre. Die Soziologen entdeckten in seiner Person einen gewissen Mangel an sozialen Kompetenzen und die Psychologen seine Unsicherheiten.

KENNER                     Verschonen Sie mich bitte mit all diesen Versuchen, ein Deutungsmonopol zu errichten und dann über Jahre zu verteidigen. Wenn wir aber einmal unterstellen, dass ein bedeutender literarischer Text von so hoher Komplexität sein muss, dass auch die dogmatischsten Deuter ihn nicht kaputt kriegen, indem sie ihn zum Gemeinplatz der Literaturkritik hinunterreden, …

SKEPTIKER                Das ist ihnen bei Storm in der Tat nicht gelungen.

KENNER                     … wenn auch die fünfzigste didaktische Analyse mit angeschlossenem Unterrichtsmodell zum Herauskopieren den Text nicht zum bloßen Unterrichtsstoff degradieren kann, und wenn die vermeintlich sprachliche Vereinfachung ad usum delphini …

SKEPTIKER                Ja, ja, zum Gebrauch in Schulen! Sogar in der viel gescholtenen Hauptschule wird Storms „Schimmelreiter“ immer noch gerne zum Unterrichtsinhalt gemacht …

KENNER                     … wenn dies alles nicht dazu beiträgt, einen bedeutenden literarischen Stoff als „leicht verständlich“ zu stigmatisieren und dadurch zu entproblematisieren, dann muss dieser Text sich auch nach mehr als hundertzwanzigjähriger Rezeption noch als sperrig genug erweisen, so dass wir uns an ihm die Zähne ausbeißen können.

SKEPTIKER:               Und woran soll ich mir die Zähne ausbeißen? Sagen Sie mir doch: Wo gibt es in dieser nach allen Seiten hin interpretierten Novelle noch etwas, das unklar wäre?

KENNER:                    Wodurch wir sofort bei einem zentralen Problem realistischen Schreibens angelangt wären!

SKEPTIKER                Wo sehen Sie da ein Problem? Die Frage nach dem realistischen Schreiben ist doch mittlerweile geklärt und kann als Allgemeinwissen gelten. Realistisches Erzählen bezeichnet bekanntlich zunächst die Wiedergabe von Wirklichkeit.

KENNER                     Vorsicht mit der Abbildtheorie. So wird Realismus schnell synonym mit Naturalismus gebraucht, wodurch ein schiefes Verständnis entsteht und jeder literarische Text in eine bereit gehaltene Schublade gesteckt, aus der ihn die Schulmeister jeglicher Couleur nach Bedarf bequem herausziehen können. Denn das realistische Kunstwerk wiederholt nicht die Wirklichkeit, daher sind Genauigkeit und Detailtreue bei der Abbildung von Wirklichkeit allein kein Kriterium für Realismus.

SKEPTIKER                Da kann ich Ihnen folgen. Der Kunstcharakter von Literatur besteht darin, die Fakten so zu verwenden, dass durch ihre besondere Anordnung das Einzelne, das Konkrete verallgemeinert wird, anders gesagt: Im literarischen Akt stellt die Literatur die Welt in einer neuen interpretationsfähigen Form dar, die dem Dichter eigen ist.

KENNER                     Eben. Daher muss der Künstler zunächst in der Wirklichkeit die eigentliche Form der Ideen erkannt und aus dem empirisch Fassbaren allgemeine Gesetze abgeleitet haben, die seine Weltanschauung ausmachen. Denn die Wirklichkeit ist – so wie sie gemeinhin wahrgenommen wird – für die Kunst wertlos; erst durch die Darstellung eines Gesamtzusammenhangs behauptet sich realistische Kunst.

SKEPTIKER                Besteht das künstlerische Verfahren des Realismus demnach nicht darin, die Details der Wirklichkeit so darzustellen, dass deren allgemeine Bedeutung zutage tritt?

KENNER                     Ja, auch. – Die Fähigkeit, das Allgemeine im Konkreten sichtbar werden zu lassen, ist das zentrale künstlerische Merkmal des Realismus. In vielen Texten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind, ist nicht direkt von der empirischen Realität die Rede, sondern darüber hinaus werden Erinnerungs-, Erzähl- und Lektüreakte geschildert, in denen auch eine den Sinnen verschlossene und abwesende Realität heraufbeschworen wird.

SKEPTIKER                Das müssen Sie aber genauer erläutern.

KENNER                     Gerne. Literatur setzt sich immer aus zwei Bestandteilen zusammen. Zunächst ist ihr Bestreben, die Natur nachzubilden. Das ist es, was wir als „realistischen“ Anteil bezeichnen. Gleichzeitig wird diese Nachahmung aber mit den Mitteln der Kunst vollzogen, also in einer sprachlichen Form, die ein künstlerisches Zeichensystem entwirft, durch das sich die Nachahmung von der Wirklichkeit unterscheidet.

SKEPTIKER                Ja, gerade das macht den Kunstcharakter von Literatur aus.

KENNER                     In Storms „Schimmelreiter“, aber auch in anderen Erzählungen dieser Zeit fällt nun auf, dass das Verhältnis der Erzählinstanzen zu der eigentlich erzählten Realität als zusätzliches Problem erscheint.

SKEPTIKER                Wie als „zusätzliches Problem“?

KENNER                     Nun, die Erzähler reflektieren immer wieder den Erzählakt, das heißt, sie problematisieren ihr Verhältnis zur erzählten Wirklichkeit und beteiligen den Leser an solchen Reflexionen.

SKEPTIKER                Und diese Reflexionen auf das Erzählte sind ein Teil der poetischen Qualität solcher Texte?

KENNER                     Ja, sie tragen sogar zum eigentlich Künstlerischen bei, neben der bildlichen Sprache, der Dramaturgie von Handlungen usw.

SKEPTIKER                Der Leser wird demnach mit zwei Bereichen konfrontiert, mit den Geschichten, also den Personen und Handlungen, von denen erzählt wird, und zusätzlich mit Erklärungen?

KENNER                     Das könnte man eher Erzählerkommentar nennen, und solche Kommentare dienen nicht nur zur Selbstvergewisserung der Erzähler, denen die Realität, von der sie erzählen, mehr oder weniger zweifelhaft erscheint. Sie sind auch ein Angebot für die Leser.

SKEPTIKER                Ein Angebot? Wozu? Über das Erzählte nachzudenken?

KENNER                     Nicht nur über das Erzählte, auch über die Art und Weise, wie es erzählt wird.

SKEPTIKER                Das verstehe ich nicht.

KENNER                     Passen Sie auf. Der kreative Leser eignet sich lesend die verarbeitete Wirklichkeit an und interpretiert sie nach seinen Vorstellungen.

SKEPTIKER                Ja.

KENNER                     Und deshalb ist eine individuelle Lesart dank des Kunstcharakters der Werke nicht nur unvermeidbar, sondern geradezu wünschenswert.

SKEPTIKER                Das bedeutet aber dann auch: Jeder Leser erstellt seine eigene Lesart und die kann beliebig sein?

KENNER                     Ja, jeder Leser entwickelt eine subjektive Lesart, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie beliebig sein könnte. Denn jede Lesart muss im Zusammenhang des Kunstwerks widerspruchsfrei sein. Ein Text verleitet den Leser dazu, Fragen aufzuwerfen, zu deren möglichen Antworten er den Schlüssel liefert. Entweder findet der Leser im Text parallele, sich ergänzende Informationen oder aber er konstruiert anhand gegenteiliger Informationen ein Spannungsfeld. Beide Vorgänge sind für die Entstehung von Sinn beim Leseprozess verantwortlich.

SKEPTIKER                Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen richtig folge. Können Sie nicht ein Beispiel geben?

KENNER                     Hören Sie zu! Im äußeren Rahmen behauptet der Erzähler, ihm sei bei seiner Urgroßmutter etwas überaus Markantes „kundgeworden“, wie er sagt. „Kundgeworden“, dabei kann es sich um ein ganz profanes Wort handeln, das zu Storms Zeiten üblicher war als heute. Im Sinne von Mitteilung hätte es keine weitere Verweisfunktion.

SKEPTIKER                Und meint Storm denn damit noch etwas anderes?

KENNER                     Man könnte vermuten, dass er mit Kunde möglicherweise auch eine sakrale Bedeutung verbindet, weil diese Erfahrung für das Verständnis seines Lebenswerks eine so zentrale Bedeutung hat. Die Bibel berichtet zur Genüge von Situationen, in denen erwählten Menschen etwas kund wird. Wie soll sich der Leser nun aber in unserem Falle bei dieser Frage entscheiden? War diese Erfahrung des Kindes damals im Hause der Urgroßmutter bloß profaner Natur, indem er eine  Mitteilung aufgenommen hat? Oder handelte es sich um einen feierlichen, sakralen Akt der Aufnahme?

SKEPTIKER                Der Leser könnte die Frage auch ignorieren.

KENNER                     Na, hören Sie mal! So kommen Sie mir nicht davon. Einige Seiten weiter stößt dieser Leser auf weitere Informationen zur Rolle des Sakralen bei einer zentralen Figur der Novelle. Er findet nämlich heraus, dass der Schulmeister ein Theologiestudium hinter sich und seine Brautschaft verfehlt hat.

