DER TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN

Ein Stück für das Puppentheater

 

 

 

FIGUREN

FRIEDRICH, Müllersohn, dann Prinz

KASPERL LARIFARI

MÜLLER MEHLSTAUB

MECHTHILD, seine Frau

DER KÖNIG

DIE KÖNIGIN

PRINZESSIN IRIS

GRETHEL, Küchenmagd

RÄUBERFRAU

1. RÄUBER

2. RÄUBER

1. STADTSOLDAT

2. STADTSOLDAT

FÄHRMANN

DER TEUFEL

DES TEUFELS GROSSMUTTER

 

 

l. Szene

VOR EINER MÜHLE

(Kasperl kommt angelaufen.)

KASPERL:

Das ist nun wieder eine Bescherung. Mein neuer Herr, der König, versteht das Regieren gut. Uns Bediente jagt er tagein und tagaus ohne Pause von einem Ort zum anderen, und niemals geht's ihm schnell genug. Jetzt hat er mich vorausgeschickt, um Quartier für ihn zu besorgen, denn es zieht ein Gewitter auf und bis zum Schloß ist's noch meilenweit.“Geh zum Müller Mehlstaub!" hat er mir befohlen.“Bei den Müllerleuten gibt es die gleichen fetten Würste und Schinken wie bei den reichsten Bauern, nur stinkt es nicht so nach Schweinestall!“

Und nun muß ich dafür sorgen, daß er auf Kosten der Leute fressen und saufen kann, und in der besten Kammer will er auch schlafen, denn heute schaffen wir den Rückweg nicht mehr. Na, der Kasperl hat nichts davon, der muß in der Küche übernachten und darf an den Knochen nagen.

Heda! Müller Mehlstaub!

MÜLLER (tritt aus der Mühle): Was gibt's?

KASPERL:

Im Namen des Königs: Seine aller gnädigste Mächtigkeit wird sogleich hier erscheinen. Du hast die Ehre, seine Majestät für heute beköstigen und beherbergen zu dürfen.

MÜLLER:

O weh! Der König!

KASPERL:

Na, sehr beliebt scheint er ja nicht bei seinen Untertanen zu sein. Aber was schert‘s mich.

(Ein Gewitter kündigt sich an.)

Sorge dafür, daß seine Herrlichkeit keinen Anlaß zur Klage findet!

MÜLLER:

Der hohe Herr wird mir den besten Schinken auffressen und das gute Bier aussaufen!

KASPERL:

Du sprichst aber nicht sehr respektvoll von deinem Herrn!

MÜLLER:

Respekt? Wo der König doch das Land auspreßt wie eine Zitrone! Aber komm, hilf mir, alles vorzubereiten. Du sollst auch ordentlich zu essen und zu trinken bekommen. Wie heißt du?

KASPERL:

Ich bin der weltberühmte Kasperl Larifari und habe mich dazu herabgelassen, beim König dieses Landes meine außerordentlichen Fähigkeiten zum Wohle des Staates auszuspielen. Ordentlich essen und trinken, ja, das kommt meinen Fähigkeiten in besonderer Weise entgegen. Aber hast du denn keine Angst, daß du wegen deiner aufmüpfigen Reden verhaftet wirst? MÜLLER:

Nein, denn hier schimpfen alle über den König.

KASPERL:

Und keinem passiert etwas deswegen?

MÜLLER:

Das auch nicht, denn das Schimpfen ist nicht verboten in unserem Land.

Komm, wir müssen uns beeilen!

(Es donnert heftiger.)

KÖNIG (tritt auf):

Irgendwie habe ich das Gefühl, hier in dieser Gegend meines Reiches schon einmal gewesen zu sein.

Holla, heraus! – Heda!

(Die Müllerin erscheint.)

He, Frau, sorgt für ein gutes Essen und ein Lager, damit ich die Nacht im Schütze eurer Mühle verbringen kann!

MECHTHILD:

Wir sind erfreut, Eure Majestät bei uns beherbergen zu dürfen ...

KÖNIG:

Spare deine Rede, ich weiß schon, was ihr über mich hinter meinem Rücken redet. Aber schimpft nur tüchtig. Ich treibe die Steuern dennoch ein. Von mir aus könnt ihr reden, was ihr wollt. Hauptsache ihr zahlt! – Das nennt man heutzutage eine aufgeklärte Monarchie, und ich mache mit, weil das modern ist und mich keinen Heller kostet! Ha, ha, ha!

(Friedrich tritt mit einem Krug Bier heraus.)

MECHTHILD:

Das ist der Begrüßungstrunk, Majestät.

KÖNIG:

Ist der Bursche dein Sohn?

MECHTHILD:

Das ist ein Findelkind, Majestät.

KÖNIG:

Ach, wie ging das zu?

MECHTHILD:

Zwanzig Jahre ist's grad her, da fischte mein Mann eine hölzerne Schachtel aus dem Mühlenbach. Und wie er sie aufmacht, liegt ein kleiner Knabe darin und lacht ihn an. Weil ich keine Kinder hatte, behielten wir den kleinen Kerl und nannten ihn Friedrich.

KÖNIG:

Was geht mich das an! – Laßt mich nun allein und bereitet mein Abendmahl! Ich will das aufziehende Gewitter betrachten!

(Beide ab. Das Gewitter kommt näher; es wird langsam dunkler.)

Himmel! Deshalb ist mir die Gegend so bekannt vorgekommen. Ja, genau zwanzig Jahre ist es her, mein Töchterlein Iris war gerade zur Welt gekommen, da habe ich in der Nähe hier bei einfachen Leuten übernachtet. Da war gerade ein Knabe geboren worden, und weil er eine Glückshaut umhatte, wurde ihm von einem alten Weib geweissagt, er werde einst die Prinzessin heiraten. Um das zu verhindern, habe ich den Knaben für schweres Geld den Eltern abgekauft und ihn in einen hölzerne Kiste gepackt. Oben am Fluß warf ich die Kiste ins Wasser, damit ich den ungebetenen Freier loswurde. –

Teufel, so hat der Kerl doch überlebt und ist herangewachsen. Gerade ist mein Töchterlein Iris zwanzig Jahre alt geworden, und wenn ich bedenke, ein hergelaufener armer Müllerbursche sollte nun um sie werben ...

Nein, das darf niemals geschehen! Warte, Bursche, damals bist du dem Tod nur knapp entronnen, nun aber will ich dein Schicksal vollenden, das ich dir schon früher zugedacht hatte. Ha, ha, ha !

(Geht in die Mühle. Nach einigen heftigen Donnerschlägen treten Kasperl und Friedrich heraus.)

KASPERL:

Ich begreife die Leute in diesem Land nicht. Ein jeder schimpft über den König, aber alle lassen es sich seelenruhig gefallen, daß er sie mit seinen hohen Steuern ausnimmt.

