Doktor Faust

nach alten Puppenspieltexten bearbeitet

 

 

 

FIGUREN

Johannes Faust, Doktor der Theologie und Professor

Wagner, sein Famulus

Hanswurst, Fausts Diener, dann Nachtwächter

Der Kaiser

Die Kaiserin

Orestes, ein kaiserlicher Rat

Charon, Fährmann

Pluto, Höllengott

Mephistopheles

Auerhahn

Chil

Dilla

Oron

Leviathan

Helena, eine Erscheinung

 

Der Schauplatz ist abwechselnd der Spielort (NN) und Wien

 

 

 

VORSPIEL

l. Szene

CHARON (singt):

Ich, der Charon, will jetzt fahren

Über Stix und Acheron,

Dass ich die verdammten Scharen

Führ‘ zur Höll‘ auf meinem Kahn,

Doch es kommen wenig an,

Die ich überfahren kann.

Drum ist mir mein Dienst zuwider,

Den ich bis dahin verricht‘,

Ich leg ihn mit Freuden nieder

Und verwalt’ ihn ferner nicht,

Dann wird Pluto sauer sehn,

Wenn ich aus seinem Dienst werd’ geh’n.

Eröffne dich sogleich, du Hölle!

Pluto komme selbst heraus,

Zeig dich mir nur bald und schnelle,

Öffne gleich dein Höllenhaus!

Denn dein Charon will mit Freuden

Deinen Dienst von jetzt an meiden.

redet:

Ich beschwöre dich, Pluto, bei dem großen Stix, gleich vor mir zu erscheinen!

 

2. Szene

PLUTO:

Welcher vermessene Höllengeist wagt es, mich in der mutigen Umarmung meiner Höllengöttin Proserpina zu stören?

CHARON:

Ich habe dich gerufen, Pluto, Ich bin gekommen, deine höllischen Geister bei dir anzuklagen.

PLUTO:

Worin besteht deine Anklage?

CHARON:

Deine höllischen Geister bringen mir zu wenige Seelen in meine Barke, so dass sich mein Dienst nicht mehr lohnt. Auch sind bei den Wenigen, die ich überfahre, zu wenig große Seelen, Was nützt uns dann und wann ein Bankrottier? Die sind meiner Mühe nicht wert!

PLUTO:

Besänftige dich, Charon, gleich will ich meine Geister herbeirufen und ihnen meine Befehle erteilen. Ich werde sie aussenden in alle Welt, damit sie die Menschen verführen. Auch soll bald eine große Seele unser Schicksal in der Unterwelt teilen!

CHARON:

Weil Pluto das verspricht,

Tret’ ich wieder in meine Pflicht.

ab

 

PLUTO:

Auf, auf! ihr Geister, auf! Erscheint vor mir schnelle! Streut Schwefel, Pech an Ort und Stelle!

sechs Geister erscheinen

 

 

3. Szene

DREI GEISTER:

Deine Untergebenen erwarten deinen Befehl, Pluto!

PLUTO:

Seid mir willkommen, ihr mächtigen Fürsten der Hölle! Wollust durchglüht mich, wenn ich über euch hinblicke; noch sind wir das, was wir damals waren, als wir vom Ewigen in diesen scheußlichen Abgrund geschleudert wurden.

Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr saumselig seid, darum schicke ich euch aus, die Menschen zu verderben.

Du, Chil, nimmst dich der Ärzte an und verdirbst die Menschen mit den Pfeilen der Pest!

Chil unter Geheul ab

Du, Dilla, sähest Zwietracht unter die Menschen und brichst überall Kriege vom Zaum!

Dilla unter Geheul ab

Du, Oron, erweckst Wollust unter den Sterblichen, vergiß aber die Geistlichen nicht!

Oron unter Geheul ab

Dich, Mephistopheles, den geschmeidigsten Verführer und grimmigsten Hasser der Menschheit, fordere ich auf, mir die Seele des kühnen Johann Faust zu erkaufen, der wie wir mit dem Ewigen hadert. Fahre hinauf, verjage den Dunst der Weisheit aus seinem Hirn, senge durch das üppige Feuer der Wollust die edlen Gefühle seiner Jugend aus seinem Herzen, treibe ihn schnell durch das Leben! Wenn dann sein innerer Wurm erwacht, male ihm mit höllischer Beredsamkeit die Folgen seiner Taten aus. Ergreift ihn dann Verzweiflung, so schleudere ihm herab und kehre siegreich in die Hölle zurück!

Auerhahn und Leviathan werden mit dir fahren und dich mit ihren Diensten unterstützen.

MEPHISTOPHELES:

Beim großen Stix schwöre ich dir: Der Verwegene muss einst seine Geburtsstunde verfluchen!

DREI GEISTER:

Es lebe Faust, es lebe Faust!

 

 

ERSTER AUFZUG

l. Szene

Fausts Studierzimmer

FAUST:

Quot capita tot sensus – viele Köpfe, viel Sinn, Der eine hat Lust zur Malerei, der andere zur Medizin; einer hat sich dem Studium der Theologie ergeben, der andere sucht seinem Stand ein hohes Ansehen zu geben.

Nemo sua sorte contentus est – niemand ist mit seinem Stand zufrieden. So wie der verächtliche Bettler auf der Straße doch zumindest ein Bauer werden möchte, so will der Bauer ein Bürger, der Bürger ein Edelmann und der Edelmann ein Fürst werden.

Auch ich gedenke, mein Ansehen zu erhöhen, deshalb habe ich mich auf das Studium geworfen und es hier zu einem gelehrten Doktor und Professor der Theologie gebracht, Aber was ist das schon?

Ich habe viel von der Planeten Eigenschaften gehört und gelesen, dass der Himmel rund sei; also möchte ich die Beschaffenheit des Firmaments, der Planeten und aller Elemente recht erkunden.

Doch was hilft dazu die Theologie?

Darum habe ich beschlossen, es einmal mit der Magie zu versuchen; also will ich das Studium theologicum aufgeben und mich dem studio nigromantico zuwenden. Wenn die höllischen Geister mit ihrer Geschicklichkeit imstande sind, meine geheimsten Wünsche zu befriedigen, so wird auch mein Ansehen vor aller Welt vergrößert werden.

STIMME VON RECHTS:

Faust, fahre fort mit dem studio theologico und meide das Studium nigromanticum oder du bist in Ewigkeit verloren.

STIMME VON LINKS:

Faust, fahre fort in dem Studium nigromanticum, so wirst du der gelehrteste Doktor werden, der jemals in Afrika, Amerika, Asia und Europa gelebt hat.

FAUST:

Was höre ich? Zwei widerstreitende Stimmen, eine zu meiner Rechten, die andere zur Linken. Die zur Rechten zur Theologie, die zur Linken zur Nigromantie,. Zu meiner Rechten: Was bist du für eine?

STIMME VON RECHTS:

Ich bin ein guter Engel, von oben herab gesandt, dir deine Seele zu bewahren und dich zur Seligkeit zu bringen.

FAUST:

Aber zu meiner Linken: Wer bist du?

STIMME VON LINKS:

Ich bin ein Geist der unteren Welt und komme, um dich vor allen Menschen glücklich zu machen.

