Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

231. Paul                                                            Liverpool, 3rd. August, 1967

[In englischer Sprache]

Mein liebe Susanne,

ich danke dir für deinen Brief, den ich heute morgen bekam. Ich war froh von dir zu hören, weil ich zwar deine Heimatadresse habe, dich aber nicht nach deiner Adresse in Reading gefragt habe. Ich hatte aber vor, dir gleich zu schreiben, wenn ich zu Hause bin.

Ich kann ehrlich sagen, dass ich viel in Carlisle gelernt habe. Ich brauche noch Zeit, um mir darüber klar zu werden, wie viel. Ich möchte dir aber für alles danken, was du mir gegeben und vermittelt hast in dieser kurzen Zeit. Ich fand große Freude an unseren Diskussionen und Unterhaltungen und habe das Gefühl, du hast in vielen Dingen die gleichen Probleme und Gefühle. Und ich habe etwas von dem Wunder und der Schönheit des Gedankens der Gemeinschaft begriffen, nicht zuletzt in den stillen Minuten, als wir jede Nacht zusammen in der Kapelle gebetet haben. Ich kann in Worten nicht ausdrücken, was ich empfinde, aber ich glaube, dass du es verstehst. Dafür und für alles andere vielen Dank.

Ich habe mich gefreut, als ich hörte, du habest dich entschieden, bei den Andrews zu bleiben. Ich hoffe, dass deine letzten wenigen Wochen glücklich verlaufen und dass du noch einige Arbeit schaffst. Ich wünsche dir Erfolg, wenn du nach Köln zurückkommst. Es kann schwierig werden, aber es wird sich schließlich lohnen.

Ich habe noch ungefähr sechs Wochen Ferien, die will ich mit der Renovierung des Hauses verbringen und mit meiner Familie wegfahren. Glücklicherweise muss ich erst im September das Studium wieder anfangen.

Vielen Dank zu deinen Überlegungen zum Farbigen-Problem. Ich glaube, dass ich genauso wie du denke. Was das so schwierig macht, ist die unnötige Bitterkeit, die damit verbunden wird. Ich habe eben eine Sendung im Fernsehen über die Aberfan-Katastrophe geguckt – das Grubenunglück vor etwa zehn Monaten. Aber auch da, gerade wenn das Geschehene nicht ungeschehen gemacht werden kann, sind die Leute nicht bereit zu vergessen oder zu vergeben. Sie verlangen nach Strafe und nach Vergeltung. Toleranz ist heutzutage eine seltene Tugend, aber ohne sie können wir Menschen nicht als Personen begegnen. Und ohne das können wir die Vorstellung von der Gemeinschaft nicht verstehen. Die Antwort auf alle diese Probleme scheint manchmal so offensichtlich und einfach zu sein, dass ich mich wundere, warum sie nicht jeder sieht. Aber es ist wieder zu leicht, über-idealistisch und oberflächlich zu sein. Die richtige Vorgehensweise liegt irgendwo in der Mitte.

Es gibt natürlich noch viele Dinge, die ich mit dir gerne in Carlisle besprochen hätte. Die Woche war allzu kurz. Wenn du möchtest, können wir uns weiter schreiben – aber ich warne dich, meine Handschrift ist nicht sehr leserlich. Ich sollte bei meiner Schreibmaschine bleiben.

Für jetzt, jedenfalls, muss ich „bis bald“ sagen, wenn das in einem Brief gesagt werden kann. Ich weiß, du bist sehr beschäftigt, so dass ich nichts von dir hören werde, bevor du nach Deutschland zurück fährst; ich hoffe, dass du eine glückliche Heimfahrt hast, und nicht zuletzt wünsche ich dir ein paar glückliche Wochen bei den Andrews.

Ich danke dir noch einmal für deinen Brief.

Möge Gott dich segnen und lenken.

Paul.