Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

252. Gunhild H.                                                 Witzhelden, den 6.9.67

Liebe Susanne!

Vielen Dank für Deinen Brief. Es ist höchste Zeit, daß Du zurückkommst und Deinen müden Schah aufweckst. Wenn am Samstag im Laubach 3 Tische besetzt sind, ist es nicht in der Lage, den Tisch herauszufinden, an dem seine Bekannten (ich z.B.) sitzen. Und dann müsstest Du ihn mal auf den Gängen des Arbeitsamtes einherwandeln sehen, wie ein Mönch.

So schreibfaul wie ich dachte kann ich gar nicht sein, denn ich besitze im Augenblick keinen Bogen Papier mehr, nur noch kleine Briefkarten. Wo wir gerade von Schreibfaulheit sprechen: Hast Du eigentlich schon mal wieder etwas von dem kleinen Dicken, wie heißt er noch, ach so, Jochen, gehört? Seit der in den Ferien hier war, hat er kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Irgendwie habe ich ja den leisen Verdacht, daß er zum Wochenende runterkommt. Wolfgang D. hat nämlich eine Fête, und er hat Jochen ja nicht umsonst eingeladen. Mit den glücklichen Tagen ist es bis auf weiteres vorbei. Rolands Denken ist erfüllt von seinem neuen Auto, an dem es natürlich noch einiges zu basteln gibt. Und mein Vater als echtes Mannsbild gibt ihm auch noch Schraubenschlüssel, damit er es noch mehr auseinander nehmen kann.

Jetzt ist es eigentlich mal an der Zeit, mich für die schauerliche Schrift und den Stil zu entschuldigen, aber ich habe vorhin einige leserliche Briefe in schönstem Bürokratenstil geschrieben, so daß ich jetzt ins andere Extrem umschlage.

Langsam glaube ich ja auch an die Übervölkerung der Erde. In diesem Sommer haben sich schon wieder bei 4 Mädchen aus meinem Bekanntenkreis die Umstände etwas geändert, ein strammes Mädchen ist schon vor der mittleren Reife angekommen. Und als sich Gerhard auch noch als ausgesprochen heiratswütig zeigte, sehe ich ganz schwarz. Im Ernst, er ließ sich nicht davon abbringen, sofort heiraten zu wollen, wenn es finanziell möglich wäre. Kompliment für Sie, Madame! Wenn wir nach Deiner Rückkehr mal Lust zu ernsthaften Gesprächen haben, das wäre ein Thema. Zwar habe ich schon mit Jochen über dieses Thema diskutiert, aber der hat ja keine Ahnung.

Übrigens Roland meint, Martin W. habe Jochen ins Gewissen geredet, Du weißt ja, daß wir manchmal recht gut befreundet sind (Jochen und ich, meine ich). Ich glaube ja nicht ganz daran, aber immerhin habe ich keinen Abschiedskuß gekriegt, als er fuhr. Na ja, ist ja auch nicht weiter schade drum, meinen Hauptlieferanten habe ich ja in Kürze immer griffbereit.

Bis bald!

Eine gute Heimreise wünscht Dir

Deine Gunhild.