Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

244. Gerhard E.                                                Solingen, den 20.8.1967

Liebe Susanne!

Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut. Langsam zähle ich die Tage, bis Du wieder zu mir kommst. Hier ist der Sommer nun endgültig gewichen. Nachdem er noch vor 3 Wochen tropische Auswüchse zeigte, senken sich jetzt die Nebel über Remscheids und Wuppertals Hügel. Überall steigen Drachen und selbst die Linden bekommen gelbes Laub.

Am letzten Wochenende hast Du hier gefehlt. Wir haben in Burg gefeiert; Spülis Mißgeschick wollte Jochen ja schon schreiben.

Meine Arbeit lässt mit augenblicklich wenig Zeit, irgendetwas Anspruchsvolles zu unternehmen, abends bin ich froh, wenn ich in Ruhe vorm Fernsehapparat sitzen kann.

Nun, ab Oktober soll sich das schon ändern.

Meine Eltern schreiben mir, daß sie eine böse Überraschung in Italien erleben mußten. Als sie ankamen, waren ihre Zimmer besetzt. Gottseidank haben die doch noch etwas gefunden.

So sauge ich mir Ereignisloses aus den Fingern und freue mich auf das Studium, denn selbst meine vielseitige Arbeit kann mir auf lange Sicht keinen Spaß machen.

Ich wünsche Dir für die letzten vier Wochen noch viel Spaß und guten Erfolg (nur bei Mädchen!) und verführ’ mir nur kein Priesterlein!

Herzliche Grüße und Küsse

Dein Gerhard.

 

[Anlage]

 

Drachensteigen

 

Die Drachen haben die Kinder gelehrt,

Sie an langen Fäden festzubinden;

Jetzt stehn sie am Himmel ganz unbeschwert,

Und trotzen so selbst den stärksten Winden.

 

Die Kinder starren voll Sehnsucht hinauf

Und zerren wild an den Leinen;

Ihre Augen folgen dem wirren Lauf,

Und sie stampfen mit ihren Beinen.

 

Ich schau' mir das bunte Spektakel an.

Dort oben, da möchte ich fliegen.

Die Drachen, sie ziehen mich mächtig an,

Mit ihnen nach England zu fliegen.

GE