FRIEDRICH:

Ja, so manchem braven Mann geht fast die Luft aus, weil der König so goldgierig ist. Riesige Schätze soll er im Keller seines Schlosses aufgehäuft haben, sagt man.

KÖNIG (kommt aus der Mühle):

He, Bursche! Diesen Brief bringst du auf dem schnellsten Weg zur Königin! Säume keinen Augenblick, die Botschaft ist von höchster Wichtigkeit. Den Kasperl gebe ich dir als Begleitung mit. (Ab.)

KASPERL:

Nanu? Da sind wir ja plötzlich zur königlichen Extrapost

befördert worden.

FRIEDRICH:

Und wenn! Eine kleine Wanderung hat noch niemandem geschadet. Schau, das Gewitter hat sich schon fast verzogen, die Sonne bricht wieder durch. Komm, Kamerad; eine Belohnung gibt's obendrein.

KASPERL:

Ob mir diese Wanderung schaden wird oder nicht, das wird wesentlich von der Zuneigung abhängen, die mir die Küchenmagd entgegenbringt, wenn wir im Schloß ankommen; ich habe dort ein Mädchen kennengelernt, mein lieber Mann ... (Beide ab.)

 

2 . Szene

IM WALD VOR EINER HÜTTE

(Es wird schon dunkel. Kasperl und Friedrich treten auf.)

KASPERL:

Warte, Friedrich, meine Füße wollen nicht mehr. Ich bin doch nicht der rechte Kerl, die Qualität der königlichen Post zu verbessern.

FRIEDRICH:

Recht hast du, Kasperl. Der Weg war beschwerlich, und bald wird es dunkel. Da ist eine Hütte, dort wollen wir rasten.

KASPERL:

Vielleicht gibt man uns da tüchtig zu essen und einen behaglichen Unterschlupf für die Nacht.

(Eine Frau tritt aus der Hütte.)

RÄUBERFRAU:

Was wollt ihr hier?

FRIEDRICH:

Wir sind Boten des Königs und bitten um ein bescheidenes Nachtlager.

RÄUBERFRAU:

Was seit ihr? Boten des Königs? Wißt ihr denn nicht, daß in diesem Haus Räuber leben? Die werden kurzen Prozeß mit euch machen, sobald sie heimkehren.

KASPERL:

Au weh, im Wald da sind die Räuber! Wir wollen schnell machen, daß wir aus dem Wald hinauskommen!

(Er läuft fort.)

FRIEDRICH:

Ach was, Kasperl! Sei kein Feigling! Ich bin ein Glückskind und trage nichts bei mir, was einen Räuber interessieren könnte. Eine Bank wird wohl am Herd sein, da will ich mich ein wenig ausruhen.

(Er tritt in die Hütte. )

KASPERL (von der Seitenkulisse):

Der hat aber Nerven. Nein, in ein Räuberhaus kriegen mich keine zehn Pferde hinein. Ich verstecke mich hinterm Haus im Wald und warte den Morgen ab.

(Ab. –  Zwei Räuber treten auf.)

1. RÄUBER:

Das war ein böser Kampf! Um ein Haar hätten uns die Soldaten des Königs in eine Falle . . .

RÄUBERFRAU: Pst! Still! –

(Das Folgende in gedämpftem Ton.)

Im Haus ist einer, der sich als Bote des Königs ausgegeben hat.

2. RÄUBER:

Oho! Das wäre ein Fang!

1. RÄUBER:

Dem schneiden wir die Kehle durch!

RÄUBERFRAU:

Durchsucht ihn erst, ob er etwas Wertvolle bei sich trägt. Vielleicht können wir auch für sein Leben ein Lösegeld erpressen.

2. RÄUBER:

Ja, erst durchsuchen wir das Vögelchen und sehen dann, ob wir es abstechen.

(Alle drei gehen leise ins Haus.)

KASPERL (kommt vorsichtig aus dem Wald):

0 je, o je! Jetzt müßte ich eigentlich etwas für die Rettung Friedrichs tun, doch meine schlotternden Glieder lassen sich kaum bewegen.

(Er schlottert fürchterlich am ganzen Körper.)

Am liebsten liefe ich fort. Doch einen Kameraden darf man nicht im Stich lassen. Aber was soll ich tun? – Am besten schreie ich laut um Hilfe! – Aber halt, still! Ich höre die Räuber kommen. – Ich verstecke mich wieder. (Ab in den Wald; die Räuber treten aus dem Haus.)

2. RÄUBER:

Zeig her, was er in der Tasche hatte!

1. RÄUBER:

Einen Brief. Hier.

2. RÄUBER:

Das Siegel des Königs!

RÄUBERFRAU: Mach es auf!

(Sie erbrechen das Siegel. Der 1. Räuber liest vor.)

1. RÄUBER:

An die Königin!

Sobald der Jüngling namens Friedrich mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er sofort getötet und begraben werden. Alles soll geschehen, bevor ich zurückkehre. – Unterschrift und Siegel .

2. RÄUBER:

Ein schlimmer Streich!

RÄUBERFRAU:

Spare dir dein Mitleid. Der König hat auch keines mit deinesgleichen!

1. RÄUBER:

Ich bin gewiß kein sentimentaler Kerl, aber das ist ein starkes

Stück!

2. RÄUBER:

So behandelt der König seine Untertanen. Der arme Jüngling zieht arglos in den Tod.

1. RÄUBER:

Und weil der König auch gegen uns grausam vorgeht, wollen wir uns rächen und ihm einen Streich spielen. Ich habe da eine Idee. Kommt!

(Sie gehen wieder ins Haus.)

(Es wird dunkel und nach einer dramatischen Zwischenmusik wieder hell. Die Vögel künden den frühen Tag an. Die Räuber treten mit Friedrich aus dem Haus.)

1. RÄUBER:

Dort ist der Weg, der dich bald zum Schlosse des Königs führt.

2. RÄUBER:

Und hier, vergiß den Brief nicht, den du bei dir getragen hast.

FRIEDRICH:

Habt Dank, liebe Leute. Ich will mich nun sputen, damit ich meinen Auftrag pünktlich erledigen kann. Doch wo ist Kasperl, mein Begleiter?

RÄUBERFRAU:

Er hat im Wald übernachtet. Der Hasenfuß wird sich dir bald

anschließen.

KASPERL (tritt auf):

Wie? Was? Ich ein Hasenfuß? – Den Hasen auf dem Fuße war ich wohl die ganze Nacht, um für mich und meinen Freund einen guten Braten zu erjagen. – Doch komm, Friedrich. Hier ist man nicht gebildet genug, um meine empfindsamen, freundschaftlichen Absichten und Taten gebührend würdigen zu können.

