Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

166. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, den 15.1.67

Mein Liebling!

Vielen Dank für Deinen Brief und die Mühe, die Du wegen der Bahnanschlüsse hattest.

Anrufen kann ich Dich von hier leider nicht; so müssen wir und auf schriftlichen Verkehr beschränken. Ich bitte Dich, auch nicht anzurufen, denn wir erleben es täglich, daß der UVD (sprich Unteroffizier vom Dienst) einen Rekruten, der gerade unter der Dusche steht, zum Telephon ruft.

Wenn ich am 3. Februar nach Hause komme, holt mich mein Vater um 23.00 in Köln ab und wir haben den ganzen Samstag und fast den ganzen Sonntag für uns. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich schon freue, Dich wiederzusehen. Jetzt habe ich mich etwas an das Leben hier gewöhnt; gestern unterhielten wir uns nach Dienst mit unserem Leutnant, der auch nach dem Abitur drei Jahre dient und im März fertig ist. Nach der Grundausbildung hier, die am 20. März zu Ende ist, werde ich in eine Stammkompanie (Artillerie) versetzt. Dort erfolgt die Vollausbildung (6 Monate). Ich als Offizieranwärter habe nebenbei 1½ Monate Fahrausbildung und werde die Führerscheine für Krad, Wagen bis 4,5 t und Kettenfahrzeuge bis etwa 14 t erwerben. Anschließen besuche ich einen Fahnenjunkerlehrgang und werde Anfang Juli Gefreiter. Nach zehn Monaten erfolgt die Ernennung zum Fahnenjunker. Ich vermute, daß ich jetzt nach der Grundausbildung nach Wetzlar oder Koblenz verletzt werde und einen Lehrgang in Idar-Oberstein mitmache.

Im nächsten Jahr besuche ich die Heeresoffizierschule und kann bei erfolgreicher Teilnahme und guter Führung nach 22-24 Monaten mit dem Fähnrich rechnen. Zum Leutnant werde ich erst am Tage meines Dienstaustritts ernannt, werde aber als Oberfähnrich etwa ein halbes Jahr die gleichen Aufgaben haben, wie jetzt ein Leutnant. Finanziell gibt es kaum einen Unterschied.

Ich schrieb schon über da gute Essen hier. Als Beispiel will ich Dir schildern, was heute Mittag auf meinem Tisch stand. Dabei war allerdings bereits das Abendessen, das am Wochenende bereits mittags ausgeteilt wird.

Vorsuppe, Kartoffeln, Sauce, ein Schnitzel, Pflaumen als Nachtisch, Brot, Margarine, 2 gekochte Eier, 1 Stck. Rotwurst, 1 Dose Fisch, ¼ l Milch, 3 Teilchen.

Da staunst Du, was? Alle Soldaten, auch die Offiziere, sagen, das Essen hier sei das beste, das die Bundeswehr überhaupt ausgibt. Morgens gibt es sogar zwei frische Brötchen, dazu zwei Sorten Marmelade, Honig, 1 Stck. Wurst oder ein Ei.

Wenn Du nach einem Jahr in England wieder in Deutschland bist, ist das sehr schön, aber überlege Dir das gut.

Ein Aufenthalt in Frankreich ist durch keine noch so gute Schule zu ersetzen. Außerdem ist es völlig offen, wo ich 1968 und 1969 stationiert sein werde. Also sehen wir uns vielleicht nur einmal im Monat. Dann ist es vielleicht doch besser für Dich, ein Jahr in Frankreich zu leben. Außerdem brauchst Du Dich mit Deiner Ausbildung nicht zu beeilen, Du bist doch früher fertig als ich.

Angst um mich brauchst Du nicht zu haben, weibliche Wesen gehören hier zu den Raritäten. Das nächste Dorf besteht aus 12 Häusern!

Nächste Woche erwartet uns eine harte Ausbildung, da der Schnee geschmolzen ist und nun alles verschlammt.

Bitte schreib mir bald, ich antworte Dir dann am nächsten Sonntag.

Viele Grüße und tausend Küsse

Von Deinem Gerhard.