Briefe an Susanne                                                                   Kommentar

86. Gerhard E.                                                  [Solingen], 25.02.1964

Ich schreibe Dir heute aus dem einfachen Grund, weil ich mich aussprechen muß! Der Grund dazu ist das Gespräch von heute Abend. Ich wollte eigentlich nie mit Dir darüber reden, da es nun aber einmal geschehen ist, muß ich Dir noch einiges darüber schreiben, was ich Dir schlecht sagen kann. Deine Einstellung ist völlig richtig, und ich werde Dir gegenüber niemals diesbezügliche Absichten zeigen oder haben! Das mußt Du mir einfach glauben; Du mußt mir vertrauen! Ich hatte immer den Eindruck, daß Du mir Vertrauen entgegengebracht hast und glaube, daß es noch so ist. Ich bitte Dich um nichts mehr als um dieses Vertrauen! Und noch mehr: Ohne irgendwelche hochtrabenden Absichten bitte ich Dich – nein, stelle ich es Dir zur Aufgabe –, achte auf mich, sag mir bescheit, wenn etwas nicht mehr in Ordnung ist und hilf mir, damit ich nie wieder so tief sinke, wie früher einmal. Dies alles lege ich Dir ans Herz, und wenn Du mich wirklich gern hast, dann hilf mir.

Ich will Dich nicht mit meinen Problemen belasten; ich möchte Dir aber sagen, daß ich oftmals nicht einschlafen kann; oft keine Ruhe finde und gerade deshalb das furchtbare Schema unseres Lebens mit allen Anforderungen und Versuchungen verlassen möchte.

Ich kann mit meinen Eltern nicht darüber sprechen und mit meinen Kameraden auch nicht, und mit Dir geht es auch nicht, aber schreiben kann ich Dir und Dir auch vertrauen. Wir brauchen nie wieder davon reden, nur ich möchte auf Dich vertrauen und wissen, daß Du mir Vertrauen schenkst. Ich werde immer Probleme haben, aber das Vertrauen eines Menschen ist unbeschreiblich schön, ganz so schön wie geliebt zu werden.

Trage Du also dazu bei, daß unsere Liebe so auf Vertrauen begründet bleibt, wie bisher. Ich liebe und vor allem achte Dich,

Dein Gerhard.

(Entschuldige bitte die furchtbare Schrift, aber ich fand diesen Brief so wichtig, daß ich ihn gleich jetzt bim Bett schrieb.)