Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

180. Gerhard E.                                                Niederlahnstein, den 2.4.67

Mein lieber Schatz!

Nach den wundervollen Ostertagen wurde mir die Rückfahrt doppelt schwer. Ich stieg in Köln also in den Zug nach Koblenz und war überrascht, plötzlich auf die andere Rheinseite zu fahren. Normalerweise sollte der Zug linksrheinisch über Bonn fahren, nun fuhren wir aber auf der anderen Seite. Später hörte ich, daß die Strecke durch einen Unfall blockiert war. Trotz der Verspätung erreichte ich noch den Anschlußzug nach Niederlahnstein. Am Donnerstag bin ich gleich zum Truppenarzt gegangen und habe ihm von meinem Fall erzählt. Aus Gießen war noch nichts angekommen. Ich fragte den Arzt, wie es um meine Weiterverwendung als Offiziersanwärter wegen des Rückens stände. Daraufhin überwies er mich zum Facharzt für Orthopädie nach Koblenz. Am Freutag wurde ich dann ins Bundeswehrlazarett gefahren. Dort wurde meine Wirbelsäule nochmals geröntgt. Der Arzt sagte, eine Untauglichkeit sei nicht festzustellen, ich müsse jedoch damit rechnen, bei einem neuen Lehrgang Schwierigkeiten zu bekommen. Es wird jedoch nichts unternommen, mich auf W 18 zurückzustufen. Schlimmstenfalls würde ich nach drei Jahren als Obergefreiter entlassen werden! Als ich das hörte, habe ich sofort einen Antrag auf Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis gestellt. Jetzt hoffe ich, bald nur noch Wehrpflichtiger zu sein. Du kannst mir glauben, wie sauer ich bin. Jetzt bleibt nur noch die geringe Hoffnung des Befundes aus Gießen, den ich noch erwarte. Ich glaube, ich werde noch ein Jahr wohl oder übel hier aushalten müssen!

Heute sitze ich hier als G.v.D. herum und bin schon wieder um den freien Sonntag gebracht worden. Umso mehr hoffe ich, am nächsten Freitag in drei Punkten handeln zu können:

1) Urlaubsschein empfangen

2) Zivilsachen anziehen

3) Laufen, laufen, laufen, bis ich die Kaserne nicht mehr sehe und im Zug sitze!

Überlege Dir mal was Schönes für Samstag, aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn ich nicht kommen kann, denn man weiß ja nie!

Soweit also die augenblicklichen miesen Aussichten. Mach Dir nichts aus Deiner sturen Arbeit, hier ist es bestimmt noch viel sturer!

Mein einziger Trost ist, daß ich Dich liebe!

Viele Grüße und Küsse von

Deinem Gerhard.