SKEPTIKER                Ach, Sie meinen, diese Abwendung von der Theologie symbolisiere die Hinwendung zu Rationalität und Aufklärung.

KENNER                     Ganz deutlich. Zwei einander ausschließende Gesprächssituationen werden so geschaffen, die eine findet in einem bürgerlichen Haus fernab allen Publikums statt und ist durch eine weibliche Präsenz geprägt, die für das Kind eine unheimliche Erzählsituation hervorzaubert, und die andere durch einen männlichen, gebildeten Erzähler, dessen Absicht es ist, vor dem Irrationalen zu warnen.

SKEPTIKER                Wenn diese Warnung wirklich so zentral ist, dann hätte Storm die Erzählung der Urgroßmutter besser herausgelassen!

KENNER                     Ja, aber gerade diesem Mann, dem Schulmeister also, fällt es zu, in einem öffentlichen Raum eine möglichst zuverlässige und sachliche Biografie des Schimmelreiters zu erzählen, die als Pendant zur Erzählerfahrung des Kindes fungiert, das sich wie verzaubert die Spukgeschichte anhört und was ihm dort so alles „kundgeworden“ ist. Dieser Knabe ist es, der als Erwachsener die Geschichte von Hauke Haien erzählt, denn er erzählt uns auch das, was der Schulmeister ihm berichtet. Ohne die umwälzende Erfahrung dieses Kindes hätten wir nie die Version des Schulmeisters zu hören bekommen. Es geht also um das Austarieren zweier sich ausschließenden Erzählformen.

SKEPTIKER                Und wo bleibt der Leser?

KENNER                     Der Leser wird hellhörig und muss sich bis zum Ende seines Leseaktes fragen, wie das „Kundwerden“ wohl einzuordnen ist. Im Aufnehmen der konkreten Details aus ein- und demselben Text erfährt der Leser eine Aufforderung, die Textsignale, die ihm zu einer größeren, zu einer höheren Wahrheit führen können, zu entschlüsseln und sie zu einem möglichen vertretbaren Ganzen zu fügen. Darin besteht eine der Funktionen von Literatur, und im Auswerten der Textsignale stellt sich das Lesevergnügen ein.

SKEPTIKER:               Ob wir   e i n e   größere Wahrheit finden, wie Sie behaupten, das wollen wir später noch genauer bedenken. Das, was Sie auf der semantischen Ebene am Beispiel des „Kundgewordenen“ behaupten, müsste doch auch auf einer höheren, textuellen Ebene zu verifizieren sein. Können Sie das nicht weiter ausführen?

KENNER                     Natürlich. Feministinnen haben das „Weibliche“ in Hauke Haien entdeckt und die Psychoanalyse hat immerhin die Ursachen für den Untergang Haukes in seiner narzisstischen Selbstzerstörung, in der symbolischen Tötung der Mutter beziehungsweise in einer traumatisierten Mutter-Kind-Beziehung gesehen.

SKEPTIKER:               So habe ich es auch gelesen. Meinen Sie, dass der kreative Leser das Wirkliche in seinem Bewusstsein überschreiten, in Frage stellen muss?

KENNER:                    Ja, um zu einer Wahrheit dieser Wirklichkeit vorzudringen. Aber alle diese Analysen, so klug sie auch sein mögen, unterstellen, dass das, was über Hauke in der Novelle erzählt wird, eine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe seines Lebens sei, aber nur so wie der Schulmeister es auffasst, und dass sich aus der Art und Weise seines Unterganges also umstandslos die Schuld des jungen Deichgrafen entziffern ließe.

SKEPTIKER:               Wenn Storm dies absichtlich verrätselt, riskiert er nicht missverstanden zu werden?

KENNER                     Ich behaupte sogar, dass nur ein wirklich bedeutsames Kunstwerk den Leser vor Rätsel stellt.

SKEPTIKER                Überfordern Sie nicht da den Leser? Können Sie es nicht an einem Beispiel klarstellen?

KENNER:                    Sie kennen doch den inneren Erzählrahmen genau?

SKEPTIKER:               Ja, ein namenloser Reiter folgt bei starkem Sturm dem Deichverlauf von Norden nach Süden.

KENNER:                    Dank intensiver Forschungen vor Ort, an denen Sie auch nicht ganz unwesentlich beteiligt sind, wissen wir, dass Storm sich vorgestellt hat, dies habe auf der Höhe der Hattstedtermarsch stattgefunden.

SKEPTIKER:               Ja, genau und zwar im Norden, wo noch heute die in der Erzählung erwähnte Wehle zu erkennen ist.

KENNER:                    Ich zitiere aus der Novelle: „Als ich jene Stelle erreicht hatte, sah ich hart am Deich im Kooge unten das Wasser einer großen Wehle blinken − so nennen sie dort die Brüche, welche von den Sturmfluten in das Land gerissen werden, und die dann meist als kleine, aber tiefgründige Teiche stehen bleiben.“

SKEPTIKER:               Das ist mir wohlbekannt.

KENNER:                    Verzeihung, ich habe ja auch nur zitiert.

SKEPTIKER:               Nun gut, dem ermüdeten Reisenden erscheint ein gespenstiger Reiter, so wie Storm dies in seiner frühesten Quelle gelesen hat, nämlich mit ca. 20 Jahren in Pappes Hamburger Lesefrüchten, in denen eine Gespenstergeschichte von der Weichsel abgedruckt ist, in der sich ein Deichgevollmächtigter in die Fluten stürzt, um als Gespenst bei Eisgang vor Deichbrüchen zu warnen. So steht es im Text und so erläutern es seine Interpreten.

KENNER:                    Zu diesem Abschnitt stelle ich Ihnen jetzt eine ganz simple Frage. Ich bin gespannt, wie Sie damit umgehen.

SKEPTIKER:               Nur zu!

KENNER                     Wieso kann dieser Reiter, und nur ihm ist es widerfahren, auf den Schimmelreiter stoßen, wo er doch erst später die Geschichte von Hauke Haien kennen lernt? Das gibt er selbst unumwunden zu. Ich zitiere wieder: »Verzeiht!« sprach ich, »was ist das mit dem Schimmelreiter?«

SKEPTIKER:               Nun, in Nordfriesland wird dies für eine weit verbreitete Deichsage gehalten.

KENNER                     Aber dieser Mann stammt gar nicht aus der Marsch. Die ist ihm bis dahin unbekannt. Mehrfach betont es der Text. Deshalb kann er auch nichts von diesen Geschichten wissen.

SKEPTIKER                Der Mann hat eben ein hohes Maß an Einbildungskraft besessen, vielleicht ist er auch das, was die Leute hier oben einen „Spökenkieker“ nennen. Damals haben auch alle hinter jedem Busch ein Gespenst vermutet.

KENNER:                    Nein, nein… Nicht irgendein Gespenst war es, ich rede hier von der Erscheinung Hauke Haiens, dem Schimmelreiter, von dem der Schulmeister gleich im Krug erzählen wird. Wir wollten uns doch den Text von Storm vornehmen!

SKEPTIKER:               Ja, und was steht dort nun?

KENNER:                    Sie können meine Frage also nicht beantworten.

SKEPTIKER:               In der Tat, noch nicht, vielleicht doch, fragt sich nur wie...

KENNER                     Was wissen wir nun über die Identität dieses Reiters? Alle Details über seine Person identifizieren ihn als Mann von der Geest. Würde dieser Reiter aus der Marsch stammen, wäre er besser über die landeskundlichen Besonderheiten der Westküste informiert. Als sein Vetter ihn zurückhalten will, erwähnt er nicht einmal dieses Gespenst, das bei Sturm sein Unwesen treibt und vor Deichbrüchen warnen soll.

SKEPTIKER                Stellen Sie jetzt nicht bloße Vermutungen an?

KENNER                     Schauen wir uns also diesen reitenden Kaufmann einmal genauer an. Der Text sagt, er sei ein durch und durch nüchtern kalkulierender Geschäftsmann, der seinen fünf Sinnen auch bei Sturm und Regen trauen könne. Dieser tatkräftige Mann sieht plötzlich auf seinem Weg in eine Stadt, die wir wohl mit Husum identifizieren können, einen Reiter ganz plastisch und gefährlich nahe vorüber reiten, aber er kann ihn und sein Pferd nicht hören. Und durch diesen Widerspruch besonders aufmerksam geworden, muss er auch noch registrieren, dass der mysteriöse Reiter beim Sturz in eine Wehle keinerlei Spuren auf der Wasseroberfläche hinterlassen hat, wie er es doch von einem Wesen aus Fleisch und Blut erwarten könnte.

SKEPTIKER:               Hm. Ihre Frage zielt also darauf, wieso dieser verlässliche Augenzeuge eine Gestalt wahrnehmen konnte, deren erste Erscheinung bereits seinen verlässlichen Sinnen widerspricht und die später in Wirtshausgesprächen als Wiedergänger vorgestellt wird, dessen Auftauchen nur einige abergläubische Marschbewohner für unproblematisch halten.

