Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

 

82. Gerhard E.                                                  Solingen, der 10.02.1964

Liebe Susanne!

Du bist sicher überrascht, daß ich – gerade ich – Dir jetzt schreibe. Aber wirf’ diesen Brief nicht fort, bevor Du ihn gelesen hast; es ist kein später Faschingsscherz!

Es hat für mich in jedem Jahr einen schwarzen „Freitag, 13.“ gegeben. In diesem Jahr war es der Montag, 13. Januar 1964 – Du erinnerst Dich sicher noch.

Zuerst war alles in Ordnung, aber schon am Abend des Oberstufenballes hatte ich keine ruhige Minute. Seit jenem Abend verfolgt mich jede Nacht Dein Bild, ich langweile mich auf jeder Tanzveranstaltung und würde mich wegen des 13. Januars am liebsten ohrfeigen.

Ich weiß nicht, wie Du – ob Du – damit fertig geworden bist; ich jedoch muss ohne jeden Stolz gestehen, daß ich Dich nicht vergessen kann, selbst wenn ich es wollte. Ich habe auf Umwegen gehört, Du hättest es mir übel genommen, in welcher Art ich die Dummheit am 13. tat. Verzeih mir das bitte, ich wollte damit nur erreichen, daß es für Dich nicht so schwer sein sollte.

Auch in der Angelegenheit mit Christiane suchte ich nur einen Vorwand, es Dir leicht zu machen und mir darüber hinweg zu helfen. Ich liebe Christiane nicht! Gelungen ist es mir nicht; ich kann es einfach nicht ertragen, daß alles jetzt so schnell aus ist!

Bitte, versuch’ mich zu verstehen und lach’ mich nicht aus, obwohl Du jetzt allen Grund hättest, stolz zu sein!

Ich will es Dir ganz offen sagen: Keiner der Gründe, die ich Dir an jenem Abend vorgetragen habe, entstammen wirklich meinem Herzen, sie waren alle Unsinn, geboren aus der Stimmung heraus, die so unsinnig wie selten etwas in meinem Leben war.

Jeder würde sagen, Du solltest mich nach diesen Zeilen ignorieren, Du hast nicht nur das Recht, jetzt stolz zu sein, sondern auch eine Veranlassung. Ich aber rate Dir, nein, bitte Dich, lies’ diese Zeilen noch einmal, bevor Du urteilst!

Ich werde am Donnerstag, dem 13. Februar an der alten Stelle auf Dich warten. Um 19.00 Uhr. Wenn Du nicht daran interessiert bist, so geh’ bitte fünf Minuten früher zum Kreis; wir wollen dann nicht mehr davon sprechen!

Überlege Dir alles sehr genau – ich verehre Dich noch genau so wie früher.

Ich warte um 19.00 Uhr;

Gerhard.