Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

170. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, 23.1.67 [Postkarte]

Dein Brief ist heute angekommen. Vielen Dank. Ich sitze hier und kann nur ganz schnell schreiben. Ich beneide Dich, da Du Zeit und Gelegenheit hast, Dich mit literarischen Problemen auseinander zu setzten. Es hat mir gefallen, was Du über W. Woolf geschrieben hast.

Stell Dir vor, was mit uns heute geschehen ist: Am Vormittag hatten wir Sport und liefen etwa 2 km durch den Wald. Natürlich bleibt man da nicht sauber (Alles voller Schlamm). Doch das macht uns nicht mehr viel. Auf dem Sportplatz hatten wir Gymnastik, doch dann mußten wir uns hinlegen und Bodengymnastik machen (½ Std!) bei etwas + 2°C, und auf dem Platz steht 5 cm Wasser! Das ist die reinste Schikane. Am Nachmittag marschierten wir durch Schlamm und frisch gepflügte und gedüngte Äcker. Mehrmals lagen wir im Dreck. Als wir endlich zu Hause waren, dauerte es drei Stunden, Schuhe, Hosen und Jacken zu säubern. Sauber ist doch alles noch nicht.

Was ich gestern geschrieben habe, zeigt deutlich meine Stimmung am Wochenende. In der Woche geht es etwas besser. Je anstrengender und angenehmer der Tag war, desto stolzer bin ich, alles überstanden zu haben. Nur wenn nichts zu tun ist, dreht man hier durch. Ein Stubenkamerad ist verheiratet und hatte gestern Kurzschluß.

Ein Soldat unseres Zuges hat am Samstag Fahnenflucht begangen und wurde gestern in Düsseldorf von den Feldjägern geschnappt. Der Idiot ist sogar freiwillig 2 Jahre beim Bund. So etwas lohnt sich nicht, außer man nimmt es auf sich, 10 Jahre im nicht NATO-Ausland zu leben, ohne nach Deutschland zurückzufahren. Wer will das aber schon? So, das wars!

Viele Grüße, Dein Gerhard.