KENNER                     Genau. – Nach Ansicht des aufgeklärten Schulmeisters ist dieser „Schimmelreiter“ nur eine gehässige Erfindung übel wollender Zeitgenossen und einiger abergläubischen Marschbewohner, die damit (Zitat) „einen tüchtigen Kerl, nur weil er uns um Kopfeslänge überwachsen war, zum Spuk und Nachtgespenst“ machen wollen.

SKEPTIKER                Sie behaupten also, dass er vor dieser nächtlichen Unterhaltung im Gasthaus gar nichts von dem dämonischen Wesen wissen konnte und deshalb die Erscheinung auch nicht hätte sehen dürfen?

KENNER                     Das versuche ich Ihnen die ganze Zeit klar zu machen. Auch über die Gründe, warum der Spuk diesem Reiter auf dem Deich begegnet, schweigt sich der Text aus. Oberflächlich gesehen könnte man einfach von Zufall sprechen.

SKEPTIKER                Jetzt kommen Sie mir nicht mit Zufällen, wir wollen doch den Text genau lesen.

KENNER                     Wer weiß? Also gut, den Text. Wenn der Erzähler diesen Schimmelreiter als Spuk bei dem Unwetter wahrnehmen kann, so muss es für den Reiter neben der Empirie eine zweite Ebene der Erfahrung geben, die ihm bisher fremd war.

SKEPTIKER                Aber muss man nicht streng zwischen diesen beiden Erfahrungsbereichen trennen? Erinnern Sie sich an unsere Bestimmung von Realismus? Er soll eine Interpretation der Wirklichkeit zur Erlangung einer höheren Wahrheit sein.

KENNER                     Aber dieser Text legt mir eins nahe: Die Finsternis gebiert Ungeheuer.

SKEPTIKER                Ich habe das schon verstanden. Wenn ich den Text lese, dann entscheide ich doch für mich, wie ich die einzelnen Szenen verstehe, indem ich mir das Geschilderte vorstelle.

KENNER                     Und der Erzähler fordert von Ihnen, dass Sie sich ein Gespenst vorstellen, das von einem nüchternen Geschäftsmann wahrgenommen wird.

SKEPTIKER                Genau das widerspricht aber meiner bisherigen Interpretation der Novelle. Ich habe Storm bis heute immer so gelesen, dass er für jedes Bild und für jedes Motiv eine eindeutige Interpretation ermöglicht.

KENNER                     Ich dagegen habe die Erfahrung gemacht, dass Storm vom Leser an vielen Stellen seiner Novelle fordert, sich für eine bestimmte Bedeutung der Bilder und der Motive zu entscheiden, da er sie nicht eindeutig einbringt.

SKEPTIKER                Können Sie mir das erklären, ich brauche wieder ein Beispiel.

KENNER                     Ganz zu Anfang der Novelle, im äußeren Erzählrahmen heißt es: „Was ich zu berichten habe, ... ist mir kundgeworden, während ich mich mit dem Lesen eines in blaue Pappe eingebundenen Zeitschriftenheftes beschäftigte;“ …

SKEPTIKER                Der Junge hat eben eine spannende Geschichte gelesen und an diese Lektüre erinnert er sich später, als er das erzählt, was wir heute im inneren Teil der Novelle nachlesen können.

KENNER                     Ich bin mir nicht so sicher, aber darauf komme ich später zurück. Im Text heißt es: (Zitat) „während ich mich beschäftigte“, das muss doch nicht heißen, dass er selbst gerade die Geschichte in dem Heft las;während“ bedeutet vielmehr, dass zweierlei gleichzeitig geschieht, also einerseits das Herumhantieren mit einer Zeitschrift und das Mitkriegen einer Geschichte andererseits.

SKEPTIKER                Ein Kind, meinetwegen der junge Storm, blättert also in einem Zeitschriftenband und liest hier und da ein paar Texte.

KENNER                     Genau! Ich streite nicht ab, dass er da auf die des Gespenstigen Reiters aus der Weichselmündung gestoßen ist, die gemeinte Geschichte wird zweifellos in dieser Zeitschrift stehen, die er da in der Hand hat. Aber auch wenn der Nachweis gelungen ist, dass es sich um eine gedruckte Vorlage aus Pappes Hamburger Lesefrüchten handelt, auf der fiktionalen Ebene bleibt es offen, ob dieser Knabe sie wirklich ausschließlich durch das Lesen zur Kenntnis genommen hat.

SKEPTIKER                Wieso offen? Die Quelle, dies steht fest, ist doch ein gedruckter Text.

KENNER                     Sicher, wir können heute nachweisen, dass Storm diese Vorlage irgendwann um das Jahr 1838 kennen gelernt hat. Aber sehen wir, wie er später als alter Mann davon erzählt. Das meine ich mit Fiktion. Es könnte ebenso sein, dass die Urgroßmutter dem Enkel von der unerklärlichen Erscheinung in dieser Situation erzählt hat. Der Knabe hat sie auf diese Geschichte in der Zeitschrift aufmerksam gemacht, und sie hat das Erzählen übernommen, und zwar mündlich. Denn Storm weicht vom Verb „lesen“ ab, wenn er sagt „sich mit dem Lesen beschäftigte“ – und nicht: „las“.

SKEPTIKER                Und was schließen Sie daraus?

KENNER                     Dass der Erinnerungsakt nicht auf den stillen Lesevorgang zurückgeht, sondern auf eine Erzählsituation, wodurch seine Urgroßmutter eine Wirklichkeit schafft, die dafür sorgt, dass er diese Erzählung wortwörtlich behält und später nahezu auswendig niederschreiben konnte – so emotional betroffen war er. Es muss also damit zu tun haben, dass ihm die Urgroßmutter als talentierte Märchenerzählerin durch den Einsatz ihrer Stimme und theatralischer Gesten stimmungsvoll berichtet hat. Was er an dem Abend gehört hat, wird erst durch den alten Erzähler in der angekündigten „Ich-Erzählung“ für den Leser  glaubwürdig und damit real.

SKEPTIKER                Es geht Ihnen also um die Frage, ob es sich um eine mündliche oder schriftliche Überlieferung handelt?

KENNER                     Meiner Ansicht nach wirft Storm genau das Problem mit Absicht zu Beginn der Novelle auf und will die Frage deshalb nicht beantworten, weil dies sein eigentliches Thema ist. Er delegiert somit die Aufgabe an den Leser, beim Lesen die Argumente Für und Wider zu sammeln, damit er diesbezüglich eine persönliche, aber vertretbare Entscheidung treffen kann. Schriftliche Überlieferung bedeutet „der Bereich des Verständigen, Aufgeklärten, Vernünftigen“, während die mündliche Tradition (also hier durch die weibliche Stimme vertreten), der vorschnell als negativ konnotierte Bereich des Geschwätzes, des Aberglaubens gilt. Dadurch dass Storm sich nicht festlegt, bleibt beides zuerst einmal gleichwertig – konsequenterweise. Und es soll auch so in der Schwebe bleiben: „Das muss beschlafen werden!“ heißt es am Ende der Novelle.

SKEPTIKER                Sie meinen also, sich gleich für das Wort „lesen“ zu entscheiden, würde das bürgerliche Schreiben unverdienterweise aufwerten?

KENNER                     So in etwa. Der Hinweis auf das Emotionale, das die linde Hand durch das Streicheln besänftigt, macht in dem Zusammenhang sogar Sinn, denn die Urgroßmutter empfindet nach, wie die Geschichte auf den Urenkel wirkt: Gespenstergeschichten verunsichern die Kinder immer. Würde das Kind allein für sich lesen, dann frage ich mich, woher sie wissen soll, dass ihr Enkel beruhigt werden muss.

SKEPTIKER                Na ja. − Gibt es denn irgendeinen Hinweis, dass Storm es in Ihrem Sinne gemeint haben könnte?

KENNER                     Ich glaube schon. Der Anfang dieses äußeren Rahmens ist bereits in Storms Entwurf-Handschrift enthalten. Im „Concept“ heißt es dort: (Zitat)

                                      „Was ich berichten will, ist mir vor über einem halben Jahrhundert in meiner Urgroßmutter Hause, ich weiß nicht mehr ob aus dem lebendigen Munde eines Erzählers oder aus irgend einem Buche kund geworden; ich kann daher die Wahrheit der Thatsachen weder verbürgen, noch, wenn jemand sie bestreiten sollte, dafür aufstehen; nur soviel kann ich versichern, daß ich sie seit jener Zeit nie aus dem Gedächtniß verloren und wiederholt, wiewohl vergebens, nach der Quelle dieser Erinnerung geforscht habe.“

SKEPTIKER                Der Erzähler berichtet − wie wir heute wissen − von einem Erlebnis, das er reichlich über 50 Jahre vor der Niederschrift des Textes an einem eindeutig identifizierbaren Ort hatte, und zwar im bürgerlichen Hause der Urgroßmutter, mit dem Storm das Haus in Husum, Twiete/Ecke Schiffbrücke meint, das der Familie seines Urgroßvaters mütterlicherseits, des Senators Joachim Christian Feddersen, gehörte.

