Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

183. Jochen S.                                                   Hamburg, den 8.5.[1967]

Liebe Susanne!

Ich komme zwar am Donnerstag nach Hause, aber ich weiß nicht, ob wir uns noch treffen werden, denn Deine Englandreise steht ja dicht vor der Tür.

Den genauen Termin Deiner Abreise kenne ich nicht, und so sollst Du den Brief auf alle Fälle noch vorher bekommen. Ich wünsche Dir für Deinen Aufenthalt im alten England alles Gute, vom Wetter angefangen über Lust und Laune zum nötigen Kleingeld. Die ernsten Ermahnungen und Lehren kannst Du Dir von Deinen Eltern abholen; ich gebe Dir nur den Rat, die Zeit nach besten Kräften und so gut wie möglich zu genießen. Die Sprache wird Dir keine Schwierigkeiten machen, und so kannst Du dann sofort voll ins englische Leben einsteigen, und es wird schon alle schiefgehen. Bei den Rotariern bist Du schließlich gut aufgehoben, und wenn Dir das anständige Leben nicht mehr passt, kannst Du ja zu den „Rockers“ gehen.

Ich bin direkt neidisch auf Dich, denn so allmählich fühle ich die ersten Urlaubsregungen in mir aufkommen. Den ganzen Tag nur ’rumzugammeln ist unwahrscheinlich anstrengend, und man ist froh, wenn man sich in den frühen Abendstunden ins Bett legen kann. Du siehst, ich habe einen Urlaub dringend nötig.

Entschuldige bitte die Schrift, ich kann sowieso keinen Staat damit machen, aber ich habe mir einen neuen Schreiber gekauft, den ich eigentlich zum Notenschreiben brauchen will. Wenn man das Ding nicht ganz senkrecht und ohne Druck aufsetzt, gibt es nichts her.

Martin schreibt mir jetzt mal eine Karte. Ihm scheints in seinem ev. Pensionat wohl ganz gut zu gehen. Vielleicht kommt er vor lauter Großstadt auch mal zum Studieren und versäuft nicht in der Bierschwemme.

Hier über mir entlockt einer seiner Trompete die schauerlichsten Töne, so daß es unmöglich ist, sich hier zu konzentrieren.

Wenn Du drüben angekommen bist, schreibe doch mal bzw. schick Deine Adresse, ich würde mich über ein paar Worte von Dir freuen.

[in englischer Sprache] Das war’s. Grüße deine Eltern herzlich von mir. Bis bald, immer Dein

Jochen