Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

126. Gerhard E.                                                Elixhausen, 27.7.65

Vielen Dank für Deinen lieben Brief! Ich habe endlich heute Nacht Zeit gefunden, Dir zu schreiben. Wir sind hier von 7.00 bis 24.00 Uhr beschäftigt, die Mittagsruhe wird entweder zum Schlafen oder zum Hemdenwaschen benutzt. Drei Nächte haben wir schon in Salzburg verlebt. Ich bin noch nie vor 3.00 Uhr ins Bett gekommen. Du kannst Dir vorstellen, daß ich zu Hause Erholung benötige! Wir wohnen hier 8 km von Salzburg entfernt mit wunderbarem Ausblick auf die Alpen.

Bisher war das Wetter immer gut, jetzt regnet es aber.

Mit meiner Gruppe komme ich wunderbar aus, die Gruppe wird von allen anderen Helfern gelobt.

Neulich habe ich meine Jungen eine Gruselgeschichte vorgelesen. Seit der Zeit brauche ich nur aufzutauchen, umringen mich schon die Mädchengruppen, um Gruselgeschichten zu hören. So kommt es denn, daß Gerhard mit einem Gruselbuch bewaffnet, einem Glas Wasser gegen Heiserkeit und einer Schachtel Zigaretten gegen Müdigkeit bewaffnet inmitten dreißig Kinder sitzt, und sich bemüht, eine gruslige Atmosphäre heraufzubeschwören. Abends bin ich todmüde. Ich finde einfach keine Zeit zum Schreiben. Diese Schmierereien entstehen jetzt gerade im Bett, während neben mir Wolfgang Eichen durchsägt.

Ich wüßte, wen ich lieber neben mir hätte!

Ein schwarzes Schaf haben wir beiden Helfern doch. Das „Mädchen“ heißt Inge und ist augenblicklich trotz Verbots unseres Leiters wieder auf Achse. Nach der Methode „Du zahlst in teuren Lokalen, ich im dunklen Wald“ nimmt sie wohl wieder einen Typ aus. Soetwas zerstört die ganze Freude des guten Miteinanderauskommens. Doch laßt die Fremden fremde Dinge tun!

Abends wünsche ich mir immer, mit Dir zusammen sein zu könne. Verflucht seien Deine urlaubsfreudigen Eltern!

Viele liebe Grüße und Küsse

Dein Gerhard.

[Anlage]