(Er zieht Friedrich unter dem Gelächter der Räuber ab.)

 

3. Szene

IM SCHLOSS

(Kasperl allein .)

KASPERL:

Holla! Ist da niemand?

GRETHEL (kommt):

Wer macht denn solchen Lärm? Ach, bloß der Kasperl Larifari. Ich denke, du hast Dienst beim Herrn König.

KASPERL:

Bloß der Kasperl Larifari?! O du unwissendes Kind, muß ich dir erst erzählen, welch bedeutsame Aufgabe mir wegen meiner außergewöhnlichen Fähigkeiten vom König persönlich übertragen wurden, von staatspolitischer Bedeutung gewissermaßen ...

GRETHEL:

Du alter Aufschneider! Bestimmt hat der König dich nach Hause zurückgeschickt, weil du keinen Befehl richtig ausgeführt hast.

KASPERL:

Wie gründlich du mich verkennst, mein Kind. Wisse: Der Herr König vertraute eine wichtige Botschaft an die Erau Königin einem jungen Müllerburschen an und bestimmte mich als seinen Begleiter, weil er nur so sicher sein konnte, daß die Botschaf auch ohne Gefahr durch den wilden Räuberwald in die hiesige Residenz gelangen würde.

FRIEDRICH (stürzt aufgeregt herein):

Stell dir vor, Kasperl, in dem Brief, den ich der Königin überbracht habe, ...

KASPERL:

... steht, daß die Königin dir keinen Heller Botenlohn geben soll!

FRIEDRICH:

Nein, ich soll die Prinzessin heiraten.

KASPERL:

Du? Die Prinzessin heiraten?

FRIEDRICH:

Ja! Auf der Stelle! Noch bevor der König von seiner Reise zurückkehrt! Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum der König so etwas befohlen haben soll. Aber es steht so in dem Brief, den die Königin vorgelesen hat. Und ganz bleich ist sie dabei geworden. –Ich verstehe das nicht.

GRETHEL (leise zu Kasperl):

Nun, Kasperl, wer ist dieser Prinz, den unsere Prinzessin heiraten soll?

KASPERL:

Der? Das ist doch kein Prinz, das ist doch der Friedrich von der Mühle ... Ja, aber ja doch! Herr von der Mühle, Herr Friedrich von der Mühle hat die große Ehre, um die Hand der Prinzessin anzuhalten! Und ich, Kasperl Larifari, bin sein Leibknappe! ha, ha, ha!

FRIEDRICH:

Rede doch nicht solch einen Unsinn, Kasperl!

GRETHEL:

Ja, Herr Friedrich, der redet viel, wenn der Tag lang ist. Aber ich möchte doch genau wisen, was hier passiert ist!

FRIEDRICH:

Da kommt die Prinzessin. – Laßt mich allein mit ihr reden!

KASPERL:

Aber sicher, Herr Friedrich. Komm, Grethel, ich will dir alles nebenan erzählen, heimlich, still und leise, damit wir beide auch alles genau mit anhören können, was hier gesporochen wird. (Er zieht sie hinaus.)

GRETHEL:

Faß mich nicht an, Kasperl Larifari! Ich bin eine anständige Küchenmagd! (Ab.)

IRIS (tritt auf):

Ich bin Iris . – Heute träumte ich von einem wunderschönen Vogel. Sein Gefieder schillerte in allen Farben, doch da stürzte ein Falke aus den Wolken herab und packte ihn mit seinen scharfen Krallen. – Wer bist du?

FRIEDRICH:

Ich heiße Friedrich.

IRIS:

Ich habe von meiner Mutter gehört, daß ich heiraten soll. Was muß ich tun, wenn ich dich geheiratet habe?

FRIEDRICH:

Knöpfe annähen und Hosen flicken.

IRIS:

Du Narr! Das kann ich doch nicht. Das macht die alte Marthe.

FRIEDRICH:

Ja? – Dann mußt du das Essen kochen und immer bei mir sein.

IRIS:

Du Dummkopf! Das Essen bereitet doch die Köchin. – Aber immer bei dir sein, das will ich schon.

FRIEDRICH:

So? Gefalle ich dir?

IRIS:

Ja, ich glaube schon. Aber sage mir, was muß ich in der Ehe noch tun?

FRIEDRICH:

Du mußt mich küssen!

IRIS:

Da kratzt aber der Bart!

KÖNIGIN (tritt ein):

Es ist der Wunsch unseres Herrn, des Königs, daß ihr heiraten sollt. Zwar kann ich den Sinn dieses Befehls nicht einsehen, doch soll sofort alles in seinem Sinne ausgeführt werden.

(Zu Friedrich) Vielleicht ist alles nur ein Scherz und Ihr seid ein Prinz, der incognito reist, in geheimer Mission gewissermaßen ... (lacht gezwungen) ha, ha, ha!

FRIEDRICH:

Nein, Frau Königin, ich bin kein Prinz. Ich habe nur den Befehl des Königs ausgeführt und Euch den Brief überbracht. Mehr weiß ich nicht.

KÖNIGIN:

Du mußt ihn also heiraten, mein Kind. Weißt du, was das bedeutet?

IRIS:

Nein, Mama, aber ich finde ihn schön. Er erinnert mich an den wunderschönen Vogel, den ich im Traum sah.

KÖNIGIN:

Nun, es ziemt sich für eine Prinzessin, den Wünschen ihres Vaters nachzukommen. Folgt mir in die Schloßkapelle. (Die drei ab. Kasperl und Grethel treten ein.)

KASPERL:

Uii! Die hat aber ein Gesicht gemacht wie drei Tage Regenwetter!

GRETHEL:

Ja, ganz giftig hat sie geschaut. Der scheint der plötzliche Schwiegersohn gar nicht zu gefallen. –

Aber wenn das stimmt, was du mir da gerade erzählt hast, Kasperl ...

KASPERL:

Wenn ich es dir doch sage, Grethel; die Räuber haben bestimmt den Brief verändert. Warum sollte unser Herr König denn ausgerechnet einen Müllerburschen als Schwiegersohn wählen?

GRETHEL:

Aber warum haben die Räuber das getan?

KASPERL:

Ja, das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, was ich gesehen habe. Und das war Folgendes: Die Räuber haben Friedrich heute Morgen den Weg zum Schloß gezeigt und ihm dann den Brief für die Königin gegeben, den er am Abend noch bei sich getragen hatte.

(Man hört von ferne den Hochzeitsmarsch.)

GRETHEL:

Jetzt werden sie vermählt! – Wie schön!

KASPERL:

Nun, mein hübsches Kind, das gefällt dir wohl? Wie wäre es, wenn wir ebenfalls in den Hafen der Ehe einliefen?