FAUST: Es ist ein Wunder, Faust, Die Engel vom Himmel kommen, dich zu trösten, und die Geister der unteren Welt, dir zu dienen. Weil ich aber beschlossen habe, das studium nigromanticum dem studio theologico vorzuziehen, wirst du zur Rechten mir nicht behilflich sein. Du aber zur Linken, erscheine mir!

STIMME VON LINKS: Ha, ha, ha!

STIMME VON RECHTS: O weh! Faust, sieh dich vor! Wie schwer wird es sein, wenn du deine Seele verscherzt und du Höllenpein leiden musst!

FAUST:

Ich habe entschieden! – Aber ich sehe meinen getreuen Diener Wagner kommen. Was willst du, Wagner?

 

 

2. Szene

WAGNER:

Verzeihen Sie, Herr Doktor, dass ich Sie in ihren tiefen Betrachtungen störe.

FAUST:

Was bringst du Neues, Wagner?

WAGNER:

Soeben sind zwei vornehme Herren hier abgestiegen; sie warten im Vorzimmer und wollen mit dem Gelehrten Doktor Faust sprechen.

FAUST:

Sonst haben sie nichts gesagt?

WAGNER:

Doch, sie wollen dem Herrn ein altes Buch übergeben.

FAUST:

So nimm ihnen das Buch ab und danke ihnen vorerst; ich bin nicht bereit, sie heute zu empfangen. Bitte sie, mich ein andermal mit ihrem Besuch zu erfreuen.

WAGNER:

Sogleich, Herr Doktor – doch zuvor hätte ich noch eine Bitte.

FAUST:

Und die wäre?

WAGNER:

Dass Sie einen Diener für die Hausarbeit annehmen möchten, damit ich mich mehr den Wissenschaften widmen kann.

FAUST:

Bravo, Wagner! ich schätze deine Wissbegierde und deinen Eifer hoch, und da sich meine Umstände bald verbessern werden, so soll dir erlaubt sein, einen solchen Diener um billiges Geld anzunehmen; er muss aber getreu und verschwiegen sein!

WAGNER:

Ich danke Ihnen, Herr Doktor.

ab

FAUST:

Und ich will das Buch in Empfang nehmen, das meine Glückseligkeit enthalten soll. Die Welt wird noch lange von mir sprechen.

ab

 

 

3. Szene

HANSWURST:

Omnia mea mecum porto: alles, was ich habe, trage ich mit mir herum; meinen Kopf, meinen Fuß und meinen Ellenbogen. So zieht man in die Welt hinein.

Ich war bei einem reichen Herrn im Dienst, der hatte einen Knaben, dem musste ich die Fibel in die Schule tragen. Einmal morgens, da hat er gerufen: „Hanswurst, trage mir meine Fibel in die Schule!“ - Ich das Buch unter den Arm und fort ohne Frühstück. Wie ich so eine Weile gegangen bin, da kam mir auf der Straße ein Junge entgegen, der hat gerufen: „Pflaumen, Pflaumen!“ Ich habe ihn gefragt: „Kleiner, was willst du für den Korb?“ Da hat er gesagt, hundert kosten sechs Pfennige, wenn ich aber mehr essen könne, so kosteten die anderen nichts. Da hab ich ihm geholfen, den Korb auf den Boden zu stellen, habe mich hingesetzt und angefangen zu multiplizieren, bis der Korb fast leer war.

Der Junge hat ein dummes Gesicht gemacht und ist mit dem Korb fortgegangen. Ich habe aber einen unheimlichen Durst bekommen. Zum Glück kam eine Frau, die hat gerufen: „Buttermilch, Buttermilch!“ Da hab ich sie gefragt, was denn ein Zuber kostet. Da hat sie gesagt, ich könne für zwei Pfennig so viel trinken wie ich mag, Da hab ich den Zuber ans Maul gesetzt und gluck, gluck, gluck hinunter damit. Das hat mir wohlgetan bis in den Hosenknopf. Mit einem Mal hat es angefangen, in meinem Bauch zu rumoren. Da haben die Pflaumen die Buttermilch beim Kopf gepackt und sind mit ihnen die Treppe hinunter, und ich habe kaum Zeit gehabt, hinter ihnen her zu laufen, dorthin, wo auch König und Kaiser zu Fuß hingehen müssen. Als ich fertig war, war kein Papier da. Da hab ich ein Blatt aus meines Herrn Fibel gerissen und mir die Zündpfanne damit abgeputzt, es schön wieder ins Buch gelegt und in die Schule getragen. Mein Herr war auch schon dort. Ich legte es ihm hin und er hat gleich mit allen Fingern hineingetappt. Da hat er gerufen; „Hanswurst, trage mir mein Buch nach Hause!“ Ich bin gleich los, habe unterwegs einen Schoppen Schnaps getrunken, um meinen Magen wenigstens halbwegs zu kurieren, und als ich zu Hause ankam, da warteten schon der Stallknecht und der Kutscher auf mich. Die haben mir den Hintern so verhauen, dass es ein Elend war.

weint

Jetzt sitze ich hier im Wirtshaus und habe kein Geld im Sack, – Was, Teufel, ich glaube, ich bin in einer Bibliothek, Schade, dass ich nur bis zum Hals studiert habe und dass nichts in den Kopf hineinwollte.

nimmt ein Buch und liest

Wie man alte Jungfern wieder jung machen kann. Puh, wenn ich das lerne, bin ich ein gemachter Mann! -

Man nimmt einen halben Schoppen Jungfernmilch, ein halbes Maß Flohzungen, die Hälfte von einem halben Quart Weibertreu, – Die Ware muss verdammt rar sein! – Mischt alles zusammen und bläst’s der Alten hinten hinein; so wird sie wieder jung,

Nein, nein, daraus wird nichts. Da blase wer will, der Wurstel nicht, denn da könnte ja ein Gegenwind kamen und dein ehrlichen Kerl die Ladung ins Gesicht blasen!

WAGNER:

Kerl, was machst du in diesem Zimmer?

HANSWURST:

Ich bin kein Kerl!

WAGNER:

Ich glaube, du willst Bücher stehlen.

HANSWURST:

Oh nein, mein Herr! Ja, wenn’s gebratenes Fleisch wäre, dann hatt’ ich’s längst gefressen.

WAGNER:

Hm – Wie’s scheint, bist du herrenlos?

HANSWURST:

Ich bin noch nie trepaniert worden,

WAGNER:

Ich meine nicht hirnlos, sondern ob du nicht Dienste bei einem neuen Herren nehmen willst.

HANSWURST:

Ja, einen Herrn würd‘ ich nehmen.

WAGNER:

Und in diesem Haus braucht man einen Diener.

HANSWURST:

Und ich brauche einen Herrn, denn mein Bauch braucht was zu essen; da ist uns ja beiden geholfen.

WAGNER:

Bevor ich dich annehme, musst du mir erst sagen, wie du heißt und woher du kommst.

HANSWURST:

Rat’ einmal: Es wurst sich was und hanst sich was.

WAGNER:

So heißt du Hanswurst. Und wo kommst du her?

HANSWURST:

Daher wo sie am dümmsten sind.

WAGNER:

Also aus (NN). Und wie heißt dein Vater?

HANSWURST:

Den kenn ich nicht.

WAGNER:

Ah, so einer bist du. Wenn du mir versprichst, ordentlich und verschwiegen zu sein, so will ich mit meinem Herrn reden, dass er dich nimmt.