KENNER                     Auch dieses „Erlebnis“ ist eine Fiktion und nicht − wie immer wieder fälsch- lich behauptet − ein autobiographischer Bericht. Denn 1838/9, in den Jahren also, auf die der in der Erzählung gemeinte Zeitpunkt der Lektüre jener Gespenstergeschichte verweist, war „Frau Senator Elsabe Feddersen“ bereits zehn Jahre tot.

SKEPTIKER                Ja, das stimmt.

KENNER                     Folgende Lesart dieser Situation schlage ich nun vor: Der Junge hat an dem Nachmittag die schriftlich überlieferte Erzählung aus der Zeitschrift in einer mündlichen Version von seiner Urgroßmutter erhalten. Auch wird die Unsicherheit der Erinnerung in der ursprünglichen Version nun zur doppelten Bestätigung des Vorgangs, denn die Urgroßmutter ist in der Erinnerung als zärtliche Greisin präsent, sie streicht ihrem Enkel während des Vorgangs „liebkosend“ über das Haar. Dadurch erhält die Atmosphäre des Vorgangs etwas von jener Behaglichkeit, die für Storm eine der Voraussetzungen nicht nur für rezeptive, sondern auch für produktive Erzählarbeit war.

SKEPTIKER                Nun, eins müssen Sie dabei einräumen: Die Wahrheit der Tatsachen kann vom Erzähler zwar nicht verbürgt werden, doch ihre Präsenz im Gedächtnis wird durch ein zusätzliches Argument qualitativ aufgewertet: Der Erzähler hat sich nicht nur bemüht, der Quelle nachzuspüren, wenn auch erfolglos, wie wir wissen, er hat sie aber niemals aus dem Gedächtnis verloren, obgleich diese Tatsachen (Zitat) „durch keinen äußeren Anlass in mir aufs Neue belebt wurden“. Das bedeutet doch, dass er selbst nach einer gedruckten Quelle gesucht hat. Und dafür gibt es eine Reihe von Belegen. Zum Beispiel diesen hier. Am 13. Februar 1843 schreibt er an Theodor Mommsen (Zitat): „Der Schimmelreiter, so sehr er auch als Deichsage seinem ganzen Charakter nach hier her paßt, gehört leider nicht unserm Vaterlande; auch habe ich das Wochenblatt, worin er abgedruckt war, noch nicht gefunden.“

KENNER                     Sicher, das ist ein autobiographisches Dokument, das belegt, wie Storm selbst vergeblich nach einem verschollenen Lektüretext gesucht hat. Wir müssen aber genau unterscheiden zwischen der biographischen Ebene und dem, was der Schriftsteller in seinen Texten schreibt, wie er also die Quelle je nach seinen Bedürfnissen verwendet. Denn bei der ganzen Handlung, die in dieser Novelle dargestellt wird, handelt es sich um eine Fiktion. Das gilt eben auch für die Erzählrahmen, in denen ja nicht Theodor Storm persönlich auftritt, denn auch der Erzähler des äußeren Rahmens ist eine von Storm erfundene Gestalt. Storm signalisiert hier also nur eins: Verwechselt meine Erzählung bitte nicht mit der Wirklichkeit, sie ist eine Diskussionsbasis und steht zur Disposition eines jeden Lesers, dessen Aufgabe es ist, sie zu interpretieren!

SKEPTIKER                Man kann eben nicht genug darauf hinweisen, dass zwischen Autor und Erzähler fein unterschieden werden muss. Der Erzähler betont hier die Tatsache, dass er einen Erinnerungsakt vollzieht.

KENNER                     Im Novellentext wird in der Tat der Erinnerung eine höhere Authentizität zugesprochen als dem schriftlichen Dokument.

SKEPTIKER                Aber bleiben wir doch beim Text selber. Immerhin sagt der Erzähler ausdrücklich, dass er mit dem Lesen beschäftigt war.    

KENNER                     Lese ich den Außenrahmen unter diesem Aspekt, so sehe ich keinen Widerspruch zwischen meiner Sicht und dem Wortlaut. Ich wiederhole: Die Art, wie das Kind die Geschichte zur Kenntnis nimmt, verschweigt Storm geradezu, um nichts über die Informationsquelle vorwegzunehmen!

SKEPTIKER                Selbst dann, wenn diese Informationsquelle der gedruckte Text wäre, nähme der Erzähler doch nichts vorweg. Ich halte meine Lesart immer noch für wahrscheinlicher. Die Quelle war eine Gespenstergeschichte, die autobiografisch von einem Mann erzählt wird. Das war ein namenloser Zeitungsautor vielleicht aus der Generation von Storms Vater.

KENNER                     Wie Sie sagen: von einem Mann! Denn der weiblichen Stimme wird in der Novelle nur durch den männlichen Schulmeister Ausdruck gegeben, indem er auf die Art hinweist, wie die Haushälterin des Deichgrafen die Geschichte von Hauke Haien erzählen würde. Nicht zufällig ist diese Interpretation bislang ausschlaggebend gewesen, denn die Macht des männlichen Erzählers ist in der Novelle entscheidend. Der Schulmeister will seine Geschichte von Hauke Haien kraft seiner aufgeklärten Ideologie vermitteln. Ich plädiere hingegen für den mündlichen Weg, denn er entspricht den kindgemäßen Erfahrungen mit dem Geschichtenerzählen.

SKEPTIKER                Was hat denn seine Urgroßmutter dem jungen Erzähler überhaupt mitgeteilt, ich meine: kundgetan? – Sie erinnern sich, Sie haben versprochen darauf zurückzukommen. Es kann ja nicht viel mehr gewesen sein als die Danziger Gespenstergeschichte, oder meinen Sie etwa, dass sie auch Hauke Haien erwähnt haben könnte?

KENNER                     Da haben Sie genau den Punkt angesprochen, der bisher von der Forschung übersehen wurde.

SKEPTIKER                Machen Sie es nicht so spannend! Erzählen Sie doch!

KENNER                     Immer wenn von der Quelle der Schimmelreiter-Novelle die Rede ist, so wird auf diese Geschichte von der Weichsel verwiesen. Aber das ist ja eine ganz kurze Erzählung, sie enthält gar nichts Originelles. Natürlich hat Storm aus ihr ein Motiv übernommen, aber sie als die Quelle des „Schimmelreiter“ zu bezeichnen, wäre ganz falsch.   

SKEPTIKER                Durch meine Forschungen konnte ich übrigens bis heute nachweisen, dass Storm mehr als vierzig Handschriften und Bücher verwendet hat.

KENNER                     Das meine ich hier nicht. Wenn wir von dem sprechen, was den Inhalt der Novelle eigentlich ausmacht, so meinen wir die Geschichte von Hauke Haien.

SKEPTIKER                Und diese hat der Autor Theodor Storm erfunden, indem er die fremde Deichgespenstergeschichte in eine – wie er sagt − „würdige Novelle“ nordfriesischer Prägung verwandelt hat.

KENNER                     Und genau das meinte ich, als ich vorhin nach dem fragte, was dem Erzähler von seiner Urgroßmutter „kundgeworden“ ist. Kunde geben heißt, von dem Mitteilung machen, was bekannt ist, was ein Kundiger weiß, ein Einheimischer oder eine Einheimische, also die... 

SKEPTIKER                Wollen Sie etwa sagen, dass die Urgroßmutter die eigentliche Erfinderin der Geschichte des nordfriesischen Hauke Haien ist.

KENNER                     Genau das! An dem Tage war das Kind bloß „mit dem Lesen beschäftigt“. Die Urgroßmutter, von der anzunehmen ist, dass auch sie die Weichselgeschichte aus dem einen Zeitschriftenheft in Erfahrung gebracht hat, kommt ihrem Urenkel, der durch die Fremdheit der Situation an der Weichsel etwas verwirrt ist, zur Hilfe, indem sie ihm eine kindgemäße Version mündlich erzählt. Dieses Unterfangen gelingt ihr auch deshalb, weil sie die Informationen aus der gedruckten Quelle in eine heimische, ihm vertraute Umgebung überträgt. Sie berücksichtigt dessen Erfahrungswelt und bindet insbesondere das in die Geschichte ein, was dieses Kind aus der Nordfriesischen Küste emotional ansprechen kann: alle Inhalte der mündlichen Tradition. Die erste Fiktionalisierung geschieht also aus Rücksicht auf die Kompetenz des jungen Zuhörers. Aus der Weichselmündung wird die Nordseeküste und aus dem Eisgang wir die Sturmflut, nur „der gespenstige Reiter“ als raumungebundenes Gespenst und als Träger der Sagen generierenden Fantasie bleibt erhalten.

SKEPTIKER                Fehlt uns nur noch die Hauptfigur.

KENNER                     Und von dieser Gestalt des Hauke Haien muss die Urgroßmutter dem Knaben damals erzählt haben. Denn als Erwachsener behauptet er, dieses alles zusammen, an das er sich nun erinnert, wenn er an das Erlebnis bei seiner Urgroßmutter zurückdenkt, habe er von dem „damaligen Erzähler“ gehört. Der „damalige Erzähler“ war aber nicht allein der Autor des Zeitschriftenartikels, sondern auch seine Urgroßmutter hat erzählt.