GRETHEL:

Ach Kasperl! Du bist närrisch. Soll ich einen solchen Hanswurst

heiraten?

KASPERL:

Hanswurst? Wie sprichst du von meinen Vorfahren und Verwandten? – Weißt du nicht, welchem ruhmreichen Geschlecht ich entstamme? Habe ich dir noch nicht von meinen vielfältigen Abenteuern und Heldentaten erzählt?

GRETHEL:

Schweig still, du Angeber. Ich mag dich ja sogar ein bißchen; aber mit dem Heiraten geht's bei mir nicht so flink. Da hat man schon von schlechten Erfahrungen gehört.

STIMME (von draußen):

Grethel, Grethel! Wo steckst du denn schon wieder?

GRETHEL:

Oh, die Köchin ruft. Wenn die mich hier beim Schwätzen mit dir erwischt, geht's mir schlecht. (Ab.)

(Fanfaren ertönen. Der König tritt ein. Von der anderen Seite die Königin und das Brautpaar.)

KÖNIG:

Was geht hier vor?

KÖNIGIN:

Gerade habe ich deine Tochter verheiratet, wie du es befohlen hast.

KÖNIG:

Das habe ich nie und nimmer befohlen, so wahr ich König bin!

KÖNIGIN:

Aber es steht doch so in deinem Brief mit Siegel und Unterschrift.

KÖNIG: Zeig her !

KÖNIGIN:

Nun, ist das dein Brief?

KÖNIG (schreit):

Ohh! Ich bin betrogen und verraten! Was hast du mit dem Brief gemacht,Lümmel?

FRIEDRICH:

Nichts, Herr König. Ich habe ihn so abgegeben, wie Ihr es mir aufgetragen hattet.

KÖNIG:

Irgend jemand hat den Text verändert. Das hier habe ich nie geschrieben!

KÖNIGIN:

Und wie lautetet deine ursprüngliche Botschaft?

KÖNIG:

Nun ja ... Äh, ich ... Das geht niemanden etwas an! –

(Zu Friedrich)

Aber so leicht wirst du nicht mein Schwiegersohn, du hergelaufener Betrüger! Ich stelle die Bedingung, daß du mir, daß du mir (vor Wut fast außer sich) – die drei goldenen Haare vom Haupte des Teufels holst! Dann erst sollst du meine Tochter zur Frau haben! Und wenn du dich nicht augenblicklich auf den Weg machst, so werde ich dich töten lassen!

IRIS: Papa!

(Die königliche Familie ab.)

KASPERL:

Das waren die Räuber!

FRIEDRICH: Wie?

KASPERL:

Die Räuber müssen in der Nacht den Brief verändert haben.

FRIEDRICH:

Aber Kasperl, wozu denn?

KASPERL:

Das weiß ich auch nicht, aber hast du nicht gesehen, wie wütend der König war und wie ihm das Blut in den Kopf geschossen ist, als ihn die Königin nach dem ursprümglichen Befehl gefragt hat? – Da stand gewiß nichts Gutes für dich drin. Hüte dich, Friedrich, der König ist dir nicht wohlgesonnen!

FRIEDRICH:

Ach Kasperl, was habe ich denn getan, daß man mir schaden will? – Nun, wenn ich es mir überlege, dann magst du recht haben. – Ich schwebe in großer Gefahr!

KASPERL:

Und was willst du tun?

FRIEDRICH:

Ich suche den Weg zur Hölle und hole dem König die drei goldenen Haare des Teufels!

KASPERL:

Du willst . . .

FRIEDRICH:

Und du sollst mich begleiten!

KASPERL:

Ich?! – Nie und nimmer!

GRETHEL (hat heimlich gelauscht und kommt aus der Kulise):

Ja, Kasperl Larifari wird ein Held und kehrt siegreich aus der Unterwelt zurück! Sei tapfer, mein Perseus!

STIMME (von draußen):

Grethel, Grethel! Wo steckst du denn schon wieder?

GRETHEL:

Die Köchin! ich muß schnell in die Küche.

KASPERL:

Äh ..., Ja ...,  Nun gut, mein Kind. Ich will deinen Wunsch erfüllen und begleite Herrn Friedrich auf seiner gefahrvollen Reise.

STIMME (von draußen):

Grethel, Grethel! Wo steckst du denn schon wieder?

(Grethel ängstlich ab, Kasperl ruft laut hinterher.)

KASPERL:

Dann kehre ich siegreich heim und befreie meine Andromache aus den tückischen Klauen der königlichen Oberköchin!

FRIEDRICH:

Komm, Kasperl! Die Ungeduld drängt mich, hinauszuziehen, und sollte es bis an das Ende der Welt sein!

KASPERL:

Na, das Ende der Knackwurst wäre mir lieber, aber wenn es nun einmal sein muß, so laß uns schnell ziehen, damit wir bald vom Ende der Welt wieder hier im Schloß zurück sind. Dann heirate ich eine hübsche Küchenmagd und esse die Knackwürste bis zum Ende!

FRIEDRICH:

Und ich bekomme meine Iris wieder, die mir zwar kaum bekannt aber schon vermählt ist. Unverliebt wurde ich getraut, kaum vermählt habe ich mich verliebt! Und schon trennt uns das unerbittliche Schicksal. Was mir unverdient zugefallen ist, wird mir jetzt ungerecht vorenthalten. Also muß ich es mir erneut erwerben.

IRIS(erscheint):

Der du mir unverhofft nahekamst, wirst mir schon wieder entfernt. Der Falke schlug den schönen Vogel! O es ist schrecklich! –

Sei ein Held, Friedrich, mein Held, und kehre bald zurück!

(Friedrich und Kasperl ab.)

 

4. Szene

VOR EINER STADT

(1. Stadtsoldat steht Wache. Friedrich und Kasperl kommen.)

1. STADTSOLDAT:

Halt! Woher? Wer seid ihr und wohin?

KASPERL:

Wir sind die unerschrockenen Reisenden zum Ende der Welt und fürchten uns weder vor Hölle noch Teufel.

1. STADTSOLDAT:

So? Und was könnt ihr?

FRIEDRICH:

Ja, was können wir denn eigentlich, Kasperl?

KASPERL:

Wir können alles!

1. STADTSOLDAT:

So könnt ihr uns einen Gefallen tun, wenn ihr uns sagt, warum unser Marktbrunnen, aus dem sonst immer Wein quoll, trocken geworden ist und nicht einmal mehr Wasser gibt.

KASPERL:

Oho! Einen solchen Weinbrunnen möchte ich mir wohl gefallen lassen. Da wäre ich gerne städtischer Brunnenwächter!

FRIEDRICH:

Das sollt ihr erfahren. Wartet nur, bis wir wiederkommen!