HANSWURST:

Ja, seid Ihr denn die Herrschaft nicht selber?

WAGNER: Nein.

HANSWURST:

Das heißt, ein Diener will einen Diener nehmen.

WAGNER:

Faust braucht uns beide.

HANSWURST:

Faust?! - Da bleibe ich nicht, da wird nichts draus. Gestern war ich in einer Schänke, da gab’s Streit, da sind mir die Fäuste um die Nase geflogen als ob es Maikäfer wären.

WAGNER:

Mein Herr schlägt nicht, er heißt bloß Faust.

FAUST ist eingetreten:

Wer ist der Mensch, mit dem du da sprichst?

WAGNER:

Das ist der, den ich gerade zur Hausarbeit angenommen habe.

FAUST:

Gut, zeige ihm, was er im Hause zu verrichten hat,

zu Hanswurst

Du musst mich heute Abend auf meinem Spaziergang begleiten, da will ich deinen Gehorsam überprüfen.

ab

HANSWURST:

Ja, begleite nur meinen Magen mit etwas zu saufen und zu fressen, denn ich habe riesigen Hunger und Durst!

WAGNER:

Komm, folge mir in die Küche, da wirst du etwas zu essen und zu trinken bekommen.

HANSWURST:

Jetzt lustig drauflos! Für‘s Essen und Trinken diene ich noch jedem Herrn.

 

 

ZWEITER AUFZUG

1. Szene

Gegend im Wald

Faust. Ein Kreis auf dem Boden. Es ist finster und grausig.

FAUST:

Nun habe ich nach der Vorschrift des magischen Buchs den fürchterlichen Kreis gezogen, der mich vor den höllischen Mächten schützen wird; nun überspringe ich die Grenzen der Menschheit. spring in den Kreis

Hölle, ich gehöre dir! - Nun soll die Beschwörung beginnen.

Siste, siste. Phlegethontia Styx!

Hejus hejus! Adste, mali spiritus!

Faustus vos citissime citat!

Kraft dieser Macht beschwöre ich dich, Pluto, und Kraft dieser Gewalt sollst du mir auf der Stelle deine höllischen Geister schicken!

Summen in der Ferne

Ich höre Getöse, und doch erscheinen sie mir nicht, Ich muss sie noch einmal beschwören,

Siste, siste, Phlegethontia Styx!

Hejus hejus! Adste, mali spiritus!

Faustus vos citissime citat!

Brummen in der Ferne

Langweilige Mummerei für einen Mann, der euch zu sehen wünscht. Ich beschwöre euch zum dritten und letzten Mal:

Siste, siste, Phlegethontia Styx!

Hejus hejus! Adste, mali spiritus!

Faustus vos citissime citat!

 

 

2. Szene

MEPHISTOPHELES unter Getöse:

Hier bin Ich.

FAUST:

Wer bist du?

MEPHISTOPHELES:

Ich bin ein Fürst der Hölle und komme, weil dein mächtiger Ruf mich zwingt.

FAUST:

Wie heißt du?

MEPHISTOPHELES:

Mephistopheles.

FAUST:

Wo sind die übrigen, die ich rief?

MEPHISTOPHELES:

Hier sind sie.

Auerhahn und Leviathan erscheinen

FAUST:

Gut, dass ihr hier seid, Ich will eure Geschwindigkeit prüfen.

Wie heißt du, wie schnell bist du?

AUERHAHN

Ich heiße Auerhahn und bin so schnell wie die Kugel aus dem Rohr.

FAUST:

So schnell vermag keines Menschen Auge zu blicken, Doch wer bist du, und was ist deine Schnelligkeit?

LEVIATHAN:

Ich heiße Leviathan und bin so schnell wie die Rache des Rächers.

FAUST:

So schnell wäre SEINE Sache? Und ich lebe noch, ich sündige noch?

LEVIATHAN:

Dass er dich noch leben, noch sündigen lässt, ist schon Rache.

FAUST:

Ha, dass der Teufel mich das lehren muss! – Und du, Mephistopheles? Rede, wie schnell bist du?

MEPHISTOPHELES:

So schnell wie der Menschen Gedanken,

FAUST:

Ha, du bist mein Teufel! – Fort, ihr Schnecken des Orkus. Erwartet unsichtbar meine Befehle.

Auerhahn und Leviathan verschwinden

Aber warum erscheinst du mir in dieser menschlichen Gestalt? Ich wollte einen Teufel haben und keinen meines Geschlechts.

MEPHISTOPHELES:

Wenn ich dir erschienen wäre, wie ich bin, so wärest du in deinem Kreis zu Asche verbrannt.

FAUST:

Nun, so hätte ich auch einmal etwas Großes gesehen.

MEPHISTOPHELES:

Nie seid ihr kleiner, als wenn ihr euch Riesen zu sein gedenkt.

FAUST:

Und doch musst du mir dienen und tun, was mir gefällt.

MEPHISTOPHELES:

Dafür erwarte ich meinen Lohn, denn der Mensch und der Teufel tun beide nichts umsonst,

FAUST:

Welchen Lohn erwartest du?

MEPHISTOPHELES:

Ein Ding aus dir gemacht zu haben, das mir gleicht, wenn du Kraft dazu hast.

FAUST:

Erkläre mir, was du von mir verlangst.

MEPHISTOPHELES:

Ich will mit dir durch die Welt reisen und dir zeigen, was noch nie ein Mensch gesehen hat; du sollst den Himmel und der Sterne Lauf und alle Enden dieser Welt aufs genaueste sehen. Ich will dir den Becher des Genusses voll und rauschend füllen, wie er noch keinem Sterblichen gefüllt wurde. Zähle die Sandkörner am Meer, dann magst du die Zahl der Freuden begreifen, die ich dir auftischen werde.

FAUST:

So schwöre mir, dass du mir dienen wirst, solange ich lebe und keine meiner Fragen ohne Antwort lässt. Auch will ich Gold und Edelsteine im Überfluss, köstliche Speisen zu jeder Zeit und die Kraft, alles den Menschen vorzustellen, was sie sich wünschen. So wird mein Ruhm den der größten Gelehrten bald überstrahlen.

MEPHISTOPHELES:

Dies alles sollst du haben, doch zuvor mich zurückfahren in die Hölle, um Pluto, unseren Herrn, um Erlaubnis zu fragen.

FAUST:

Gut, so magst du gehen. Doch heute Abend noch erscheine mir in meinem Studierzimmer, dann soll der Vertrag geschlossen werden!

MEPHISTOPHELES:

So wären denn die Rollen zu dem glänzendsten Schauspiel ausgeteilt, das je ein Sterblicher auf Erden zu spielen unternahm.

FAUST:

So bin ich dein Herr!

MEPHISTOPHELES:

So lange deine Zeit rollt. Erwarte mich um Mitternacht.

ab

FAUST:

Nun, Faust, bereite dich auf ein Abenteuer vor, dass keine Sterblichen bisher zuteil wurde! Um Mitternacht verlasse ich das ird’sche Jammertal!

ab

 

 

3. Szene

HANSWURST:

Es ist doch eine verflixte Sache, wenn man Bedienter ist. Mein Herr hat mir befohlen, ihn an dieser Stelle abzuholen, aber ich kann ihn gar nicht finden. Dabei donnert’s überall und finster ist’s auch, so dass man kaum die Hand vor Augen sehen kann. – Aber was ist das?

erblickt den Kreis

Was ist denn das für ein Schneidermaß? Ich sehe Fußstapfen, als ob einer darin getanzt hätte. Mal sehen, ob ich auch darin Platz finde.

springt in den Kreis, es blitzt und donnert; die Geister erscheinen

Wa-wa-wa-wa-was ist denn das? Was wollt ihr von mir, ihr schwarzen Kohlenbrenner?

