Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

43. Gerhard E.                                                  Solingen, den 24.7.63

Heißgeliebte Susanne!

Heute traf Dein lieber Brief hier ein. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Angst, daß ich keine Zeit zum Schreiben habe, brauchst Du nicht zu haben Es ist hier nämlich sehr langweilig. Meinem Arm geht es schon besser, allerdings ist das Schreiben noch ein wenig mühsam.

Seit Sonntag ist hier nicht viel passiert. Pastor G.s Predigt war wieder irgendwie „unfertig“. In letzter Zeit sind seine Predigten nicht mehr das, was sie früher waren.

Sicher interessierst Du Dich für die „Privatangelegenheiten“ unseres Kreises.

Annelie findet Uli wieder wunderbar!

Wolfgang ist hinter Antje her. Antje benimmt sich recht kindisch. Mal mag sie ihn, dann aber ist sie unleidlich. Ich sage es ja immer: Wolfgang hat Pech! Am Montag waren Annelie, Cristiane, Jutta und Wolfgang und ich im „Schellberg“. (Den Sonnenbrand spüre ich jetzt noch).

Annelie stöhnte „Uli“; (der arbeitet bei diesem Wetter) Wolfgang dachte nur an Antje; (sie wollte nicht kommen!). Christiane und Jutta wurden nur durch meine Gegenwart davon abgehalten, über Dich zu lästern; – und ich? Na, Du weißt ja, an wen ich dachte und immer noch denke!

Du schreibst „3 lange Wochen“. – „3 lange Wochen“? – Gestern erhielt ich die Aufenthaltsgenehmigung aus Magdeburg. Sie gilt vom 1.8. bis zum 21. 8.!

Ich hoffe, daß es mir gelingt, eine halbe Woche früher abfahren

Doch eins verspreche ich Dir, Mädchen werde ich dort nicht ansehen!

Ich freue mich sehr auf die Reise, nur nach 2 Wochen wird es langweilig.

Gestern Nachmittag hatte ich unter „Jazzberieselung“ das Bedürfnis, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Das Ergebnis lege ich bei. Doch mein Hauptgedanke ist nicht daraus ersichtlich, und dieser Hauptgedanke bist Du!

Weiter gibt es von hier nichts zu berichten

Die Hitze ist groß, die Einsamkeit ist größer.

Sei nun in Treue vielmals gegrüßt und grüße

auch Deine Eltern.

Ich wünsche Euch recht gute Erholung.

Schreib bitte bald!

Dein treuer Gerhard.

 

[Anlage]

                        Gedanken

 

Gedanken, ein Hauch von Ewigkeit;

Unendlich sind ihre Räume.

Gedanken, sie kommen und gehen so weit,

Sie muten uns an wie Träume.

 

Sehnsucht, Glaube, Hoffen, Liebe;

Des Menschen Angst, – Unendlichkeit –.

Gedanken verkörpern unsere Triebe;

Erkenntnis liegt, ach ja, so weit!

 

Gedanken und Träume; – wagst du sie zu scheiden?

Gedanken, Gefühle, sie glühn wie ein Stern;

Die Wahrheit, nein, du kannst sie nicht meiden!

Doch, Gedankenerkenntnis, – sie ist uns so fern!

 

Drum denke, Mensch; es ist dein höchstes Gut,

Der du in der Welt nur ein Stäubchen bist!

Fühlst du die Unendlichkeit und hast dann Mut,

Dann fragst auch du, was ein Gedanke ist.

                                                                                     GE.