Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

44. Gerhard E.                                                  Solingen, den 31.7.63

Meine allerliebste Susanne!

Endlich ist Dein Brief da! Gestern und vorgestern konnte ich es kaum erwarten, daß der Postbote kam. Als ich eben zum Briefkasten ging, zweifelte ich schon, ob ein Brief von Dir dabei sei. Nun bin ich endlich beruhigt. Schön, daß Du so viel geschrieben hast! Hier ist es so langweilig, daß ich nicht viel zu schreiben weiß.

Heute Abend geht es endlich auf nach Magdeburg. Ich fahre aber mit einem lachenden und einem weinenden Auge ab. Lachend, weil ich mal wieder nach Hause komme; weinend, weil ich 3 Wochen dableiben muß. Ich versuche, zum 18.8. wieder in Solingen zu sein. (Das ist ein Sonntag!)

Am letzten Donnerstag sprachen wir beim Pfarrer noch einmal über die Mormonen. Es war sehr interessant. Nach den Ferien wollen wir irgendeine Sekte einladen. Auf den Abend wollen wir uns aber vorbereiten. Dann mußte ich nach Hause gehen – alleine! Und der Abend war so schön!

Aus Annelie werde ich nicht schlau. Am Samstag waren sie und Uli im Schellberg. Annelie tat, als ob sie Uli zum ersten Mal gesehen hätte! Meine Diagnose: Annelie ist noch zu jung. Mir scheint, sie empfindet Uli gegenüber nichts. Es ist für sie nur „mal was anderes“. Noch schlimmer ist es bei Antje. Allerdings ist Wolfgang auch zu jung.

Könnte es mit Christiane nicht ebenso sein?

Ich mußte am Montag lachen. Ante, Wolfgang und ich waren im Schellberg. Neben uns küßten sich zwei. Ich guckte wehmütig weg. (!)

Antje sagte: „Ist das denn so schön?“ Ich antwortete, sie würde das auch bald begreifen. Da meinte sie, „Ja“, das schon, aber erst wenn ich 19 bin!“

Auch eine Auffassung –

Du fragst, ob Du mich einmal Liebling nennen darfst. Natürlich, aber nicht nur einmal, sondern immer; vorausgesetzt ich darf Dich auch so nennen, – Liebling!

Deinen nächsten Brief schick bitte nach Magdeburg, denn ich bin ab morgen dort. Wundere Dich nicht, wenn Du lange auf Antwort warten mußt; die Post von und nach dort geht manchmal 8 Tage! Vergiß aber bitte das Schreiben nicht, ich werde sonst nicht genug von den (schönen) Mädchen abgelenkt!

Auch diesmal habe ich wieder gedichtet. Aber nur für Dich allein!

Beinahe hätte ich vergessen, Dir die Adresse von Magdeburg noch einmal zu schreiben. Vielleicht hast Du sie verlegt.

Gerhard E.

Bei W.

Magdeburg S-W

Schmiedestraße 2

Meine furchtbare Schrift mußt Du entschuldigen; aber der Arm tut’s noch nicht ganz.

Körperlich geht es mir ganz gut, aber seelisch nicht! Du fehlst mir so sehr! Eins wünsche ich mir; hoffentlich hast Du nach dem Urlaub mehr Zeit!

Eben hat es Sturm geklingelt – Wolfgang –. Ich habe aber nicht aufgemacht, da ich noch packen muß. Wolfgang geht nämlich nicht wieder. Und dabei habe ich ihn gestern gebeten, nicht zu kommen.

Noch was zu Herrn G. Er war mit einigen aus unserem Kreis zum Kirchentag nach Dortmund gefahren. Da war eine Sendung mit Peter Frankenfeld. Sie wurde auch im Rundfunk übertragen, daher kenne ich sie. Es ging um moderne Kirchenlieder. Es sangen Ralph Bendix und Lawrence Winters. Es war wirklich nicht kitschig! Herr G. sei aber mit bissiger Miene hinausgegangen, erzählte Wolfgang. Es ist manchmal wirklich schade, daß er gegen alles Moderne ist.

So, nun weiß ich nichts mehr zu schreiben.

Ich grüße Dich und Deine Eltern

recht herzlich.

In Treue, weil ich Dich liebe,

verbleibe ich Dein

Gerhard.

P.S. Wenn der Brief größer wäre, würde ich hineinkriechen!

 

[Anlage]

Für meinen Liebling

In der schönen Sommernacht

Hab ich nur an Dich gedacht.

 

In dem kühlen Gartengrund

Fehlte mir Dein warmer Mund.

 

Gerne hätt’ ich Dich geküßt

Wenn ich Dich nicht fern gewüßt.

 

Alle Sterne zeigten mir

Nur ein fernes Bild von Dir.