Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

72. Gerhard E.                                                  Solingen, den 29.12.1963

[in roter Schrift]

Meine allerliebste Susanne!

Heute gegen 11 Uhr kam Dein Eilbrief hier an. Meine Eltern haben nur den Kopf geschüttelt; ich habe mich aber riesig gefreut. Nach den Fernsehberichten habe ich mir schon gedacht, daß bei Euch kein Schnee liegt. Mach’ Dir aber nichts draus! Vielleicht wird der Winter im nächsten Jahr hier in Solingen auch gut. Viel erlebt habe ich hier nicht. Nur heilig Abend habe ich den Kummer ertränkt. Viel genutzt hat es nicht. Gestern war ich bei B.s; Christiane war nicht da. Frau B. hat mir das Haus gezeigt. Ich könnte heulen, daß wir Silvester nicht zusammen sein können! So muß ich den ganzen Abend mit Christiane tanzen. Früher gingen die Ferien immer schnell vorüber, diesmal schleichen die Tage bloß so. Ich freue mich schon so auf Deine Rückkehr. Wenn Du nichts dagegen hast, komme ich am Montag (6.1.64) mal bei Euch zu Hause vorbei. Du wirst ja dann wieder zu Hause sein. Ich kann es kaum erwarten!

[in grüner Schrift]

Übrigens noch etwas über Farben. Ich war mir nicht ganz klar, in welcher Farbe ich schreiben sollte!

[in blauer Schrift]

Vielleicht voller Hoffnung, [in schwarzer Schrift] oder tief traurig?

[in roter Schrift]

Ich habe die schönste Farbe gewählt, hoffe ich!

Ich träume jetzt jede Nach von Dir. Morgens bin ich immer enttäuscht, daß alles nur ein Traum war. Das Schlimmste aber ist, daß ich das ganze Jahr 1963 ungeküßt bleibe! Ich denke auch immer an Dich und liebe Dich noch hunderttausendmal mehr als früher! Silvester werde ich an Dich denken und um 12.00 Uhr auf Dein Wohl trinken!

Das mit der Aufmerksamkeit zu Weihnachten war selbstverständlich. Wenn Du Dich dafür revangierst, nehme ich Dir das sehr übel! Denke bitte daran. – Deinen Ring halte ich immer bei mir. Er erinnert mich immer an Dich.

Kennst Du den alten Brauch, sich für das neue Jahr etwas vorzunehmen, einen guten Vorsatz zu fassen? Ich wünsche mir für 1964 nichts weiter, als daß es keinen Tag wie Donnerstag, 19.12.63 mehr gibt! Mein Vorsatz lautete: Dich lieben!

Übrigens, im Monopol läuft gerade Winnetou I. Ich glaube, Du hast Pech. Wenn Du wieder in Solingen ankommst, wird der Film nicht mehr gespielt. Ich habe Winnetou I in Köln am 1. Weihnachtstag gesehen. Der Film war ganz prima! Du mußt ihn Dir unbedingt irgendwo ansehen!

Nun lebe wohl, vergiß mich nicht und sei viele, viele Male geküsst von Deinem treuen Gerhard.

P.S.: Ich habe mich an der Hand verletzt und deshalb schreibe ich so komisch!