GEISTER:

Wir wollen dich zerreißen!

HANSWURST:

Was, ihr wollt mich zerreißen?

GEISTER:

In tausend und abertausend Stücke.

HANSWURST:

Aber dann bliebe ja kein Fetzen mehr an mir. – Warum zerreißt ihr mich denn nicht?

GEISTER:

Wir können nicht in den Kreis.

HANSWURST:

So, ihr könnt nicht herein und ich kann nicht hinaus.

setzt sich

GEISTER:

So bleiben wir auch da.

setzen sich

HANSWURST:

Wenn ich nur wüsste, wo mein Herr ist, der würde die gewaltig zwiebeln. Aber halt, das habe ich doch in meines Herrn Buch gelesen, wie man Teufel verjagen kann. Es war nur ein Wort, wenn es mir doch einfiele!

Warte, wie heißt’s gleich – Perlicke!

Geister verschwinden

Richtig, das war’s. Und das andere, wenn sie wiederkommen sollen, stand gleich dabei: Perlocke!

Geister erscheinen wieder

GEISTER:

Komm heraus, komm heraus, wir wollen dich zerreißen!

HANSWURST:

Was wollt ihr? Mich zerreißen? – Perlicke!

die Geister verschwinden, er lacht

Kommt doch her, zerreißt mich mal! – Perlocke!

die Geister erscheinen

O ihr dummen Dorfteufel! – Perlicke! – Perlocke! – Perlicke! –- Perlocke!

Er lässt sie immer schneller erscheinen und wieder verschwinden, bis die Teufel gar nicht mehr nachkommen können. Endlich lässt er sie nach seinem letzten „Perlicke!“ ganz verschwinden.

Ihr dummen Teufel werdet mich nicht zerreißen! Herr Fäustling! Herr Fäustling!

ab

 

 

4. Szene

Fausts Zimmer

FAUST:

Sun sollen meine trübseligen Tage ein Ende haben; ich denke an meinen Freund Mephistopheles.

MEPHISTOPHELES:

von draußen

In welcher Gestalt soll ich erscheinen?

FAUST:

Daran erkenne ich seine Geschwindigkeit, Erscheine mir wie beim letzten Mal.

Mephistopheles erscheint.

Ich verlange, dass du mir vierundzwanzig Jahre dienst, dass es an Essen und Trinken niemals mangelt und du mir alle verborgenen Künste und Wissenschaften offenbarst. Du sollst mein Diener sein und mir auf alle meine Fragen Antwort geben, Außerdem verlange ich, an jeden Ort der Welt augenblicklich gebracht zu werden.

MEPHISTOPHELES:

Ich will dir so lange dienen, doch musst du die Bedingungen der Hölle erfüllen.

FAUST:

Und welche sind das?

MEPHISTOPHELES:

Du musst dem Höllenfürsten deine Seele verschreiben.

FAUST:

Und was will dein Fürst mit meiner Seele?

MEPHISTOPHELES:

Er will sich daran ergötzen und belustigen.

FAUST:

Die Hölle schreckt mich nicht – Pah – Gerede von alten, schwachen Weibern.

MEPHISTOPHELES:

Du darfst dich in der Zeit, in der ich dir diene, nicht waschen und deine Nägel und den Bart nicht schneiden.

FAUST:

Pfui, dann sehe ich ja wie ein Monstrum aus,

MEPHISTOPHELES:

Ich werde dafür sorgen, dass du zu allezeit gepflegt und jung aussehen wirst.

Weiter musst du den christlichen Glauben verleugnen, darfst nicht in die Kirche gehen und kein Weib heiraten.

FAUST:

Meinen Glauben habe ich schon abgetan, doch warum soll mir verwehrt sein, in den Stand der Ehe zu treten?

MEPHISTOPHELES:

Weil uns Geistern der Ehestand verhasst ist. Ich will dir aber alle Tage eine hübsche Buhlerin zuführen, so hast du eine angenehme Abwechslung.

FAUST:

So will ich den Vertrag unterschreiben.

MEPHISTOPHELES:

Hier ist er; du musst mit deinem Blut unterschreiben,

FAUST:

Himmel, was sehe ich: kaum berührt mich der Teufel, so quillt Blut aus meinen Adern und zieht sich in meiner Hand zu Buchstaben zusammen: H F; was soll das heißen? homo fuge: Fliehe, o Mensch!

MEPHISTOPHELES:

Du willst ein Gelehrter sein und kannst die Buchstaben nicht besser auslegen? Es heißt allerdings homo fuge – aber in die Arme deines getreuen Mephistopheles!

FAUST:

Es sei.

er unterschreibt; ein Rabe kommt und holt den Vertrag

MEPHISTOPHELES:

Komm, Faust, wir verlassen nun diese enge Welt. Breite nur deinen Mantel aus und befehle, wohin du zu reisen begehrst.

FAUST:

Führe mich an den Hof des Kaisers; und wenn der Herrscher verlangt, von meinen Künsten eine Probe zu sehen, so wende all dein Vermögen auf, dass ich ihm seine Wünsche Kraft der Magie erfüllen kann. Ich gehe, um Wagner die Hauswirtschaft zu übertragen. Was den Hanswurst angeht, so soll er nachreisen, aber am Hofe des Kaisers soll er mich und meinen Namen nicht verraten, sonst wird er aus dem Dienst entlassen. Du weißt meinen Willen, befolge ihn!

ab

MEPHISTOPHELES

Nun freue dich, Mephistopheles, Endlich hast du einen großen Mann in der Falle!

 

 

5. Szene

HANSWURST:

Da ist mein Herr auch nicht. Weiß der Teufel, wo er steckt, Herr Fäustling, Herr Fäustling!

MEPHISTOPHELES:

Was gibt’s, du Kautz?

HANSWURST:

Geh, du Kerl, Nenne mich nicht Kautz. Wer bist du denn?

MEPHISTOPHELES:

Ich bin Fausts geheimer Sekretär. Dein Herr ist schon längst in Wien.

HANSWURST:

Und wie ist er da so schnell hingekommen?

MEPHISTOPHELES:

Durch meine Kunst und Geschicklichkeit.

HANSWURST:

Ei, wer bist du denn?

MEPHISTOPHELES:

Ego sum diabolus.

HANSWURST:

Was, du bist ein Strohfuß?

MEPHISTOPHELES:

Nein, das heißt zu Deutsch: Ich bin der Teufel.

HANSWURST:

Huch, der Teufel. Dann kannst du doch alles.

MEPHISTOPHELES:

Ja, ich kann alles.

HANSWURST:

Du? Du Schmachtlappen siehst aber nicht so aus, als ob du alles könntest. Ich wette drei Taler.

MEPHISTOPHELES:

Meinetwegen.

HANSWURST:

Kannst du einen Bumbs fangen?

MEPHISTOPHELES:

Was ist das? Ein Pfurz?

