Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

248. Rosemarie W.                                            Solingen, den 27. August 1967

Liebe Susanne!

Wenn Du diesen Brief erhältst, wirst Du mal wieder schöne Tage in Brighton verlebt haben, und nach den Wetterberichten, die wir für die Britischen Inseln mitsehen, wird es auch die Sonne gut gemeint haben. Wir haben hier jedenfalls fast immer schönes Wetter gehabt, nur eine Wochen im Anfang dieses Monats war es nasskalt. Es ist schade, daß wir nicht fortfahren können. Wenn es im Jahr nur noch eine Urlaubsreise gibt, werden wir auch wieder den Sommer wählen, denn wenn alle fortfahren, ist aber auch hier gar nichts los. Vati stöhnt den ganzen Tag, daß die Leute so schlecht zahlen. Es ist eine Auswirkung der allgemeinen verschlechterten Lage. Nach Prof. Schiller soll die „Talsohle“ erreicht sein. Wir wollen hoffen, daß er recht behält. Jedenfalls diskutiert man überall über die augenblickliche Situation, und viele berichten über einen prozentualen Umsatzrückgang, und dann gibt es noch Steuererhöhungen. Daß dies alles mal kommen würde, man sollte damit gerechnet haben, denn „es wachsen keine Bäume in den Himmel“. Du kannst den Lebensstandard ja vergleichen in England mit unserem. –

Im Moment steht alles im Zeichen des Farbfernsehens, Nach U.S.A. und Japan sind wir die 3. Nation die Farbfernsehen hat, und das in bester Farbe. Ein Gerät kann man ab DM 2000.- kaufen (Neckermann). Täglich werden 4 Stunden in Farbe gesendet. Die Sendung „Der goldene Schuß“ mit Vico Toriani eröffnete den Reigen. Wir sahen es auf unserem Gerät. Es war sehr gut gelungen unter dem neuen Showmeister.

Samstag war wieder eine Sendung in Farbe, die auch nach England übertragen worden ist. Hast Du sie gesehen? Es waren alle bedeutende internationale Schallplattenstars zugegen. (Mahelia Jackson, Juliette Greco, Freddy Quinn, Udo Jürgens und viele mehr.) Es war ein tolles Programm. Alles anlässlich der Radio- und Fernseh-Ausstellung in Berlin. Ich wäre zu gerne dahin gefahren, aber ich konnte Papi nicht alleinlassen. –

Jetzt liegt mir noch eins am Herzen. Hast Du Dich schon mit dem Datum Deiner Abreise beschäftigt? Willst Du nun endgültig mit dem Zug fahren. Es wäre ja auch mal interessant. Dein Paket vom 19. kam schon am 24. hier an. Auch Deine beiden Briefe vom 19. und 21. kamen m gleichen Tag an. Zu Deiner Information nur musste ich für das Paket noch DM 1.90 Gebühr bezahlen. Warum stecktest Du nicht schon Bücher mit hinein? Wenn du Dir noch etwas kaufen willst, so soll das Deine Sache sein, aber hier gibt es auch noch gute und preiswerte Kleidungsstücke, die der hiesigen Mode entsprechen. Ich würde Dir empfehlen, doch noch Geld übrig zu behalten, denn es wird knapp.

Von der Schule in Köln kam ein kleiner allgemeiner Bescheid an, daß der Unterrichtsbeginn für das Wintersemester am 2. Oktober um 14 Uhr ist; bzw. soll man „sich in der Aula der Schule einfinden“. Wegen einem Zimmer hörten wir noch nichts. Vielleicht kann man auch inserieren. –

Während ich schreibe, sitzt Anka bei uns. Er stahl gestern eine halbe Tafel Schokolade vom Tisch, während wir in der Stadt waren. Als ich mit ihm schimpfte, wusste er genau was er getan hatte. – Wir erwarten bald mit Freude Deinen nächsten Brief.

Herzlichst Vati und Mutti.