Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

172. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, 28.1.67

Vielen Dank für Deine Briefe, über die ich mich riesig gefreut habe. Hoffentlich hast Du Deine Prüfungen nun mit Erfolg abgeschlossen.

Zuerst das Wichtigste: Ich komme am Freitag, den 3.2. abends nach Solingen und fahre erst am Montag, den 6.2. abends wieder ab. Heute lernte ich zufällig einen Gefreiten UA kennen, der in Wuppertal wohnt. Er will mich mit dem Wagen mitnehmen.

Entschuldige bitte, wenn ich von Deinem Vorschlag, am Samstag auszugehen, nicht besonders begeistert bin, aber bedenke bitte Folgendes: Der Dienst ist hier sehr anstrengend (von 5 bis 22 Uhr), dazu kommt noch, daß wir diese Woche Bereitschaft haben, das bedeutet, wir auch nach Dienst jederzeit mit völliger Ausrüstung bereit stehen. An diesem Wochenende habe ich von Samstag 12.00 Uhr bis Sonntag 12.00 Uhr GvD (Gefreiter vom Dienst). Das ist der Laufbursche des UvD (Unteroffizier vom Dienst). Ich schlage mir jetzt also die Nacht um die Ohren und nächste Woche ist wieder hartester Dienst. Du kannst Dir also vorstellen, wie wenig mich eine anstrengende Veranstaltung lockt. Wenn ich um 11 Uhr noch nicht im Bett liege, falle ich bestimmt um.

Ich freue mich aber riesig darauf, mit Dir zusammen zu sein. Daß Du einen Wagen bekommst ist toll, Du darfst mich dann in der Gegen herumfahren.

Denke bitte nicht von mir, ich sei zu faul, oder sonst irgend etwas wäre nicht in Ordnung, aber Aufgehen ist augenblicklich nicht mein Fall. Ich möchte endlich wieder in aller Ruhe mit Dir zusammen sein, verstehst Du?

Du fragtest mich nach dem Manöver Pantersprung, das hier stattgefunden hat; wie als Ausbildungskompanie waren daran natürlich nicht beteiligt. Wir haben aber viele Panzere und Wagen am Lager vorbeifahren sehen. Im alten Lager nebenan waren übende Truppen untergebracht.

In der letzten Wochen haben alle O.A.’s mit dem Kommandanten in dem Offiziersspeiseraum einmal zu Mittag gegessen. Dabei unterhielten wir uns über die weitere Ausbildung.

Mittwoch war Nachtmarsch angesetzt. Nach 10 km durch Schlamm bei strömenden Regen hatte unser Stuffz Moser die Nase voll und ging auf dem kürzesten Weg zur Kaserne zurück. Dabei lief der 1. Zug neben der Panzerstraße entlang, anstatt, wie vorgeschriebeb, durch Feld, Wald und Wiesen. Bei Märschen dürfen nämlich Straßen nur überquert, nicht aber begangen werden. Plötzlich kommt aus der Dunkelheit der Jeep unseres Kp-Chefs auf uns zu. Im selben Augenblick lag der 1. Zug mit allen Ausbildern flach im Dreck, als hätten Tiefflieger angegriffen. Doch der Jeep fuhr dann weiter, ohne uns bemerkt zu haben. Dieses Versteckspielen wurde noch manchmal fortgesetzt, bis wir nach 12 km zur festgesetzten Zeit im Lager wieder eintrafen. Der Hauptmann sagte zum Schluß bissig: „Der 1. Zug ist mir wieder einmal entwischt!“

Ich bin jetzt so müde, daß ich mich kaum noch konzentrieren kann (siehe mein Geschmiere) und halte mich nur noch durch Zigaretten wach. Dabei dauert der Dienst noch 13 Stunden!

Für heute also gute Nacht!

Bis Freitag also viele liebe Grüße und hunderttausend Küsse,

Dein Gerhard.

[Anlage: zwei Doppelseiten aus Pardon” Nr. 11, November 1966, S. 51-54.