(Beide ab.)

 

5. (ZWISCHENSZENE)

KASPERL:

Das würde schrecklich langweilig, wenn wir euch nun alle weiteren Stationen vorstellen würden, an denen wir auf unserem weiten Weg bis ans Ende der Welt vorbeigekommen sind. Darum erzähle ich nur von den wichtigsten, dann geht's schneller! Als nächstes kamen wir wieder an ein solches Stadttor. Da fragte uns der Wächter:

2. STADTSOLDAT (tritt auf):

Warum treibt ein Baum in unserer Stadt, der sonst immer goldene Äpfel trug, jetzt nicht einmal mehr Blätter hervor?

(Ab.)

KASPERL:

Friedrich versprach ihm baldige Antwort, und wir trabten weiter. Nach vielen aufregenden Abenteuern taten mir schon wieder die Füße weh, als wir an einen Fluß kamen. Wir riefen den Fährmann, daß er uns überfahren sollte. Der aber bat uns um einen Gefallen:

FÄHRMANN (tritt auf.):

Sagt mir, warum ich immer hin und her fahren muß und niemals abgelöst werde. (Ab.)

KASPERL:

Friedrich sagte auch hier zu, und wir kamen bald an ein rußiges Tor, das führte uns direkt in die Hölle. Hu! heiß und stickig war's darin. Der Teufel war gerade nicht zuhause, doch seine Großmutter war zu sprechen. Friedrich ging mutig zu der Alten hin, ich aber hatte eine Nebenkammer entdeckt, da hingen in langen Reihen Hanswurste. Ich grüßte meine Vettern und fragte, was sie da machten. Sie antworteten, immer wenn der Teufel dahin gehen müsse, wohin auch Kaiser und Könige zu Fuß gehen, nehme er sich einen von ihnen vom Haken, um sich hinterher seinen Allerwertesten damit abzuwischen. Ob ich nicht dableiben wolle, es würden jede Menge von Hanswursten gebraucht, weil der Teufel eine höllische Verdauung habe. – Da dankte ich schön und sah mich in den weitläufigen Räumen der Hölle nach anderen Mitgliedern meiner großen Familie um.

Was Friedrich inzwischen erlebte, zeigen wir euch gleich. Aber vorher machen wir eine kleine Pause, damit ihr euch ein wenig vom anstrengenden Zuschauen erholen könnt! Und wenn einige von euch dahin gehen, wohin auch Kaiser und Könige zu Fuß gehen müssen, dann nehmt euch in acht, wenn ihr dort dem Teufel begegnet!

PAUSE

 

 

6. Szene

IN DER HÖLLE

(Friedrich vor des Teufels Großmutter.)

FRIEDRICH:

Die sieht gar nicht so böse aus. Nur Mut, jetzt gilt's! (laut) Einen schönen guten Abend!

GROSSMUTTER:

Was willst du hier?

FRIEDRICH:

Ich wollte gerne drei goldene Haare von des Teufels Kopf, sonst kann ich meine Frau nicht behalten.

GROSSMUTTER:

Das ist freilich viel verlangt! Wenn der Teufel heimkommt, geht's dir an den Kragen. Aber du dauerst mich. Ich will dich verstecken und sehen, ob ich dir helfen kann.

FRIEDRICH:

Ich möchte aber gerne noch drei Dinge wissen: Warum ein Brunnen, aus dem sonst Wein quoll, trocken geworden ist, jetzt nicht einmal mehr Wasser gibt; warum ein Baum, der sonst goldene Äpfel trug, nicht einmal mehr Laub treibt; und warum ein Fährmann immer herüber und hinüber fahren muß und nicht abgelöst wird.

GROSSMUTTER:

Das sind schwere Fragen, aber halte dich nur ruhig und still. Dann achte auf das, was der Teufel sagt, wenn ich ihm die drei goldenen Haare ausziehe. Doch schnell jetzt, ich höre ihn kommen.

(Während Friedrich sich versteckt, donnert es immer lauter, und der Teufel erscheint.)

TEUFEL:

Huu! Wie das stinkt! Ich rieche, rieche Menschenfleisch!

(Er sucht und wirft alles durcheinander.)

GROSSMUTTER:

Eben habe ich gekehrt und alles in Ordnung gebracht. Nun wirf mir nicht alles wieder durcheinander! Du hast immer nur Menschenfleisch in der Nase. Setz dich hin und iß dein Abendbrot!

TEUFEL:

Habe keinen Hunger heute. War ein schwerer Tag. Habe mich ungeheuer anstrengen müssen, um lumpige fünfzig Seelen in die Hölle zu holen. Seit die Leute nicht mehr an mich glauben, entwischen mir selbst die größten Sünder noch im allerletzten Augenblick.

Ich werde mich beschweren! Die da oben Arbeiten mit unlauteren Mitteln heutzutage: Kirchenfunk, Religionsunterricht und Wort zum Sonntag. Kein Wunder, daß bei solch einer himmlischen Schleichwerbung für unsereinen nur noch ein paar unbedeutende Seelen übrigbleiben.

Du sollst mich ein wenig lausen! So vergesse ich die Schlechtigkeit der Welt.

(Er legt ihr den Kopf in den Schoß und schläft ein. Nach einer Weile reißt sie Alte ihm ein goldenes Haar aus.)

Autsch! Was hast du vor?

GROSSMUTTER:

Ich habe einen schweren Traum gehabt und dir dabei in die Haare gefaßt.

TEUFEL:

Was hat dir denn geträumt?

GROSSMUTTER:

Mir hat geträumt, ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, sei versiegt, und es habe nicht einmal mehr Wasser daraus fließen wollen. Was ist wohl daran schuld?

TEUFEL:

He, he! Wenn sie's wüßten! Es sitzt eine Kröte unterm Stein im Brunnen, wenn sie die töten, so wird der Wein schon wieder fließen.

Jetzt will ich aber schlafen!

(Er legt ihr wieder den Kopf in den Schoß; das Spiel wiederholt sich.)

Hu! Was machst du?

GROSSMUTTER:

Nimm's mir nicht übel, ich habe es wieder im Traum getan.

TEUFEL:

Was hat dir wieder geträumt?

GROSSMUTTER:

Es hat mir geträumt, in einer Stadt stände ein Obstbaum, der hätte sonst goldene Äpfel getragen und wollte jetzt nicht einmal mehr Laub treiben. Was ist wohl die Ursache davon?

TEUFEL:

He, he! Wenn sie's wüßten! An der Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die töten, so wird es schon wieder goldene Äpfel tragen, nagt sie aber noch weiter, so verdorrt der Baum gänzlich. Aber laß mich jetzt mit deinen Träumen in Ruhe. Wenn du mich noch einmal im Schlaf störst, so kriegst du eine gewaltige Ohrfeige!