HANSWURST:

Du Schweineigel. So was sagt man nicht geradeheraus, so was muss man verschlucken. Kannst du einen Bumbs fangen?

MEPHISTOPHELES:

Nein, das kann ich nicht. Lehr’s mich!

HANSWURST:

Ja, du sollst es lernen, aber es kostet dich drei Taler.

MEPHISTOPHELES:

Nur immerzu. Wie macht man denn das?

HANSWURST:

Das ist ganz einfach. Wenn der Bumbs kommt, lass ihn unter einem Sieb herauskommen, dann weiß er nicht, aus welchem Loch er herausfahren soll, und du hast ihn gefangen.

MEPHISTOPHELES:

Schön, Da hast du drei Taler, Weißt du noch sowas?

HANSWURST:

O ja, aber das kostet noch einmal drei Taler. Kannst du einen Bumbs zur Ader lassen?

MEPHISTOPHELES:

Nein, das kann ich auch nicht.

HANSWURST:

Du bist aber ein dummer Teufel, Nun, für drei Taler will ich dich’s lehren, Man nimmt einen Kübel voll Wasser, hängt sein hinteres Gesicht hinein, und wenn dann der Bumbs kommt, gibt es eine Blase. Die stichst du mit der Nase auf. Das nennen wir einen Bumbs zur Ader lassen.

MEPHISTOPHELES:

Das mag der Teufel tun! – Weißt du noch so was Schönes?

HANSWURST:

Ja, kannst du aus einem alten Weib eine Jungfrau machen?

MEPHISTOPHELES:

Nein, das kann ich nicht.

HANSWURST:

Das kann ich auch nicht, und wenn ich es könnte, brauchte ich mich nicht mit deinesgleichen abzugeben, Sage mal, wie komme ich zu meinem Herrn?

MEPHISTOPHELES:

Ich bringe dich zu ihm, aber du musst mir geben, was du im Leib hast.

HANSWURST:

Was ich im Leib habe, sollst du bekommen, aber erst morgen früh, damit die Masse ein wenig durchgearbeitet ist.

MEPHISTOPHELES:

Verfluchter Kerl. Das meine ich doch nicht, ich will deine Seele!

HANSWURST:

Aber ich habe keine, ich bin doch aus Holz!

MEPHISTOPHELES:

So musst du mir versprechen, mein eigen zu sein!

HANSWURST:

beiseite

Versprechen will ich’s schon, denn das gilt vor Gericht nicht und er hat keinen Zeugen. Hinterher leugne ich alles ab oder laufe ganz einfach fort!

Nun meinetwegen, versprechen will ich’s dir schon.

MEPHISTOPHELES:

So gib mir die Hand darauf.

HANSWURST:

Da. – Au, au! Heiß, heiß! – Du bist ja heiß wie glühendes Eisen!

MEPHISTOPHELES:

Ja, wir sind hitziger Natur. Ich werde dir ein Luftpferd schicken. Aber habe acht! Wenn du in Wien bist, so darfst du keinem Menschen sagen, dass du dem Doktor Faust dienst, sonst bist du diesen Dienst los! Was wirst du also sagen, wenn man dich fragt?

HANSWURST:

Ich werde sagen: ich bin nicht bei Doktor Faust im Dienst.

MEPHISTOPHELES:

Dann hast du ihn schon verraten!

HANSWURST:

Potzdonnerwetter, das darf ich nicht sagen.

ein Drache erscheint

Was ist denn das für ein Ungeheuer?

MEPHISTOPHELES:

Das ist ein Luftpferd. Es wird dich nach Wien bringen! Setze dich nur drauf.

Hanswurst besteigt mit einigen Schwierigkeiten den Drachen und fährt unter Getöse und Geheul ab.

 

 

DRITTER AUFZUG

1. Szene

KAISER:

Nun, lieber Orestes, was sagt Ihr zur Wahl meiner Gemahlin?

ORESTES:

Dass Ihr Euch und das ganze Land glücklich preisen müsst, eine so tugendhafte Gattin und Landesmutter zu besitzen. Lasst Eure Gattin hier und da Almosen für die Ärmsten der Armen austeilen, desto ungestörter können wir die Steuern für unsere überaus prächtige Hofhaltung eintreiben.

KAISER:

Ich danke Euch für diese Wünsche und hoffe, dass Ihr mich auch weiterhin mit Eurem klugen Ratschlag unterstützen werdet.

ORESTES:

Gewiss, Eure Majestät; ich werde mich der großen Gnade immer würdig zu erweisen trachten. Wenn ich Eurer Majestät nun die neuen Pläne für das entzückende Lustschlösschen zeigen dürfte, das der überaus liebreizenden Baroness von Lilienstein zugedacht ist, damit Eure Majestät ungestört und Eurer Gattin unbemerkt ...

Man hört Hanswurst in der Luft schreien

HANSWURST:

Hoho Hoho! Verdammter Drache! Scheiß‘ Feuer, dass du krepierst!

fällt dem Kaiser vor die Füße

KAISER:

Himmel, was ist das für ein Zufall!

HANSWURST:

Das ist kein Zufall, sondern ein Einfall.

ORESTES:

Eure Majestät! ich bin ganz verwirrt! Dieser Mensch fällt so aus der Luft.

KAISER:

Fragt Ihn doch, wie es möglich war, dass er aus der Luft herabgefallen ist.

ORESTES:

Mein Freund, wer ist er denn?

HANSWURST: Him, ham, hum!

ORESTES:

Wie ist er imstande gewesen, aus der Luft zu fallen, ohne sich zu verletzen?

HANSWURST: Him, ham, hum!

KAISER:

Er scheint stumm zu sein, doch eben noch dünkte es mich, er habe gesprochen.

HANSWURST:

Ein paar Minuten war ich stumm.

KAISER:

Ei, du Schelm, du kannst ja plötzlich wieder reden.

HANSWURST:

Ja, das ist wundervoll; ich bin stumm und kann zugleich reden!

KAISER:

So sage mir doch, wie du hier hergekommen bist!

HANSWURST:

Ich bin auf einem feurigen Drachen durch die Luft geritten, auf einmal ist er unter meinen Beinen durchgeflogen und hat mich hinuntergeworfen.

KAISER:

Du führst dich auf eine sonderbare Weise bei mir ein. Hast du denn bei deinem Sturz keinen Schaden genommen?

HANSWURST:

Nein. Und wenn ich mir einmal den Arm oder das Bein breche, so gehe ich zum Tischler und lasse sie wieder zusammenleimen.

KAISER: Soo?

HANSWURST:

Ja, das ist gewiss wahr!

KAISER:

Nun, du scheinst fremd hier zu sein. Sage mir, woher du stammst.

HAISWURST:

Ich stamme aus meinem Vaterland.

KAISER:

Und wie schreibt sich der Herr deines Vaterlandes?

HANSWURST:

Der schreibt mit Tinte auf Papier.

KAISER:

Ich habe einen schlauen Burschen vor mir, aber ich werde ihn schon noch überlisten. Nun sage mir, ob du in eigenen Geschäften oder im Auftrag eines anderen reist.

HANSWURST:

Das sieht man doch, dass ich ein Bedienter bin.

KAISER:

Wenn du ein Bedienter bis, so musst du auch einen Herrn haben. Das ist doch die logische Folge.

HANSWURST:

Ja, das ist mir auch schon selbst so vorgenommen.