SKEPTIKER                Eben. Und dafür, dass die Urgroßmutter den Deichgrafen Hauke Haien erfunden hat, spricht auch, dass in der gedruckten Quelle von der Weichsel überhaupt nichts von einer solchen Person zu lesen ist, wie die Storm-Forschung in den letzten 60 Jahren ermittelt hat.

KENNER                     Von einem Versuch, Hauke Haien als nordfriesische Gestalt zu verwurzeln, berichtet Storm übrigens in dem Text, dem er 1870 der Freundin seiner Jugend widmet, „Lena Wies“. Die Ansiedlung in Nordfriesland ist eine fiktive Quelle. Dort heißt es, dass er als Kind von Hauke Haiens Geschichte aus ihrem erzähltüchtigen Munde gehört haben will. Diese Vorstellung hat Storm allerdings fünfzehn Jahre später verworfen. Diese Aufgabe fällt nun in der Novelle der Urgroßmutter zu.

SKEPTIKER                Was schließen wir daraus?

KENNER                     Was ich daraus schließe? Der Text, auf den wir uns besinnen, ist von einem Erzähler fixiert worden, der uns zunächst als Knabe begegnet, dann aber als Erwachsener, ja schon als gealterter Mann, der von Erinnerungen spricht, die reichlich ein halbes Jahrhundert zurückliegen. An diese Version erinnert sich der alte Erzähler lückenlos. Dieser Mann benötigte für sein Schreiben der Kunde. Und damit kann nicht allein, ich wiederhole, die Weichselgeschichte gemeint sein. Sie liegt ja bereits vor. Die eigentliche literarische Leistung des Husumer Dichters besteht darin, dass er die Idee der Rahmenhandlung, die er einer Gespenstergeschichte entnommen hat, mit Leben füllt.

SKEPTIKER                Ah, jetzt verstehe ich, warum diese Version der Urgroßmutter nur im stillen Kämmerlein hinter verschlossenen Türen vorgetragen werden konnte, wo niemand sonst zuhört als das Kind. Weil sie von einer Frau stammt, ist sie ebenso unerwünscht wie die der Wirtschafterin des amtierenden Deichgrafen, Antje Vollmers.

KENNER                     Richtig! Beide Versionen werden dem Leser konsequent vorenthalten.

SKEPTIKER                Donnerwetter, da hat der alte Storm ja etwas hoch Komplexes in die Welt gesetzt! – Was ist dann die Kunde, nach der er in seiner Erinnerung zunächst sucht und sich dann in einem Erinnerungsakt vergewissern muss?

KENNER                     Das ist die rekonstruierte Geschichte von Hauke Haien.

SKEPTIKER                Davon hätte Storm ja ruhig früher erzählen können, denn er hat ja häufig darüber geklagt, dass ihm geeignete Motive für seine Novellen fehlten.

KENNER                     Diese literarische Arbeit gelingt dem Dichter erst im hohen Alter, denn da kann er auf ein langes Leben zurückblicken, in dem er vielfältige Erfahrungen mit Menschen in Nordfriesland gesammelt hat. In seiner Erinnerungsarbeit findet Storm keine fertige Geschichte von Hauke Haien; und auch von Lena Wies kann er sie nicht gehört haben, weil es eine solche Geschichte in Nordfriesland nie gegeben hat. Und so erfindet er eine literarische Figur, die uns als äußerer Rahmenerzähler entgegentritt und zunächst einmal Rechenschaft abgibt über das, was er erzählen will. Seine Erinnerung an die eigene Jugend bedeutet Arbeit für ihn, denn die Erinnerung an das, was ihm damals und in den vielen Jahrzehnten danach kundgeworden ist, fordert große Anstrengungen. Immerhin muss er durch ein ganzes Menschenleben zurückgehen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was einmal geschehen sein könnte, von dem es sich jetzt lohnt, zu erzählen.

SKEPTIKER                Dann war alles, was ihm „kundgeworden“ ist, also die Weichselgeschichte, die historischen Chroniken, die vielen anderen Sachbücher und alle Inhalte aus mündlicher Tradition nur Hilfsmittel beim Schreibprozess?

KENNER                     Ja, für den Autor war dies das Material, aus dem er den literarischen Text komponiert hat. Damit wird der Erinnerung ein höherer Authentizitätscharakter zugesprochen als dem schriftlichen Dokument.

SKEPTIKER                Hm! Sie haben mich in meiner bisherigen Ansicht ordentlich unsicher gemacht, mein Lieber.

KENNER                     Das habe ich auch beabsichtigt. Erinnern Sie sich an unseren Ausgangspunkt?

SKEPTIKER                Ja, Sie hatten behauptet, dass ein bedeutender literarischer Text seine Leser vor Rätsel stellt.

KENNER                     Rätsel sind dazu da, uns beim Lesen auf Trab zu halten und gelöst zu werden.

SKEPTIKER                Und Storms „Schimmelreiter“ wird mir rätselhafter denn je.

KENNER                     Ich dachte, wir hätten auf unsere Fragen auch nachvollziehbar geantwortet.

SKEPTIKER                Aber wir haben uns nicht an allen Stellen einigen können.

KENNER                     Wie heißt es so prägnant in Kafkas Prozess-Roman? „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“ Lassen Sie mir deshalb ein vorläufiges Resümee geben und versuchen unsere Zwischenergebnisse auszuwerten.

SKEPTIKER                Bitte schön.

KENNER                     Der alte Erzähler erinnert sich an einem Tag in seiner frühen Jugend, als er eine Geschichte von einem gespenstigen Reiter gelesen hat. Die dabei anwesende Urgroßmutter, der er in seiner Betroffenheit vielleicht davon berichtete, hat ihm damals viel ausführlicher ihre Geschichte von Hauke Haien erzählt. Und sie hat auch davon erzählt, wie dieser sagenhafte Deichgraf in seiner Mission scheiterte. Daran muss er sich als alter Mann intensiv erinnert haben. Die Wahrheit der Tatsachen kann vom Erzähler zwar immer noch nicht verbürgt werden, doch ihre Präsenz im Gedächtnis wird durch ein zusätzliches Argument qualitativ aufgewertet. Der Erzähler hat sich nicht nur – freilich erfolglos – bemüht, der Quelle nachzuspüren, sondern er hat sie niemals aus dem Gedächtnis verloren, (Zitat) „obgleich sie durch keinen äußeren Anlass in mir aufs Neue belebt wurden“. Damit wird – ich wiederhole es noch einmal – der Erinnerung ein höherer Authentizitätscharakter zugesprochen als dem schriftlichen Dokument.

SKEPTIKER                Diesem Argument kann ich zustimmen.

KENNER                     Dann erscheint Ihnen vielleicht auch mein zweites Argument plausibel.

SKEPTIKER                Und das lautet?

KENNER                     Die fiktive mündliche Tradition des äußeren Rahmenerzählers entspricht genau derjenigen des Schulmeisters, der im inneren Erzählrahmen betont, es sei eine „Kunst“, seine Erinnerung an Hauke Haien ohne Aberglaube zu erzählen, denn die Tatsachen, von denen er dem Erzähler der zweiten Ebene so erzählt, wie er „sie nach bestem Wissen nur berichten konnte“, stammen ausschließlich aus einander zum Teil widersprechenden mündlichen Traditionen.  

SKEPTIKER                Ja, das sehe ich auch so. Der Schulmeister hat den Deichgrafen Hauke Haien auch nicht gekannt, er kann also lediglich das erzählen, was ihm mündlich zugetragen wurde. Darauf verweist der Schulmeister selbst, wenn er daran erinnert, − warten Sie einmal… hier steht es: „daß (er) das bisher Berichtete während (s)einer fast vierzigjährigen Wirksamkeit in diesem Kooge aus den Überlieferungen verständiger Leute oder aus Erzählungen der Enkel und Urenkel solcher zusammengefunden habe“. Auch er kann auf keine schriftlichen Dokumente über dessen Leben und Wirken zurückgreifen.

KENNER                     Schriftlichkeit bürgt für Zuverlässigkeit und bleibt allein dem Erzähler aus dem äußeren Rahmen vorbehalten. Aus dem Erinnerten entsteht „Der Schimmelreiter“ als literarischer Text, der uns schriftlich fixiert vorliegt. Er wird dadurch, wie Sie zu Beginn sagten: „geadelt“.

SKEPTIKER                Dann werden wir uns den Haupterzähler, den Schulmeister, genauer ansehen müssen. Meinen Sie nicht?

KENNER                     Lesen Sie uns doch einmal diesen Abschnitt aus der Novelle vor.       

SKEPTIKER                Sie meinen diesen?

KENNER                     Ja, es ist die Stelle im Erzählrahmen, wo einer der Männer ins Wirtshaus hereinstürmt und dem Deichgrafen berichtet, er habe den Schimmelreiter gerade leibhaftig gesehen. Sie erwähnten die Stelle bereits – also von da bis da.