(Er legt sich wieder zum Schlafen hin, und sie zupft zum dritten Mal . )

Auu! Ich werde dich lehren, den Teufel im Schlaf zu stören, verdammtes Weib!

GROSSMUTTER:

Beruhige dich, ungestümer Kerl, und laß dir erst erklären.

TEUFEL:

Ich will keine Erklärungen, ich will meine Ruhe haben! Das war ein anstrengender Tag, und es ist kein Kinderspiel, heute den Teufel abgeben zu müssen!

GROSSMUTTER:

Wenn du immer nur rumschreist, kann ich dir auch nichts

erzählen.

TEUFEL :

Nun, was hat dir denn diesmal geträumt?

GROSSMUTTER:

Mir hat von einem Fährmann geträumt, der sich beklagt, daß er immer hin und her fahren müsse und nicht abgelöst werde. Was ist wohl schuld?

TEUFEL:

Ha, der Dummbart! Wenn einer kommt und will überfahren, so muß er ihm die Stange in die Hand drücken, dann muß der andere überfahren und er ist frei. Aber, du hast seltsame Träume, denn alle die Dinge sind wahr, weil ich sie gemacht habe! –

Alte, da stimmt etwas nicht. Erst der Menschenfleischgeruch und dann deine seltsamen Träume. Ich muß wohl einmal in meinem höllischen Reich nach dem Rechten sehen. Da ist doch eine Teufelei im Gange!

(Unter Getöse ab.)

GROSSMUTTER:

Komm schnell hervor!

FRIEDRICH (erscheint):

Da bin ich schon. Der Kerl war aber wütend.

GROSSMUTTER:

Du hast ja gehört, was der Teufel zu deinen drei Fragen gesagt hat. – Hier sind die drei goldenen Haare.

FRIEDRICH:

Da danke ich auch recht schön.

KASPERL (kommt angelaufen):

Huu! Da gibt es plötzlich ein Getöse in der Hölle! Überall stürzen die Felsen zusammen, die Feuer brennen und zischen und ein unerträglicher Qualm breitet sich aus.

GROSSMUTTER:

Ihr müßt schnell machen, daß ihr fortkommt!

KASPERL:

Pfui, was ist das für ein häßlicher Drache?

FRIEDRICH:

Aber Kasperl! Die Frau Großmutter hat mir die drei goldenen Haare vom Haupte des Teufels gegeben.

KASPERL:

Na, dann nehme ich den „häßlichen Drachen“ schnell zurück und rufe: Danke, Großmama! (Zum Publikum) Aber stinken tut sie erbärmlich nach Pech und Schwefel.

GROSSMUTTER:

Lauft, daß ihr schnell aus der Hölle hinauskommt. Wenn der Teufel weiter so durch sein Reich tobt, wird er euch bald entdecken. Und dann kann ich nichts mehr für euch tun. Wenn ihr aber den Ausgang erreicht, so ist er machtlos und muß euch ziehen lassen. Denn was der Teufel einmal verloren hat, das kann er nicht mehr verderben! Also sputet euch.

FRIEDRICH:

Nochmals: Vielen Dank! – Komm, Kasperl.

KASPERL:

Nichts für ungut, liebe Großmama. Ich werde Ihre Großmut rühmen, wenn ich je dieses Stinkloch lebend verlassen sollte. (Man hört den Teufel kommen.)

FRIEDRICH: Lauf, Kasperl!

KASPERL:

Ich laufe ja schon. Ich laufe doch immer weg, wenn's brenzlich wird. Und hier brennt sogar schon die Luft wie in der Hölle. – Ha, welch ein Witz! (Beide ab.)

TEUFEL (kommt angeschnaubt):

Ha, Alte! Ich habe dich erwischt! Du hast Menschen vor mir versteckt. Wo sind sie?

GROSSMUTTER:

Ach, du hast schlecht geträumt, Junge. Hier sind keine Menschen, so wahr ich des Teufels Großmutter bin.

TEUFEL:

Aber das Menschenfleisch! Ich rieche Menschenfleisch! – Nein, es ist heutzutage kein Vergnügen mehr, Teufel zu sein. Die Menschen sind so neugierig, daß sie sich nicht einmal mehr scheuen, die Hölle zu betreten. Wenn das so weitergeht, wird unser Reich noch zur Touristenatraktion, und ich muß ihnen etwas vortanzen.

(Blickt wild um sich.) Da! Am Ausgang sehe ich zwei laufen. –Uhh, sie sind draußen, und ich habe keine Gewalt mehr über sie – Das werden mir die verdammten Seelen büßen, die ich in meinen verzweifelten Höllenverließen gefangen halte. Einen von den beiden kenne ich. Das ist der Kasperl Larifari. Der treibt sein Unwesen gerade in NN ; da habe ich eine Idee! Aus NN habe ich hier noch XX, an denen werde ich jetzt meine Wut austoben! (NN: der Spielort; es folgt eine Anspielung auf dem Publikum bekannte Personen (XX).)

 

7. Szene

AM FLUSS

(Friedrich und Kasperl erschöpft.)

KASPERL:

Ui! Das war knapp!

FRIEDRICH:

Beinahe hätte der Teufel uns beim Kragen gehabt. – Und wie hat dir die Hölle gefallen?

KASPERL:

Überhaupt nicht. Ich traf weitläufige Verwandte, die mir dringend von den dortigen Arbeitsplätzen abgeraten haben. –Und wie ist es dir ergangen?

FRIEDRICH:

Die drei goldenen Haare habe ich; und nun schnell nach Hause, damit wir unsere Frauen umarmen können!

KASPERL:

0 ja, ich umarme nämlich gerne Frauenzimmer, besonders wenn sie so enge Beziehungen zur Küche unterhalten wie Grethel.

FRIEDRICH (ruft): Fährmann, hol über!

KASPERL:

Der Kerl gefällt mir nicht, hat so eine klapperdürre Knochengestalt. Hast du seine Finger gesehen, als er uns den Obolus abnahm? Die reinsten Knochenhände!

FRIEDRICH:

Keine Bange, Kasperl. Wir haben die Gefahren der Hölle überstanden und werden den Rückweg schon meistern. Außerdem sind wir dem Fährmann noch eine Antwort schuldig.

FÄHRMANN (kommt angefahren):

Nun? Wie lautet die Antwort auf meine Frage?

FRIEDRICH:

Fahr uns erst hinüber, dann will ich dir Antwort geben.

FÄHRMANN:

Dann kommt. Es ist seltsam, herüber habe ich schon viele gebracht, hinüber aber nur wenige.

(Sie steigen ein und werden übergesetzt.)

KASPERL:

Hu! Der Stangenkerl ist mir nicht geheuer, der sieht aus wie der Tod! (Sie steigen aus.)