KAISER:

Wirst du mir auch sagen, wer dein Herr ist?

HANSWURST:

Das darf ich nicht verraten, sonst wird mir der Dienst gekündigt.

KAISER:

Mir darfst du es ruhig sagen, ich werde dafür sorgen, da8 du keine Nachteile davon hast.

HANSWURST:

Wer sind Sie denn eigentlich?

KAISER:

Ich bin der Kaiser.

HANSWURST:

Auwei, der Kaiser! – Dann entschuldigen Sie, dass ich Ihnen noch kein Kompliment gemacht habe. Es freut mich sehr, dass Sie die Ehre haben, meine Bekanntschaft zu machen. Ich darf nicht sagen, bei wem ich in Diensten bin, sonst werd‘ ich aus dem Dienst geworfen, sagt der Stoffelfuß.

KAISER:

Wer ist denn der Stoffelfuß?

HANSWURST:

Das ist der Teufel.

KAISER:

Nun, der Teufel hat in meinem Reich nichts zu kommandieren, also heraus mit der Sprache: Wer ist dein Herr?

HANSWURST:

Sagen darf ich‘s nicht, aber – können Sie vielleicht raten?

KAISER:

Natürlich kann ich raten,

HANSWURST:

Sehen Sie mal her, Was ist das?

KAISER:

Das ist ein Arm.

HANSWURST:

Nun, und was ist da ganz vorne dran?

KAISER:

Eine Hand und wenn man sie schließt, eine Faust.

HANSWURST:

Sehen Sie, Sie haben gerade erraten, wie mein Herr heißt!

KAISER:

Wie, beim großen Gelehrten Faust bist du in Diensten?

HANSWURST:

Ja, bei dem diene ich. – Man muss nur mit den Leuten reden und ihnen nichts verraten. – Ich bin nämlich ein Genie, es steckt mir ein ordentlicher Knoten voller Pfiffrigkeiten im Genick!

KAISER:

Wenn du einem so großen Manne dienst, hast du da nichts von seinen Künsten gelernt?

HANSWURST:

Mein Herr hat alles von mir gelernt!

KAISER: Von dir?

HANSWURST:

Versteht sich. Ich bin ja Fausts Lehrmeister!

KAISER:

Dann bin ich neugierig, einige Künste von dir zu sehen.

HANSWURST:

Wollen Sie vielleicht sehen, wie eine große Überschwemmung kommt und uns alle drei erläuft?

ORESTES:

Aber dann könnte Seine Majestät ja ertrinken! Zeig uns etwas anderes!

HANSWURST:

Also etwas anderes. Wollen Sie sehen, wie ein großer Mühlstein durch die Luft geflogen kommt und uns zehn Klafter tief in den Erdboden schlägt?

ORESTES:

Aber dann wären wir ja auf der Stelle tot!

KAISER:

Nein, etwas Angenehmes wünsche ich zu sehen.

HANSWURST:

Wollen Sie etwa eine ägyptische Sonnenfinsternis in Baumwolle gewickelt sehen?

KAISER:

Rede doch nicht immer solch ein dummes Zeug!

HANSWURST:

Dummes Zeugt? ­Können Sie’s denn vielleicht?

KAISER:

Natürlich nicht, aber …

HANSWURST:

So dürfen Sie auch nicht sagen, dass es dummes Zeug ist: Das ärgert mich, dass mir die Galle im Leib herumgeht, wenn ein Mensch spricht, es ist dummes Zeug, und er kann es doch nicht!

ORESTES:

Sun sei nicht gleich beleidigt, sondern zeige uns etwas anderes!

HANSWURST:

Wartet, ich will Euch ein viehisches Stück machen!

KAISER:

Ein physisches Stück willst du sagen. Nun. worin soll es denn bestehen?

HANSWURST:

Ich will Euch Rauch herbeizaubern ohne Feuer und Schwefel.

KAISER:

Nun, das muss schön sein. Lass einmal sehen!

HANSWURST:

O ja, es ist sehr schön, es führt nur etwas Schmieral nach.

ORESTES:

Moral willst du sagen.

HANSWURST:

Moral oder Schmieral, das ist gleich. Nun geht aber ein bisschen zur Seite, damit es Euch nicht ins Gesicht spritzt. - Hockes, bockes, rictus malagus!

KAISER:

Sun, wird‘s bald?

HANSWURST:

Gleich, gleich, es ist schon unterwegs. Gut Ding muss Weile haben. Nun passt auf!

Er hebt ein Bein und lässt einen Pfurz.

KAISER:

Zurück, zurück! Pfui, du Schweineigel! Ist das ein Rauch ohne Feuer?

HANSWURST:

Natürlich ist es ein Dampf ohne Feuer, denn das Feuer sieht man nicht, aber den Dampf schmeckt man.

KAISER:

Schurke! Meine Erwartungen so zu täuschen!

ORESTES:

Prügel sollst du haben, Flegel!

HANSWURST:

Prügel? Die kann man überall umsonst haben. Dazu braucht man nicht erst so weit zu reisen!

KAISER:

Fort aus meinen Augen!

Hanswurst ab.

Warte, du Schurke! Orestes, bemächtigt Euch seiner durch die Wache, und sorgt dafür, dass er tüchtig bestraft wird!

ORESTES:

Sogleich, Eure Majestät.

ab

 

 

2. Szene

KAISER:

Nun weiß ich doch wenigstens, dass ich den großen Gelehrten Faust in meiner Stadt beherberge. Ja, der Doktor Faust ist der größte Magier seiner Zeit, Ich will ihn herbei beordern, damit er mir und meiner Gemahlin eines seiner Kunststücke zeigt.

ORESTES erschein:

Der Schlingel ist uns leider entwischt.

KAISER:

Lasst nur, den fangen wir schon. Doch wo ist der berühmte Gelehrte Faust?

ORESTES:

Er unterhält sich gerade mit der Kaiserin und rühmt sich staunenswerter Dinge.

KAISER:

Wir wollen von seiner Kunst eine Probe fordern.

Kaiserin und Faust treten auf

KAISERIN:

Ah, mein Gemahl, wir haben Euch schon vermisst.

FAUST:

Mein Wunsch ist, dass Eure Majestät und Dero Gemahlin beständigen Wohlergehens sich erfreuen und kein Missgeschick Dero Lebensfreude stören möge.

KAISER:

Ich danke Euch, mein werter Faust.

FAUST:

Wie, Majestät wissen schon meinen Namen?

KAISER:

Wie soll mir der Name eines so berühmten Mannes nicht bekannt sein?

FAUST:

Womit kann ich Euch dienen? Sprecht, Euer Wunsch sei mir Befehl.

KAISERIN:

Da Ihr ein berühmter Gelehrter seid, so könnt Ihr doch bestimmt Geister beschwören.

KAISER:

Ich habe viel von Alexander dem Großen gelesen. Könnt Ihr durch Eure Kunst ermöglichen, dass wir ihn hier zu sehen bekommen?

FAUST:

Ohne Schaden für uns kann es geschehen.

Alexander der Große erscheint

KAISER:

Er ist es wirklich. Eure Kunst ist wahrhaftig groß, Doktor Faust.

FAUST:

Und Euch, meine Herrin? Womit kann ich Euch eine Freude machen?

KAISERIN:

Ich wünsche mir, das heldenmütige Weib Judith zu sehen, wie sie das Haupt des Holofernes erhält.

