Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

178. Gerhard E.                                                Schwarzenborn, 12.3.67

An diesem Wochenende sitzt Dein armer Soldat wieder völlig ratlos herum. Meine Mutter wird Dir ja schon erzählt haben, was passiert ist.

Ich fuhr also Sonntag von Ohligs nach Köln und hatte schon im Zug starke Rückenschmerzen. Als ich in Köln auf meinen Zug wartete, es war etwa 19.00 Uhr, wurden die Schmerzen unerträglich, ich bekam weiche Knie und fiel um, zum Glück dem Fahrdienstleiter genau in die Arme. Er und andere Reisende setzen mich auf eine Bank und telefonierten das DRK an. Nach wenigen Minuten war schon eine Schwester zur Stelle. Ich sagte ihr, daß ich Soldat sei und sie rief eine Kaserne des schweren Pionierbataillions 763 in Köln-Longerich an. Nach etwa einer Stunde kam der dortige Truppenarzt mit einem Wagen an. Er und ein Gefreiter trugen mich auf einer Bahre in den Wagen und fuhren dann in die Kaserne. Als der Arzt meinen Rücken sah, sagte er entsetzt: „Und so was kommt durch die Musterung!“ Ich blieb im dortigen San-Bereich bis Dienstag Mittag; das war alles etwas umständlich, da ich keinen Schlafanzug, kein Handtuch, kein Essbesteck und keine Essensmarken bei mir hatte. Nun, ein Handtuch und etwas zu essen habe ich doch noch bekommen. Am Dienstag wurde ich entlassen und fuhr zum Hauptbahnhof. Da aber der Zug um 19.22 Uhr die einzige Verbindung war, rief ich in Schwarzenborn an, damit man mir einen Wagen nach Treysa schickte, der mich ins Lager bringen sollte, denn der Bus fährt nur Sonntags. Ich irrte den Nachmittag in Köln umher und traf fahrplanmäßig in Treysa ein, wo ein Jeep mich erwartete.

Am anderen Morgen ging ich gleich zu unserem Arzt, der mich sofort zum Facharzt für innere Krankheiten nach Gießen überwies.

Am Donnerstag fuhr ich nach Gießen und wurde untersucht. Einen Befund habe ich noch nicht erhalten, da man vergessen hatte, mir einige Unterlagen mitzugeben. Am Mittwoch bin ich wieder nach dort bestellt. Vorher kann ich nicht sagen, was mit mir eigentlich los ist.

Da ich auf keinen Fall OA bleiben kann, ist mein größter Wunsch natürlich, ganz von der BW entlassen zu werden. Vermutlich werde ich aber 18 Monate als Wehrpflichtiger in irgendeiner Schreibstube dienen müssen. Du kannst Dir vorstellen, daß diese Aussicht meine Stimmung nicht gerade hebt.

Hoffentlich macht Dir Deine neue Arbeit jetzt Spaß. Es ist bestimmt eine Umstellung für Dich, von der Schule plötzlich im Berufsleben zu stehen.

Ob ich Ostern nach Solingen komme, ist seht ungewiß, da alle Rekruten in den neuen Stammeinheiten sehr wahrscheinlich gleich über Ostern Dienst machen müssen. Noch eine Möglichkeit für mich wäre, als vom Außendienst befreit nach Köln zur Bundeswehrverwaltung zu kommen. Aber ich muß erst den ärztlichen Befund abwarten.

Ich war am Wochenende wieder einmal ganz allein hier. Das ist unerträglich, weil man einfach zu viel Zeit zum Nachdenken hat.

Im nächsten Brief weiß ich bestimmt schon mehr und kann Dir genau berichten, was werden soll.

Vielleicht kannst Du mich am nächsten Sonntag unter der Nummer 05686 211 Apparat 89 anrufen, so etwa um 10.00 Uhr. Ich würde mich sehr freuen.

Viele liebe Grüße und tausend Küsse von Deinem Gerhard.