Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

227. Michael E.                                                 [Zandvoort, Ende Juli 1967]

Liebe Susanne!

Sei mir bitte nicht böse, daß ich Deinen Brief, für den ich mich herzlich bedanke, so spät beantworte! Ich habe zuerst von deiner Mutter gehört, daß Du evtl. zu einer anderen Familie kämst; als ich dann erfuhr, daß sich Deine Anschrift nicht geändert habe, steckte ich mitten in den Urlaubsvorbereitungen. Nun ja, ein wenig Schreib- und Urlaubsfaulheit ist mit Schuld daran, daß ich mich so spät melde.

Wie Du dem Postwertzeichen (Entschuldige bitte mein Postamtsdeutsch! Ich muß mich erst langsam wieder an Wörter wie Briefmarke Briefzusteller (Postbote) gewöhnen.) entnommen hast, haben mich die Urlaubspläne meiner Eltern nach Holland verschlagen. Wir haben ein kleines Sommerhaus gemietet, in dessen kombiniertem Wohn-, Eß- und Schlafzimmer ich im Augenblick sitze. Zuweilen schaue ich in den grauen, regenverhangenen Himmel um irgendwo ein Fleckchen Blau zu entdecken, das besseres Wetter erhoffen läßt. Denn bisher sind wir ziemlich enttäuscht worden. Zwar lockt uns jeden Morgen die Sonne verführerisch an den Strand. Doch gegen Mittag ziehen die ersten dunklen Wolken am Horizont auf und vom Nachmittag an regnet’s Bindfäden.

Nun sollte man annehmen, daß ein Touristenmagnet wie Zandvoort auch dem abendlichen Besucher Unterhaltung und Vergnügen bereitet. Das ist leider nicht so. Zandvoort hat kein (!) Kino und die Tanzhallen werden entweder kaum von Jugendlichen besucht oder sind uns mit 4.50 Gulden Eintrittspreis ein wenig zu teuer. So bleibt uns nichts andere übrig, als noch einmal am Strand spazieren zu gehen oder uns die Schaufenster anzusehen.

Tagsüber sitze ich nicht nur am Strand uns lasse mich in der Sonne braten. Ich schwinge mich auch bei unbeständigem Wetter auf meinen Motorroller (Ich habe mir Anfang Juli für 210 DM eine Vespa gekauft, die mich bis jetzt etwa 1000 km durch Deutschland und Holland getragen hat, ohne ein einziges Mal zu streiken) und lerne Holland auf eigene Faust kennen. Denn Ziele bieten sich in unserer Umgebung genug an. Holland ist nämlich nicht nur Katwijk, Noordwijk oder Zandvoort. Der Bummel durch ein kleines Dörfchen, das vom Touristenrummel verschont geblieben ist, vermittelt einen viel nachhaltigeren Eindruck von diesem Land, als jede noch so gute Fremdenführung an einem Ausflugsort erreichen kann. Außerdem liegt hier in Zandvoort Hollands einzige Autorennstrecke, zu vergleichen mit unserem Nürburgring, auf der ich an manchen Tagen anzutreffen bin.

So gibt es hier auch für einen Großstädter viel zu sehen und zu erleben. Nur abends fehlen mir die Freunde, die zu allen Späßen aufgelegt sind. An den Tagen vor meiner Abreise war ich noch viel mit Martin und Jochen zusammen, dessen Eltern gerade verreist waren.

Hoffen wir, daß wir uns bald alle noch einmal wieder sehen. Bis dahin wünsche ich Dir noch einen angenehmen Aufenthalt in England.

Alles Gute und viele Grüße

Ecki.