SKEPTIKER                Mich wollte nachträglich ein Grauen überlaufen: „Verzeiht!“ sprach ich, „was ist das mit dem Schimmelreiter?“

                                      Abseits hinter dem Ofen, ein wenig gebückt, saß ein kleiner hagerer Mann in einem abgeschabten schwarzen Röcklein; die eine Schulter schien ein wenig ausgewachsen. Er hatte mit keinem Worte an der Unterhaltung der Anderen teilgenommen; aber seine bei dem spärlichen grauen Haupthaar noch immer mit dunklen Wimpern besäumten Augen zeigten deutlich, daß er nicht zum Schlaf hier sitze.

                                      Gegen diesen streckte der Deichgraf seine Hand: „Unser Schulmeister“, sagte er mit erhobener Stimme, „wird von uns hier Ihnen das am besten erzählen können; freilich nur in seiner Weise und nicht so richtig, wie zu Haus meine alte Wirtschafterin Antje Vollmers es beschaffen würde.“

                                      „Ihr scherzet, Deichgraf!“ kam die etwas kränkliche Stimme des Schulmeisters hinter dem Ofen hervor, „daß Ihr mir Euern dummen Drachen wollt zur Seite stellen!“

                                      „Ja, ja, Schulmeister!“ erwiderte der Andere; „aber bei den Drachen sollen derlei Geschichten am besten in Verwahrung sein!“

                                      „Freilich!“ sagte der kleine Herr; „wir sind hierin nicht ganz derselben Meinung“; und ein überlegenes Lächeln glitt über das feine Gesicht.

                                      „Sie sehen wohl“, raunte der Deichgraf mir ins Ohr; „er ist immer noch ein wenig hochmütig; er hat in seiner Jugend einmal Theologie studiert und ist nur einer verfehlten Brautschaft wegen hier in seiner Heimat als Schulmeister behangen geblieben.“

                                      Dieser war inzwischen aus seiner Ofenecke hervorgekommen und hatte sich neben mir an den langen Tisch gesetzt. „Erzählt, erzählt nur, Schulmeister“, riefen ein paar der Jüngeren aus der Gesellschaft.

                                      „Nun freilich“, sagte der Alte, sich zu mir wendend, „will ich gern zu Willen sein; aber es ist viel Aberglaube dazwischen, und eine Kunst, es ohne diesen zu erzählen.“

                                      „Ich muß Euch bitten, den nicht auszulassen“, erwiderte ich; „traut mir nur zu, daß ich schon selbst die Spreu vom Weizen sondern werde!“

KENNER                     Danke. Dieser Textauszug vom Anfang der Novelle zeigt, dass Storm die dreifache Erzählerfiktion, also den Erzähler des äußeren Rahmens, den Reiter, der im Wirtshaus absteigt, und den Schulmeister nun um eine weitere ergänzt; der Schulmeister wird nämlich in einem Atemzuge mit der alten „Wirtschafterin Antje Vollmers“ genannt. Diese repräsentiert die einfachen Leute vom Lande, die von Hauke Haien – genau wie der Schulmeister – nur aus älteren Erzählungen wissen; im Gegensatz zu diesem glauben sie aber an Spuk und an Übernatürliches und sie würde daher das Vergangene in ganz anderer Weise erzählen als er. Selbst der Schulmeister, der vom Deichgrafen gerade als Gelehrter charakterisiert wurde und später der Aufklärung zugerechnet wird, relativiert das, was er zu erzählen beabsichtigt, mit dem Hinweis, dass viel Aberglaube dazwischen sei, und erst der Kaufmann, der Erzähler der zweiten Ebene also, traut es sich zu, die Spreu vom Weizen zu sondern.

SKEPTIKER                Eine ähnliche Konstellation von Aufklärung und Aberglauben finden wir auch innerhalb der Erzählung wieder; dort stehen sich der rational kalkulierende Hauke Haien und einige Knechte und Mägde gegenüber, die in einem „Konventikel“ eine Mischung von Aberglauben und radikalem Pietismus praktizieren.

KENNER                     Dieser Aspekt ist symptomatisch: Der Schulmeister erzählt Hauke Haiens Biografie selbst, weil er sonst niemandem – vor allem nicht der Wirtschafterin – überlassen will, weder über Inhalte noch über die Erzählstrategie zu entscheiden. Durch diese Wortergreifung kann er die Version der Wirtschafterin vollends diffamieren, denn er befürchtet, dass sie für Hauke Haiens Biografie auf nur irrationale Elemente zurückgreift und der Macht des Irrationalen Tür und Tor öffnet. Durch diese Erzählabsicht erscheint Hauke Haien in der Erzählung des Schulmeisters einerseits als vernünftiger Neuerer und vorausdeutendes Genie, andererseits aber auch als unheimlicher Teufelsbündner, wie er von den abergläubischen Mägden und Knechten gesehen wird. Beide Sichtweisen werden in der Erzählung kunstvoll miteinander verflochten, und der zuhörende Reisende erklärt dem Leser nicht, ob und wie es ihm gelungen ist, die „Spreu vom Weizen“ zu trennen.

SKEPTIKER                Nach welchen Kriterien sollte er es auch tun?

KENNER                     Bleiben wir beim Schimmelreiter! Am Ende der Erzählung des Schulmeisters bleibt als einzige Gewissheit, dass die Körper Haukes und der Seinen verschwunden blieben, nicht einmal Gräber gibt es von ihnen.

SKEPTIKER                Hat es also Hauke Haien nie gegeben, ich meine nicht in der Wirklichkeit, er ist ja eine erfundene Figur. Nein, ich meine: Hat es ihn auch nicht innerhalb der fiktiven Welt gegeben, von der der Schulmeister erzählt?

KENNER                     Für die Beantwortung dieser Frage müssen wir uns den Schulmeister genauer anschauen. Er gilt als gebildet und als Aufklärer. Dieses ewige Gerede um einen Wiedergänger, der von den Dorfbewohnern bemüht wird, sobald sie Angst vor Deichbrüchen haben, kann ihm nur ein Dorn im Auge sein. Seine einzige Waffe ist es, die fiktive Biografie eines Deichgrafen zu konstruieren und zu präsentieren, die die schon bestehende Sage verdrängen, entmachten, ja ersetzen soll. Er entwirft mit den Elementen der mündlichen Tradition – mehr hat der Schulmeister auch nicht zur Verfügung – eine glaubwürdige und realistische Figur, die jeden Grund hätte, bei Sturm wiederzukehren. Der Schulmeister verschafft diesem Gespenst, auf das der Deichreiter stößt, eine bürgerliche Existenz, die so beschaffen ist, dass sie eine Kultfigur rechtfertigt. Der Schulmeister verdreht also mit dieser Biografie die zu erwartende chronologische Reihenfolge. Statt von einem historischen Deichgrafen auszugehen, wird erst im Nachhinein eine glaubwürdige Figur erfunden, bloß als Reaktion auf die um sich greifende Geschichte, die im Volksmund tradiert wird. Seine Realität ist lediglich eine pure Erfindung des Schulmeisters. Am Ende glaubt jeder aufmerksame und vernünftige Leser der Novelle, dass eine so starke Persönlichkeit wirklich existiert haben muss. Wie viele Husum-Touristen sind erstaunt zu hören, dass noch keine Statue zum Andenken an Hauke Haien errichtet wurde.  

SKEPTIKER                Langsam! Sie behaupten, dass der Schulmeister die Biografie von Hauke
Haien erfunden hat. Was haben dann die anderen erzählt? Die Frauen wie Antje Vollmers und die Urgroßmutter?

KENNER                     Es wird in der Novelle lediglich suggeriert, dass Frauen die Biografie des Deichgrafen auch erzählen könnten, nur mit mehr Erfindungsgeist.

SKEPTIKER                Also kursieren mehrere Versionen derselben Figur: eine über das Gespenst des unglückseligen Teufelsbündners sowie eine über Hauke Haien, den genialen Techniker, der wegen der sozialen Starrheit der Dorfbewohner versagen musste.

KENNER                     Genau. Die Gespensterepisode am Deich gibt also dem Schulmeister nur den Erzählanlass für eine Geschichte, die realistischen Charakter haben muss, um glaubwürdig zu sein. Damit wird die Wiedergängermaschinerie demontiert und sie müsste sich im Nachhinein als reines Produkt der Fantasie erweisen. Für das gebildete Publikum, für das der Deichreiter im öffentlichen Krug symbolisch steht, erzählt der Schulmeister dank seiner Autorität meisterhaft eine Biografie Hauke Haiens, die lediglich tumbe Bauern und Kinder verunsichert, wenn sie von Antje Vollmers oder von der Urgroßmutter Feddersen im einsamen bürgerlichen Raum stammen würde. Aber gerade letztere zeitigt schriftliches Erzählen.

SKEPTIKER                Damit wird mir die Funktion der Gespenstererscheinung klarer.