FAUST:

Sogleich wird sie erscheinen!

Judith erscheint, in der rechten Hand ein Schwert, in der linken das Haupt des Holofernes: es ist der Kopf des Kaisers,

KAISERIN:

Himmel! Das Antlitz des Kaisers!

KAISER:

He, Faust! Das ist Zauberei! Wagst du es, deinen Kaiser so zu beleidigen. Verlasse Wien auf der Stelle, sonst werde ich den Scheiterhaufen für dich bestimmen!

FAUST:

Nun, ereifert Euch nicht, mein Kaiser! Ich werde Wien verlassen, wenn ich es für richtig halte,

KAISER:

Knabe, vergisst du, mit wem du redest?

Faust verschwindet, Mephistopheles erscheint

Wie, Geist der Hölle? Blendest du mich? Vor meinen Augen ist er verschwunden. Soll ich seinen Höllenkünsten erliegen? Orestes, ich erteile den Befehl, dass niemand diesen Garten betritt, denn er ist von bösen Geistern in Besitz genommen.

Kaiser, Kaiserin und Orestes eilig ab

 

 

3. Szene

FAUST (tritt ein):

Sprich, Mephistopheles, was hat das zu bedeuten?

MEPHISTOPHELES:

Du warst in Gefahr und ich musste dich retten. Du hast viel gewagt, als du dem abgeschlagenen Haupt das Antlitz des Kaisers gabst. So ist er gegen dich aufgebracht worden. Wir müssen fliehen, er wird die Geistlichkeit aufhetzen.

FAUST:

Aber wer verriet dem Kaiser meinen Namen?

MEPHISTOPHELES:

Das tat der Hanswurst. Er hat durch seine Zaubersprüche die Hölle in Aufruhr versetzt, und das Volk ist wegen der Erdbeben und Unwetterkatastrophen aufgebracht. Dem Kaiser wird es ein leichtes sein, seine Untertanen gegen dich aufzuwiegeln, wo er doch selber Angst vor deinen Künsten hat.

FAUST:

Führe mich nach Hause zurück. Der Hanswurst aber ist aus meinem Dienst entlassen, überlass ihm hier seinem Schicksal!

ab

 

 

4. Szene

MEPHISTOPHELES:

Da kommt der Schurke, der seinen Herrn verraten hat.

HANSWURST (stolpert herein):

Sie sind hinter mir her! Hilf mir, Stoffelfuß! Sie wollen mich umbringen!

MEPHISTOPHELES:

Warum hast du dem Kaiser den Namen deines Herrn verraten?

HANSWURST:

Ich habe ihm kein Wort gesagt; geraten hat er’s.

MEPHISTOPHELES:

Zur Strafe bleibst du allein hier zurück, denn der Herr hat dich aus seinem Dienst entlassen. Sieh zu, wie du wieder nach Hause kommst!

ab

HANSWURST:

Stoffelfuß! He! – Stoffelfuß! Goldener Stoffelfuß! Lass mich doch nicht alleine da. Stoffelchen! – Er ist fort und lässt mich sitzen, – So gebt mir wenigstens meinen Lohn heraus, ihr seid mir noch zwei Monate schuldig! – Ach, du armer Hanswurst, wie wird dir’s nun ergehen ohne Dienst? Und der Kaiser schickt vier kräftige Männer mit Stöcken herum, mich für meine Künste zu bezahlen! Hu, hu!

AUERHAHN (kommt aus der Luft): Hanswurst!

HANSWURST:

Ich glaube, jemand ruft meinen Namen.

AUERHAHN:

Hanswurst, warum bist du denn so betrübt?

HANSWURST:

Ich soll nicht traurig sein? Mein Herr hat mich aus dem Dienst gejagt, und nun bin ich hier in der fremden Stadt ganz alleine!

AUERHAHN:

Da bist du freilich in einer schlimmen Lage, denn hier gibt es viele Banditen, die schlagen die Menschen wegen zwei Groschen tot.

HANSWURST:

Wegen zwei Groschen? – Und ich habe gerade noch sechs Groschen in der Tasche. Da schlagen sie mich ja dreimal tot!

AUERHAHN:

Ja, sie schlagen dich dreimal tot!

HANSWURST:

Ach, ach, du armer Hanswurst! Jetzt ist‘s aus mit dir! Hu, hu!

AUERHAHN:

Höre, Hanswurst, du dauerst mich wirklich.

HANSWURST:

Nun, dann gibt es wenigsten einen Menschen auf der Welt, dem mein Zustand zu Herzen geht.

AUERHAHN:

Weißt du was? In NN ist der Nachtwächter gestorben, und wenn du mir deine Seele verschreibst und ich sie nach zwölf Jahren abholen kann, so bringe ich dich nach NN und mache dich zum Nachtwächter.

HANSWURST:

Nein, nein, aus dem Vertrag kann nichts werden.

AUERHAHN:

Und warum nicht?

HANSWURST:

Ich habe keine Seele. Die hat der Meister bei mir vergessen.

AUERHAHN:

Ach sei doch nicht so einfältig. Du stellst doch einen Menschen dar, folglich hast du auch eine Seele.

HANSWURST:

Glaubst du wirklich, dass ich eine Seele habe?

AUERHAHN: Versteht sich.

HANSWURST:

Ich kann ja den dummen Teufel dabei lassen. – Richtig! ich habe ja eine Seele! Ich weiß gar nicht, wie ich das vergessen konnte, – Aber wie heißt du denn?

AUERHAHN: Auerhahn.

HANSWURST:

Kickelhahn? Also mein lieber Kickelhahn, ich verschreibe dir meine Seele, wenn du mir dafür die Nachtwächterstelle in NN verschaffst.

AUERHAHN:

Ja, wir werden im Augenblick in NN sein. Pack mich nur an!

HANSWURST:

Jetzt packe ich zu, - Au! Au!

springt zurück

Donnerwetter, du bist ja auch glühend heiß! Mach’s ein bisschen temperierter!

AUERHAHN:

Nun ja, pack mich nochmal an!

HANSWURST:

Nun packe ich dich nochmal an.

AUERHAHN:

Jetzt sagst du: Capo cnallo!

HANSWURST:

Kapern und Knackwurst?

AUERHAHN:

Nein, Capo cnallo!

HANSWURST:

Capo cnallo!

beide fliegen ab

 

 

VIERTER AUFZUG

l. Szene

Fausts Studierzimmer

FAUST:

Nirgends, nirgends finde ich Ruhe! Bin ich zu Hause, so treibt es mich ins Freie; bin ich da, so möchte ich wieder zurück in meine Wohnung, Ach, das böse Gewissen ist’s, das mir keine Ruhe lässt.

MEPHISTOPHELES (tritt ein):

Nun, so allein Faust? Ich stehe bereit, dir alle Schätze der Welt zu verschaffen.

FAUST:

Nein, keine Schätze; aber du sollst mir auf meine Fragen Antwort geben.

MEPHISTOPHELES:

So rede, was ich vermag, will ich tun.

FAUST:

Erzähle mir von der Hölle!

