Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

168. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, 19.1.67

Mein lieber Schatz!

Heute abend hat mich der Stubendienst auf mein Bett gescheucht und ich will die Zeit nutzen, um Dir weiter zu berichten. Nach der schon erwähnten Schießausbildung ging es gestern mit Sport weiter (Geräteturnen, Gymnastik und Nahkampfabwehrgriff). Nach dem Mittagessen gingen wir wieder mit vollem Gepäck zur Schießausbildung hinaus. Anschließen war Formalausbildung (Exerzieren): Wenden und grüßen. Nach dem Abendessen marschierten wir wieder mit vollem Gepäck etwa 1 km durch die Dunkelheit und hörten und sahen eine Kampfvorführung bei Nacht, die etwa eineinhalbe Stunde dauerte. Das eindruckvollste war die Detonation einer Übungsmine in etwa 100 m Entfernung. Anschließend plumpsten wir todmüde in die Betten.

Doch das dicke Ende kam heute!

Nach einer Unterrichtsstunde gings zum erstenmal hinaus zum Scharfschießen. Jeder hatte auf 200 m 5 Schuß in ein Quadrat abzugeben. Der Lärm ist ganz schön stark gewesen. Die weitesten Einschüsse lagen bei mir 25 cm auseinander. Beim Besten 8 cm, beim Schlechtesten 40 cm bei nur drei Treffern! Dann hat man uns „vergast“, d.h. wir mußten mit Gasmasken in einen Bunker, der mit Tränengas gefüllt war. Dort wurden die Masken geprüft. Erst liefen wir mit voller Ausrüstung im Kreis, um außer Atem zu kommen, dann wurden die Filter gewechselt. Dabei kommt man leicht in Panik.

Als das Mittagessen beendet war, marschierten wir mit der vorgestern beschriebenen Ausrüstung 10 km durch morastiges Gelände: im Gleichschritt, zwei Stunden lang: O Wunder, ich habe keine Blasen!

Müde bin ich allerdings, wie Du Dir vorstellen kannst. Wenn die Stube gleich wieder so sauber ist, wie wir, sollen wir uns noch ein Stündchen zusammensetzen und ein paar Dosen Bier trinken.

Samstag ist auch bis 16.00 Uhr Dienst und jeder Woche eine Nahtübung, dabei spricht man immer von einer 45 Stundenwochen für Soldaten. Wir hörten heute, daß der Hauptmann befohlen habe, nur alle drei Wochen Urlaub zu gewähren. Da wir beim erstenmal Bereitschaft haben, kann es sein, daß ich erst Mitte Februar nach Hause komme. Ich hoffe, daß das zu Karneval sein wird. Wenn ich kann, komme ich auf jeden Fall am 3. Wir hoffen sogar, bis Montag den 6. frei zu kriegen.

Was ich zu Hause vor allem machen werde, ist ordentlich auszuschlafen, denn wir werden hier sogar Sonntags um 6 geweckt.

Das ist alles, was ich heute zu berichten weiß. Du fehlst mir sehr, in der Woche wird mir das nicht so bewußt, aber am Wochenende, wenn ich Zeit habe umso mehr. Wenn ab nächste Woche Wochenendausgang ist, merke ich das noch mehr, denn dann bin ich alleine hier, da alle aus meiner Stube in der Nähe wohnen..

Bitte denk mal an mich, wenn Du um 5 Uhr aufwachen solltest; ich muß dann schon aus dem Bett und bin immer so müde.

Grüße bitte alle Freunde von mir, besonders Deine Eltern, ich habe das bisher vergessen.

Viele Grüße und Küsse

Dein Gerhard.

P.S. Ich warte immer mit Freude auf Post!