KENNER                     Spuren, die von der Existenz Hauke Haiens künden, sind nur Fakten wie der Deich und Fantasieprodukte von Menschen; letztere ließ sich aber auch im komplexen Erzählvorgang nicht in Gewissheit und Vermutung, in wirklich Geschehenes und bloß Phantasiertes trennen. Denn für jeden vernünftig denkenden Menschen bleibt die Existenz dieses Gespenstes nach wie vor rätselhaft und muss hinterfragt werden. Denn sie setzt einen lebendigen, wenn auch gescheiterten Deichgrafen voraus. Die Vernunft sagt uns: ohne Deichgraf kein Gespenst. Was hat dann der Deichreiter an diesem ominösen Abend auf dem Deich erlebt? Vielleicht handelt es sich doch um irgendein einsames Gespenst, das seinen Weg zurück zur Wehle sucht?

SKEPTIKER:               Hm, hm, in der Tat, Rätsel über Rätsel… Und welche Funktion sehen Sie in diesem Gespenst, wenn es nicht der Schimmelreiter ist?

KENNER                     Erinnern Sie sich? Wir sprachen gerade von „Demontage der Wiedergänger-maschinerie“. Das ist das Schlüsselwort. Gespenster generieren Sagen und animieren die Fantasie. Die Identifikation Gespenst-Schimmelreiter entsteht nur in der Fantasie der Marschbewohner. Sie brauchten ein Gespenst, das ihnen bei Sturm hilft, sich solidarisch zu verhalten, wenn die Deiche zu brechen drohen. Das Erlebnis des Deichreiters kam ihnen zupass. Für sie im Krug kann es in dem Moment nur der Schimmelreiter sein.

SKEPTIKER                Der Spuk muss auch nicht an der Stelle am Deich erscheinen, die tatsächlich bricht.

KENNER                     Warum auch? Es ist nicht seine Aufgabe. Dabei lässt der Text selbst diese Schlussfolgerung zu. Als der amtierende Deichgraf am Ende der Novelle in den Gasthof zurückkehrt, relativiert er gegenüber dem Reisenden – und dem Leser – die Erzählung des Schulmeisters auf seine Weise mit einem lapidaren Kommentar, und zwar kurz bevor der Deichreiter Abschied nehmen wird. Lesen Sie doch den Schluss einmal vor. Es wird Sie überzeugen.

SKEPTIKER                „Alles vorüber!“ sagte er. „Aber unser Schulmeister hat Ihnen wohl schön was weis gemacht; er gehört zu den Aufklärern!“

                                      − „Er scheint ein verständiger Mann!“

                                      „Ja, ja, gewiß; aber Sie können Ihren eigenen Augen doch nicht mißtrauen; und drüben an der anderen Seite, ich sagte es ja voraus, ist der Deich gebrochen!“

                                      Ich zuckte die Achseln: „Das muß beschlafen werden! Gute Nacht, Herr Deichgraf!“

KENNER                     Damit lässt Storm den Leser vollends im Unklaren darüber, ob die Ereignisse, die vorher mit dem Namen Hauke Haien in Verbindung gebracht wurden, der Sphäre der nüchternen Aufklärung angehören, oder ob sie nur Ausgeburten einer abergläubischen Phantasie sind. Und da der Reisende selber bloß irgendein Gespenst wahrgenommen hat, bleibt für den Leser die Frage nach der Existenz Hauke Haiens offen. Die andere Möglichkeit, an die Nichtaufgeklärte glauben, gewinnt durch den Erzählakt sogar noch an Wahrscheinlichkeit.

SKEPTIKER                Jeder erzählt also von Hauke Haien so, wie er ihn sieht; jeder dieser Erzählansätze wird wieder relativiert, obwohl Storm seine Erzähler im Prozess des Erzählens sich des Erzählten mehrfach vergewissern lässt.

KENNER                     Genau. Und das Mittel, um den Leser schließlich im Unklaren zu lassen, ist die Fiktion des mündlichen Erzählens. Sie eröffnet unterschiedliche, ja konträre Deutungsmöglichkeiten.

SKEPTIKER                Und ich dachte immer, der Erzählvorgang diene dazu, dass sich der Erzähler vergewissert, was eigentlich geschehen ist.

KENNER                     Vorsicht, mein Lieber! Mit der Fixierung einer Erzählung als Text und mit ihrer Veröffentlichung wird Oralität nicht immer endgültig in Literalität überführt; Storm sammelte als junger Mann mündliches Erzählgut seiner Heimat nicht nur, um es in einer regionalen Sagensammlung als Literatur zu dokumentieren und ihm einen angemessenen Platz innerhalb der Kulturgeschichte des deutschen Sprachraums zuzuweisen, sondern er benutzt es auch als Material, das von ihm nach der ersten Überführung in ein handschriftliches Manuskript in unterschiedlicher Weise literarisch verwendet wird.

SKEPTIKER                Der Grad der Veränderung vorgefundenen Textmaterials spiegelt die zunehmende erzählerische Souveränität des Autors; das zeigt sich, wenn wir Storms Leben und Werk überblicken.

KENNER                     Aber selbst innerhalb eines fixierten literarischen Textes, der den Prozess hin zum „Werk“ durchlaufen hat, kann das Verhältnis von Mündlichkeit zur Schriftlichkeit so in der Schwebe gehalten werden, dass der Textsinn mehrdeutig bleibt. Storm führt uns das im „Schimmelreiter“ durch eine komplexe Erzählstruktur vor. Der zweite Teil dieses Rahmens ist die logische Fortsetzung des ersten: Nach der einsamen Begegnung am Deich ist der Reiter nun unter Menschen. Sie befürchten alle, dass der Schimmelreiter durch sein Erscheinen einen Deichbruch ankündigen wird.

SKEPTIKER                Nur einer hält solche Geschichten für Altweiberglauben aus einer anderen Epoche, der Schulmeister.

KENNER                     Für die Interpretation der Novelle ist dieses Erlebnis eines Ortsfremden nicht ohne Bedeutung: Aus dem ersten Rahmen erfährt der Leser, dass auch die Berichte aus uralten Zeiten sich in der Erzählgegenwart emotional als brennend aktuell erweisen können, gerade wenn sie mündlich tradiert sind. Im Dorfkrug setzt sich diese Auseinandersetzung mit der Deicherscheinung fort: Vor Schrecken wagen es die meisten Gäste nicht, sich in die Diskussion einzumischen und verstummen lieber, während der Deichgraf, der als ein stattlicher und selbstbewusster Mann vorgestellt wird, den Reiter über die prekäre Lage an der Küste informiert, wenn es im Herbst stürmt.

SKEPTIKER                Er bittet doch den Schulmeister, dem Ankömmling ausführlich vom Leben dieses Schimmelreiters zu erzählen, oder?

KENNER                     Nach den Aussagen des Deichgrafen können zwei Erzählinstanzen eine je zutreffende Version anbieten. Beide verdienen für ihre gleichwertige Version dasselbe Qualitätsprädikat, wie es die zweifache Wiederholung von „am besten“ im Text nahe legt: Die eine ist die des Schulmeisters, er wird als strenger Junggeselle und ehemaliger Theologiestudent vorgestellt, der mit der Versuchung des Aberglaubens schon fertig wird; Antje Vollmers hingegen, die Wirtschafterin des Deichgrafen, würde als „dummer Drache“ eine Version vorlegen, die für derlei Geschichten ebenso angemessen ist. Über die Kriterien, die für die der Wahrheit dienende Form der Darstellung entscheiden könnten, schweigt sich der Text aus. Der Deichgraf enthält sich der Meinung über die, die er selbst bevorzugt, und der Reiter bittet den Schulmeister, Hauke Haiens Biografie ohne Zensur wiederzugeben. Die Version der Wirtschafterin wird sich der Reiter allerdings nicht anhören können. Sie gilt in dieser ach so vernünftigen Männerwelt als nicht hoffähig.

SKEPTIKER                Das stimmt, erzählt wird von Männern in einer Männerwelt. Mir fällt gerade auf, dass selbst Trin' Jans, die alte Magd in der Welt von Hauke Haien, ihre Geschichte vom Wasserweib gar nicht richtig erzählen kann. Sie scheitert schon im Ansatz.

KENNER                     Wenn Sie genau in den Text schauen, dann werden Sie Hinweise dafür finden, dass sie von Hauke – also von einem dominierenden Mann – am Erzählen gehindert wird. Er herrscht sie nämlich an (Zitat) : „Hab ich Ihr nicht geboten, Ihre Mären für sich zu behalten, oder sie den Gäns' und Hühnern zu erzählen?“

SKEPTIKER                Signalisiert uns der Text da nicht eins: Bei der Erzählung der alten Trin‘ Jans zum Beispiel handelt es sich um Spreu, da lohnt es sich gar nicht, zuzuhören?