FÄHRMANN:

Halt! Die Antwort!

FRIEDRICH:

So höre, wie du abgelöst werden kannst: Wenn wieder einer kommt und will übergefahren werden, so gib ihm nur die Stange in die Hand, dann spring ab; der andere muß nun fahren, und du bist frei.

(Der Fährmann verschwindet; Kasperl und Friedrich wandern weiter. )

KASPERL:

Ich freue mich auf einen kräftigen Schluck aus den königlichen Kellern und hätte auch gegen einen saftigen Braten nicht das geringste einzuwenden!

FRIEDRICH:

Immer denkst du nur an Essen und Trinken. Ich freue mich schon auf das holdselige Antlitz der Prinzessin, wenn sie endgültig meine Frau wird!

(Sie kommen zum 2. Stadtsoldaten.)

2. STADTSOLDAT:

Halt! Ihr seid vom Ende der Welt zurückgekehrt. Nun verlange ich Antwort auf meine Frage: Warum ist der Baum unfruchtbar, der immer goldene Früchte trug?

FRIEDRICH:

Tötet die Maus, die an seiner Wurzel nagt, so wird er wieder

goldene Früchte tragen!

KASPERL (zum Publikum):

Hier droht unser Spiel wieder außerordentlich langweilig zu werden, denn wie können wir euch zumuten, so lange abzuwarten, bis der städtische Oberkammerjäger erfolgreich die Maus, die an den Wurzeln des Baumes nagt, mit eigenen Händen erschlagen wird, die Bürger anschließend neugierig den Baum betrachten, ob sich etwas verändert, dann ein leises Raunen von sich geben, wenn die ersten Blätter sprießen, und schließlich in ein freudiges Brüllen ausbrechen, wenn sich der erste goldene Apfel zeigt ...

(Lautes Brüllen:“Hurra, hurra, hurra! Der erste goldene Apfel ist da!“)

Ich will das alles abkürzen, und darum erzähle ich es euch: Friedrich und ich wurden von den braven Bürgern beklatscht und bejubelt; ein riesiges Fest wurde zu unseren Ehren gefeiert, wir bekamen zu essen und zu trinken, wie es sonst nur Fürsten zuteilwird. Und ich muß euch sagen, der Friedrich hat sich – obgleich er nur ein Müllerbursche ist –, fürstlich dabei betragen!

Schließlich haben uns die Bürger drei mit Gold beladene Esel geschenkt, mit denen wir unsere Heimreise fortsetzten. Bald kamen wir vor das Tor der anderen Stadt. Hier erging es und wie beim ersten Mal.

(Der 1. Stadtsoldat erscheint.)

1. STADTSOLDAT:

Halt! Ihr seid vom Ende der Welt zurückgekehrt. Nun verlange ich Antwort auf meine Frage: Warum ist unser Weinbrunnen versiegt und gibt nicht einmal mehr Wasser?

KASPERL:

Friedrich erklärte ihm, daß sie die Kröte, die unter einem Stein saß, töten müßten. Das taten die Bürger auch sogleich, und schon floß wieder der herrlichste Wein.

(Lautes Brüllen: „Hurra, hurra, hurra! Der Wein fließt wieder! Hurra!“)

Und ihr könnt es glauben oder nicht: Es wurde ein noch prächtigeres Fest gefeiert als in der anderen Stadt. Schließlich haben uns die Bürger drei weitere mit Gold beladene Esel geschenkt, so daß wir mit ihrer sechs den Heimweg antreten konnten. Was dann zuhause, in der Residenzstadt, geschehen ist, zeigen wir euch im nächsten Bild. (Ab.)

 

8. Szene

IM SCHLOSS

(Der König auf dem Thron, Friedrich.)

FRIEDRICH:

Hier, Majestät, überreiche ich euch wie gefordert die drei goldenen Haare vom Haupte des Teufels.

KÖNIG:

Es sind die Haare! Du hast die Aufgabe wirklich erfüllt!

FRIEDRICH:

Nun verlange ich meine Frau Iris!

KÖNIG:

Es ist in unserem Reich nicht üblich, daß ein mittelloser Lümmel die Prinzessin heiratet!

FRIEDRICH:

Ihr habt es doch selber befohlen.

KÖNIG:

Je nun, es war ein Irrtum, sagen wir: Ein Schreibfehler!

FRIEDRICH:

Und was die Mittel angeht: Arm wie nach Eurer Vorstellung ein Müllerbursche zu sein hat, bin ich nun auch nicht mehr. Draußen im Hof stehen sechs mit Gold beladene Esel, die wir von unserer Reise mitgebracht haben.

KÖNIG:

Sechs mit Gold beladene Esel? Wer sollte dir solche Schätze schenken?

FRIEDRICH:

Geht doch hinaus und überzeugt euch selber!

KÖNIG:

Das werde ich auf der Stelle tun und mir dann überlegen, welche Aufgaben du als nächstes zu lösen hast. (Ab.)

FRIEDRICH:

Kasperl! (Kasperl erscheint.)

Hast du das gehört?

KASPERL:

Jedes Wort. Ein starkes Stück!

FRIEDRICH:

Er will sein Wort nicht halten.

KASPERL:

Erst schickt er uns in Abenteuer und Gefahren und nun ...

FRIEDRICH:

Das Maß ist voll! Ich habe ihm die goldenen Haare des Teufels gebracht. Jetzt bin ich ihm keinen Dienst mehr schuldig. (Die Königin erscheint.)

KÖNIGIN:

Herr Friedrich, ich höre, das Ihr zurückgekehrt seid. Ich bin froh. Seit Ihr weggegangen seid, befindet sich meine Tochter Iris in einem unbeschreiblichen Zustand der Trauer und Verzweiflung. Die Augen hat sich das Kind fast ausgeweint, das Essen hat sie kaum angerührt. Wenn ich auch als Königin grundsätzliche Bedenken gegen eure Verbindung habe, so muß ich als Mutter doch wünschen, daß mein Kind glücklich wird. Wenn Ihr die Bedingungen, die mein Mann gestellt hat, nun erfüllt habt, so soll ein zweites Mal geheiratet werden.

KASPERL:

Das war ein königliches Wort!

(Der König kommt.)

KÖNIG:

Außerordentliche Schätze sind es, die du da aus der Fremde mitgebracht hast.

FRIEDRICH:

Ich schenke Euch meinen Anteil, der Kasperl mag über seinen frei verfügen.

KÖNIG:

Nicht nötig, ich habe schon Befehl gegeben, das Gold in meine Schatzkammer zu tragen. Es ist alles mein! mein! mein! Du mußt mir sagen, wo du es her hast!

