Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

176. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, 21.2.67

Liebe Susanne!

Heute habe ich mich schon so an den Dienst gewöhnt, daß ich über die vergangenen zwei Tage berichten kann.

Du kannst Dir ja vorstellen, wie schwer mir der Montag gefallen ist. Doch der Dienstplan sah außer Formalausbildung nur Unterricht vor. Heute tobte hier bis Mittag ein schwerer Sturm, dabei goß es in Strömen. Als wir heute Vormittag zur Ausbildung draußen im Gelände waren und auf der Panzerstraße zurück marschierten, staunten wir über die dicken Fichten, die überall entwurzelt worden waren. Manche hatte quadratmetergroße Erdschollen aufgerissen. Etwa 200 m vorm Lager parkte ein ganzes Fernmeldebataillon mit seinen Lastwagen. Plötzlich stürzte 20 m vor uns einen große Fichte langsam um und riß noch zwei oder drei andere mit. Wären wir nur eine Minute vorher losmarschiert, wäre der Baum direkt auf unsere Kompanie gefallen. Zum Glück stürzte der Baum genau zwischen zwei Wagen und nichts wurde zerstört. Es war nur erstaunlich, wie schnell die Fernmelder aus ihren Fahrzeugen stürzten!

Wenn man hier abends so sitzt, fällt einem nichts ein, was man schreiben könnte. Ich habe bestimmt außer den dienstlichen Erlebnissen viele Dinge auf dem Herzen, die ich Dir schreiben möchte, doch jetzt fehlen mir wieder die Worte. Das Schlimmste für mich ist und bleibt die Tatsache, daß ich mich hier nicht irgendwo hin zurückziehen kann, wo ich ganz alleine bin.

Heute abend hat der Hauptmann befohlen, daß nach Dienst alle, die sich heute morgen aus irgendeinem Grund krank gemeldet haben, eine Stunde Schießausbildung nachholen müssen. Ich bin zwar nicht dabei, halte es aber für eine Sauerei. Ein Kamerad will sich darüber beschweren; zwar sind einige dabei, die sich nur drücken wollen, aber es ist unverantwortlich, jemanden zu bestrafen, nur weil er zum Arzt gehen muß!

Ich werde nun doch nicht nach Wetzlar versetzt, sondern habe mich heute, als die Offiziersanwärter zwischen Wetzlar und Koblenz entscheiden konnten, nach Koblenz gemeldet. Ich werde zum 155. Panzerartilleriebataillon kommen, das zur 15. Division gehört. Von da ist die Bahnverbindung nach Köln günstiger als von Wetzlar. Leider nutzt mir das ja nicht viel, da du im Mai nach England fährst. Im April werden wir noch einige Male zusammen sein.

Irgendwie muß ich mich erkältet haben, denn mir tut die ganze linke Seite weh. Leider kann ich nicht früh ins Bett gehen, da ich noch das Revier reinigen muß.

Morgen wird wieder scharf geschossen. Ansonsten warten wir nur auf ein baldiges Ende der Grundausbildung. Nun sind es bloß noch zehn Tage, bis ich wieder nach Solingen komme. Am 3. 3. haben wir Vereidigung und anschließend fahre ich los. Vom 6.3. bis 8.3. müssen wir unsere 36-Stunden Übung ableisten, die aber wahrscheinlich 60 Stunden dauern wird. Danach gibt es nicht mehr viel zu tun. Am Wochenende vor Ostern ist die Besichtigung und Ostern werde ich voraussichtlich eine Woche Urlaub bekommen.

Soweit mein Bericht für heute. Ich denke viel an Dich und freue mich schon auf unser Widersehen. Schreib mir bitte bis dahin noch so viel Du trotz Deiner Prüfung kannst.

Auch zur Prüfung viel Glück und viel Ruhe.

Tausend Küsse von Deinem Gerhard.