KENNER                     Genau das soll Haukes Einwand bedeuten, denn die Magd verweist ausdrücklich auf die Quelle ihrer Kunde: „das hat mein Großohm mir erzählt.“ Und als Hauke verwundert fragt: „Ihr Großohm, Trin'? Sie wollte es ja eben selbst erlebt haben“, kontert die Alte: „Das ist egal“ […] „aber Ihr glaubt nicht, Hauke Haien“. Die Männer im nächtlichen Wirtshaus hätten den Erzählungen der Frauen, die ja als Erzählinstanzen nicht zugelassen sind, wie wir festgestellt haben, glauben müssen. Aber das kann der vermeintlich aufgeklärte Schulmeister natürlich nicht und auch vom nüchternen Reiter ist es nicht zu erwarten. Dieser bittet nach seiner Erfahrung auf dem Deich, dass man ihm zutrauen solle, - wie Storm es seinem Leser zutraut – seine geistige Mündigkeit unter Beweis zu stellen, wenn es darum geht, (Zitat) „selbst die Spreu vom Weizen zu sondern“. Für „glauben“ ist da kein Platz, denn auch der gespenstige Reiter wurde vom ihm leibhaftig sozusagen gesehen!

SKEPTIKER                Spielt der Reiter dabei nicht die Rolle des Tertium comparationis der antiken Logik?

KENNER                     So könnte man es sagen. Um dem Leser einen zuverlässigen Vergleichspunkt zu gewähren, der eine sachliche Entscheidung ermöglicht, muss der Schulmeister einen glaubwürdigen Zeugen und Zuhörer haben, der in einer Person sowohl die Existenz des Spuks aus eigener Erfahrung beglaubigen als auch einen sachlichen Blick auf die erfahrbare Wirklichkeit werfen kann. Diese Rolle steht ihm zu, weil er als Ortsfremder genug Distanz hat, um die Situation sachlich-neutral zu beurteilen.

SKEPTIKER                Der Schulmeister gibt seine Biografie Hauke Haiens also unbereinigt wieder, so dass bis zum Ende der Novelle die Frage für den Reiter ungeklärt bleibt, ob es sich um eine Halluzination oder um die Wiederkunft eines eventuellen historischen Schimmelreiters handelt.

KENNER                     Die Frage, ob es sich um echte Gespenster oder doch nur um Altweiberglauben handelt, bleibt bis zum Ende offen, in der Binnenerzählung wird die Frage nicht aufgeworfen. Für den Schulmeister steht seine Entscheidung unverändert fest, mit der Vernunft lässt sich das alles nicht vereinbaren.

SKEPTIKER                Aber da muss ich Ihnen widersprechen. Wenn ich mich genau erinnere, so wollte ursprünglich laut Manuskript der Schulmeister auf die Einwendung des Reiters, er habe die Gespenster-Erscheinung doch mit eigenen Augen gesehen, auch eine rationale Erklärung angeben. Demnach lebte auf einem der benachbarten Marschhöfe ein alter wunderlicher Junggeselle, der bei Sturm auf den Deichen hin und wieder reitet und der möglicherweise dazu sogar einen Schimmel besteigt.

KENNER                     Soweit, so gut, hätte Theodor Storm diese Stelle nicht gestrichen, als er kurz vor der Drucklegung der ersten Zeitschriftenfassung der Novelle eine Szene verwarf, in der ein abergläubischer Knecht des Deichgrafen seine Version von Haukes Ende einbringt. Dieser behauptet gegenüber Vollina, der Ehefrau von Haukes Gegenspieler Ole Peters, er habe mit eigenen Augen gesehen, wie der Teufel den Deichgrafen geholt hat (Zitat): „ein schwarzes Unding war über ihm und hielt ihn in seinen Krallen“. Diese Szene stellt den Höhepunkt in einem Prozess der Dämonisierung dar, durch den ein Teil seiner Gegner den Deichgrafen in den Geruch des Teufelsbündners bringen wollen.

SKEPTIKER                Sie haben Recht; mit der Streichung beabsichtigte Storm nach eigenem Bekunden, die Erzählung nüchterner zu gestalten, aber er überlässt dem Leser die Entscheidung über die extreme Konfrontation von Rationalismus und Aberglauben in der Erzählung des Schulmeisters zugunsten einer vernünftigen Begründung, die der Tradition der Aufklärung folgt.

KENNER                     Aber dadurch dass Storm nicht allein die theatralische Teufelserzählung des tumben Knechts streicht, sondern auch das Angebot des Schulmeisters, der für diese unrealistische Erscheinung zu Beginn des Erzählrahmens eine ganz nüchterne Ursache vorschlägt, hinterlässt er dem aufmerksamen Leser ein Problem.

SKEPTIKER                Ja, eben die Frage, wieso dieser Reiter ein Gespenst sehen konnte.

KENNER                     Ein Gespenst, ja, ohne Wenn und Aber, aber nicht Hauke Haien. Davon ist nur in der Version des Schulmeisters und in der Mythologie der Marschbauern die Rede. Den Wiedergänger haben sich abergläubische Marschbewohner vor fast einem Jahrhundert ausgedacht und dann von Generation zu Generation weiter erzählt.

SKEPTIKER                Es ist immerhin denkbar, dass eine gespenstische Gestalt auf dem Deich geritten ist. Deshalb konnte der Deichreiter sie auch sehen, ohne je von dieser Sage gehört zu haben.

KENNER                     Na, sehen Sie! - Storm hat zwar seinen letzten Kommentar dazu gestrichen, das gehört jedoch zu seinem Weltbild. Ich zitiere: „Aber – einerlei, mag reiten wer da will, nur den Deichgraf Hauke Haien laßt mir aus dem Spiel; der hat wie kaum ein Anderer seine Ruh‘ verdient!“ Das bestehende Fragezeichen über die Qualität solcher Erfahrungen macht gerade das Fantastische aus.

SKEPTIKER                Der „Schimmelreiter“ ist also in Ihrer Lesart eine Phantasie-Story.

KENNER                     Ich möchte sie eine „phantastische Geschichte“ nennen, die den Leser mit einigen offenen Fragen zurücklässt.

SKEPTIKER                Mir scheint am Ende der Novelle aber alles klar zu sein: Nach der sicheren Übernachtung im Krug kann der Geschäftsmann am nächsten Morgen seinen Ritt Richtung Stadt fortsetzen.

KENNER                     Er wählt den Umweg über den Deich um den Hauke-Haien-Koog, so dass er beide Extreme im Kontrast bei vollem Sonnenschein und mit innerer Ruhe deutlich und bewusst wahrnehmen kann: in der Mitte zwischen der gefährlich bleibenden Wasserseite und dem erfolgreich geschützten Koog. Für das Selbstverständnis des Deichreiters ist der Wechsel vom bedrohlichen Sturm am Abend zuvor und der glänzenden Sonne am nächsten Morgen ein Zeichen für die Einsichten, die ihm der Schulmeister durch Hauke Haiens Biografie vermittelt hat. Er ist nicht mehr der „Narr“, wie er sich selbst wenige Stunden zuvor noch genannt hat, als er beschloss, das Gasthaus anzusteuern, sondern ein Mann, der die unlösbaren Seiten des Lebens durch aktives und offenes Zuhören in seine Person integriert hat und der wegen seiner skeptischen Grundhaltung als einziger in der Novelle den Titel Aufklärer verdient. Die aufklärerisch-gefärbte Darstellung des Schulmeisters, der seinem Zuhörer den Anteil an Aberglauben nicht ausgespart hat, hebt die Frage nach der Existenz von Wiedergängern und Gespenstern nicht auf.

SKEPTIKER                Dann bleibt der Beitrag des Schulmeisters lediglich als  e i n e  Antwort neben anderen weiterhin stehen.

KENNER                     Zur Frage nach der Existenz des Spukes hüllt sich der Reiter als Sprachrohr Storms in ein sokratisches Schweigen: Ohne sich weiter dazu zu äußern, verlässt er die Wildnis und setzt seine Reise ohne Hast „beim goldensten Sonnenlichte“ fort „über den Hauke-Haien-Deich zur Stadt hinunter“, um dort seine Geldgeschäfte wahrzunehmen.

SKEPTIKER                Sie sprachen gerade von dem „sokratische[n] Schweigen“. Was meinen Sie damit?

KENNER                     Erinnern Sie sich an diese Worte des Schulmeisters? Der sagt zum Erzähler: „denn so ist es, Herr: dem Sokrates gaben sie ein Gift zu trinken, und unseren Herrn Christus schlugen sie an das Kreuz! Das geht in den letzten Zeiten nicht mehr so leicht; aber einen Gewaltmenschen oder einen bösen stiernackigen Pfaffen zum Heiligen, oder einen tüchtigen Kerl, nur weil er uns um Kopfeslänge überwachsen war, zum Spuk und Nachtgespenst zu machen – das geht noch alle Tage.“

SKEPTIKER                Hm. Hauke Haien mit Sokrates und Jesus Christus zu vergleichen, das greift schon sehr weit!

KENNER                     Aber niemand hat Storm bisher diesen Vergleich übel genommen. Und Sie sollten eins bedenken: Von diesen beiden historischen Gestalten sind auch keine schriftlichen Texte überliefert.      -  kurze nachdenkliche Pause     -  

SKEPTIKER                Ihre Botschaft höre ich wohl, nur – am Schluss bleibt der Leser doch mit seinen Fragen allein.

 

Der Dialog wurde von den Verfassern auf der Tagung der Theodor-Storm-Gesellschaft in Husum 2010 vorgetragen.
Druck In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 59.2010, S. 21-43.