KÖNIGIN:

Das hat Zeit. Zuerst sollen die Kinder ein zweites Mal heiraten Und diesmal wird eine richtige Feier daraus!

KÖNIG:

Dummes Zeug! Hier auf der Stelle sollst du uns sagen, wo du das viele Gold her hast, oder ich lasse dich auspeitschen, Lümmel!

KA5PERL:

Das ist arg, Herr König. Herr Friedrich hat ein Recht ...

KÖNIG (wütend):

Schweig still, Kasperl! Sonst lasse ich dir die Zunge aus dem Maul reißen! Schafft mir diesen Hanswurst aus den Augen!

FRIEDRICH:

Halt! Wir wollen unser Geheimnis verraten. Wir haben das Gold gefunden, nicht wahr, Kasperl?

KASPERL:

Aber das stimmt doch nicht!

FRIEDRICH:

Doch, doch! Erinnerst du dich nicht an den Fährmann? Am anderen Ufer des Flusses liegt jede Menge Gold einfach so herum. Man muß es nur aufheben.

KASPERL:

Aber ja, der Herr Friedrich hat recht. Wir brachten es mit von jenseits des Flusses. Der Fährmann! der Fährmann! ja, der Fährmann!

KÖNIG:

Wo ist der Fluß, und was hat es mit dem Fährmann aufsich? –Aber halt, hier in aller Öffentlichkeit darf so ein wichtiges staatspolitisches Thema nicht besprochen werden. Folge mir in mein Privatgemach, da können wir ungestört miteinander sprechen, Bursche! (König und Friedrich ab.)

KÖNIGIN:

Seine Goldgier wird uns noch ins Verderben bringen!

(Prinzessin Irist tritt auf.)

IRIS:

Wo ist er? – (fürchterlich tragisch) Nein, sprecht nicht, er ist tot. Der furchtbare Traum ist schreckliche Wirklichkeit geworden: Der Falke hat sein Opfer geschlagen.

KÖNIGIN:

Ruhig, mein Kind. Er lebt! Er spricht gerade mit deinem Vater

IRIS:

Er lebt? – Und wir dürfen zusammenbleiben?

KÖNIGIN:

Geduld, mein Kind, Geduld!

IRIS:

Ich will mich aber nicht gedulden, ich will meinen Friedrich!

KASPERL:

Wenn ich mich da einmal einmischen darf: Ich glaube, daß sich die Sache bald zu einem für alle Beteiligten gerechten Ende fügen wird. – Der Fährmann! der Fährmann! ja, der Fährmann!

FRIEDRICH (kommt):

Der König ist schon fort. Er will sich viel vom Gold holen.

KÖNIGIN: Wie? Fort?

IRIS: Papa !

KÖNIGIN:

Der König hat sein Land im Stich gelassen! Ihm bedeutet das Glück seines Kindes nichts, und das Wohl seiner Untertanen ist ihm auch egal. Dann werde ich die Sache in die Hand nehmen.

Hiermit befehle ich: Es wird sofort ein zweites Mal geheiratet!

(Ab.)

IRIS:

Ja! Mein Friedrich! (Sie fallen sich in die Arme.)

KASPERL:

Wo hast du den König hingeschickt, Friedrich?

FRIEDRICH:

Nirgendwo habe ich ihn hingeschickt. Er wollte ganz genau wissen, wie wir an die Schätze gekommen sind. Na, da habe ich ihm unseren Weg vom Anfang bis zum Ende genau beschrieben.

KASPERL:

Und hast du ihm vom Fährmann erzählt?

FRIEDRICH:

Aber ja! Ich habe ihn gewarnt, er solle aufpassen, daß ihn der Fährmann auch wirklich übersetzt. Er aber sagte, das solle ich ruhig seine Sache sein lassen; und weg war er!

KASPERL:

Sehr gut! Der erhält seinen gerechten Lohn. Der muß ewig fahren.

(Die Königin kommt zurück.)

KÖNIGIN:

Gerade hat man mir berichtet, daß ein vor kurzer Zeit gefangener Räuber gestanden hat, den Brief, den Friedrich mir überbringen sollte, verfälscht zu haben. Der König wollte dir Übles antun; ich werde es wieder gutmachen. Ich habe den Befehl gegeben, eine prächtige Hochzeit auszurichten. Sei mir als Schwiegersohn willkommen, Friedrich!

FRIEDRICH: Mama !

KÖNIGIN:

Der König hat sein Land verlassen. Er ist vor Goldgier verrückt geworden. Jetzt regiere ich. Hiermit setze ich euch, meine Kinder, als Herrscher über dieses Land ein, bestimme aber, daß Friedrich zuerst eine angemessene Erziehung zum Prinzen erfahren soll, während ich meine Tochter auf die Ehe vorbereite.

KA5PERL:

Hurra, hurra, hurra!

FRIEDRICH:

Ich bin bereit. Zuvor ein Wort zu Kasperl. Du hast dich wacker geschlagen und bist auf meinen gefahrvollen Wanderungen bei mir gewesen. Die Hälfte unseres Goldes ist dein. Du kannst damit hingehen, wo immer du willst, Freund.

KASPERL:

O nein, das Gold lockt mich nicht, Herr Friedrich. Ich wünsche etwas ganz anderes. Ich möchte nämlich eine Küchenmagd heiraten, eine gewisse Mamsell Grethel.

GRETHEL (schnell herein): Ja, mein Held, heirate mich!

KASPERL:

Warte, teures Kind, ich habe noch einen Wunsch. Wenn du nämlich König wirst, Herr Friedrich, so möchte ich die ausgedehnten Wein– und Bierkeller der Residenz verwalten. Und Grethel machen wir zur Oberköchin!

KÖNIGIN:

Das sei deine erste Amtshandlung, lieber Schwiegersohn. Du darfst frei entscheiden. Die jetzige Oberköchin nehme ich mit aufs Altenteil. Regiere gerecht und weise!

FRIEDRICH:

Ich nehme dein Gold in Verwahrung, Kasperl. Du sollst in meinen Diensten bleiben und Grethel auch. Sorgt für gutes Essen und Trinken bei den vielen Festen, die dieser Hof noch erleben soll, Ihr beide sollt mit uns gemeinsam Hochzeit halten!

IRIS:

Mein Friedrich!

GRETHEL: Mein Kasperl!

(Die Paare umarmen sich. Hochzeitsmarsch.)

KASPERL:

Und sollte einer der Zuschauer das Gefühl haben, wir hätten es mit der Wahrheit dem König gegenüber nicht so genau genommen, dem sei versichert: Er ist ganz allein in sein Verderben gelaufen; wir haben der Gerechtigkeit nur ein kleines bißchen nachgeholfen.

(Sie gehen zu den Klängen des Hochzeitsmarsches ab.)