MEPHISTOPHELES:

Die Hölle ist ein Schlund ohne Grund, wo alles Abscheuliche und Grausliche zusammenkommt. Sie wird auch die brennende Hölle genannt, denn alles brennt und glüht, doch nichts wird verzehrt. So brennt’s ewiglich. Sie heißt auch die ewige Pein, weil es keine Ende gibt und wir nie die Herrlichkeit Gottes sehen dürfen.Was aber die verdammten Seelen darin leiden, kann kein Mensch aussprechen oder beschreiben. Du hörst sie nur winseln und um ihren Tod betteln, doch es gibt keinen Tod in der Ewigkeit.

FAUST:

Gibt es denn gar keine Hoffnung auf Erlösung?

MEPHISTOPHELES:

Nein Faust, wer einmal von Gottes Gnade verstoßen ist, muss ewig brennen.

FAUST:

Sage mir, Mephistopheles, was würdest du tun, wenn du doch noch die Seligkeit erlangen könntest?

MEPHISTOPHELES:

Wenn ich noch Hoffnung auf die Seligkeit haben dürfte, so wollte ich die allergrausamsten Martern geduldig erleiden, und wenn ich die höchsten Himmelsgipfel nur durch eine Leiter erreichen könnte, deren tausend und aber tausend Sprossen aus Schermessern gebildet werden, so wollte ich dennoch freudig diese Leiter besteigen, nur um einmal Gott anschauen zu dürfen.

FAUST:

Das würdest du tun? – O Faust, die Furie beschämt dich, der du dich so mutwillig in diese Qual stürzt. – Sage mir, höllischer Geist: Kann ich noch ein Kind der Seligkeit werden?

MEPHISTOPHELES: Das weiß ich nicht.

FAUST:

Laut unserem Vertrag musst du mir jede Frage beantworten!

MEPHISTOPHELES:

Diese darf ich nicht beantworten!

FAUST:

So beschwöre ich dich!

MEPHISTOPHELES:

So fliehe ich von dir!

ab

FAUST:

Fliehe nur, du verfluchtes Höllengespenst. Ich schöpfe wieder Hoffnung. Nun erst merke ich, wie verblendet meine Augen gewesen sind. Wie hat mich der Teufel betrogen, dass ich mir durch das Studium nigromanticum den Himmel verscherzen wollte. Doch der Himmel verspricht selbst dem ärgsten Sünder, wenn er seine Taten bekennt, durch Buße wieder zur Gnade zu kommen.

kniet nieder und betet

MEPHISTOPHELES (erscheint):

Faust! Was machst du? Willst du dein Leben beschließen wie ein altes Weib? Lass das Beten sein. Ich will dich zum mächtigsten Fürsten auf Erden machen, du sollst die Welt regieren! – Wie? Soll alle Mühe, die ich mit ihm gehabt habe, vergebens gewesen sein?

O Pluto komm zu Hilfe! Wenn Faust noch eine Viertelstunde betet, muss ich weichen, aber ich will die ganze Hölle aufbieten, damit er nicht aus meinen Klauen kommt!

ab

FAUST:

O Gott-, du Wundergott, du Vater aller Väter!

Sieh meine Tränen an, wie sie voll Reue fließen.

Hier kniet vor deinem Thron der größte Missetäter;

Er schreiet Herr, zu dir, er liegt zu deinen Füßen.

PLUTO (mit Helena):

Es Ist in unserem höllischen Reich erschallen, dass Faust umkehren und auf dem Weg der Buße unseren Klauen entgehen will. Das soll nicht geschehen. Da liegt er auf seinen Knien, Pfui, schäme dich!

FAUST:

Weiche von mir, du Höllengespenst, verfluchter Satan!

PLUTO:

Wie? Will nichts helfen? – Durch die Schönheit der Weiber sind schon die tapfersten Helden gefallen, – Sieh hier, Faust, die griechische Schönheit Helena, um derentwillen Troja zerstört wurde! Sie will dich sehen und sprechen!

FAUST:

Bei meiner Ehre, sie ist schön!

erhebt sich

Was will sie von mir?

PLUTO:

Sie will dich lieben und dein sein.

FAUST:

Was für eine wunderschöne Kreatur! - Komm, schöne Helena, ich will dein Paris sein!

beide ab

PLUTO:

Quod diabolus non potest, mulier evincit: was der Teufel selbst nicht kann, das stellt er durch ein Weibsbild an. Nun ist er mein auf ewig, und keine Macht ist imstande, ihn mir noch zu entreißen!

ab

FAUST (stürzt herein):

Ha, was für eine höllische Furie hielt ich in meinen Armen? Teuflische Schlangenbrut, ich bin aufs neue in euren Schlingen gefangen. Als ich Helena umarmte, hatte ich plötzlich eine Schlange in meinen Armen. Jetzt bin ich endgültig der Hölle geweiht, und kein Flehen zum Ewigen kann mich mehr retten. Hinaus, hinaus! Alles ist dunkel vor meinen Augen! Hinaus ins Freie!

 

 

2. Szene

Straße, Nacht

HANSWURST:

Ha, da wären wir wieder nach so langer Zeit. Ich bin doch froh, dass ich den Nachtwächterposten erwischt habe, denn das Reisen habe ich satt, vorzüglich in der Luft, wo man nirgends ein Wirtshaus antrifft. Aber hört, wie mir‘s neulich ergangen ist. Ich habe mich auf einer Landstraße verirrt, da war plötzlich ein Berg mit einem großen Tor darin. Davor hat ein garstiger Kerl gestanden, der hat nach lauter Pech und Schwefel gestunken. Ich frage ihn, was das für ein Lusthaus sei, wo die Leute so fein riechen. Da hat er mich beim Namen gerufen: „Hanswurst“, rief er, „komm einmal zu mir!“ Teufel, dachte ich, sollte ich denn so bekannt sein, dass mich jeder beim Namen nennt? Wie er heiße, fragte ich. „Strohsack“, antwortete er, und ob ich etwas Fremdes sehen wolle. Er sei Torwächter und dies sei der Eingang zu Hölle. Ich ließ mich überreden, und der Strohsack führte mich in einen Raum, das saßen lauter Kerle auf niedrigen Stühlen, denen steckte man Trichter in den Hals und schüttete ihnen warmes Bier ein, das war aus Pech und Schwefel gebraut. Ich fragte Monsieur Strohsack, was das bedeute. Er sagte mir: „Das sind die Volläufer, die in der Zeit nicht genug getrunken: Da gibt man ihnen genug!“

Ich fragte, ob auch Hanswurste drinnen wären. „Nein“, sprach der Herr Strohsack, man leide keinen wegen der Ähnlichkeit mit anderen Würsten, welche jeder Mensch mache. Aber wenn ich Lust hätte zu bleiben, wolle er mir ein Quartier besorgen. Ich bedankte mich und war froh, als ich wieder hinaus kam. – Aber nun frisch ans Werk, ich muss tuten!

er tutet

Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen,

Die Glocke hat neun Uhr geschlagen.

Verwahrt euer Feuer und Licht,

Damit der Knecht die Magd nicht sticht!

ab

 

 

3. Szene

FAUST:

Nirgends finde ich Ruhe, überall verfolgt mich das Bild der Hölle. O warum war ich nicht standhaft in meinem Vorhaben? Warum ließ ich mich von dem Gaukelbild betrügen? Unwiderruflich bin ich nun der Hölle verfallen!

Mephistopheles erscheint als Teufel

Was ist das für eine Erscheinung? Hast du vergessen, dass du mir in Menschengestalt zu erscheinen hast?

MEPHISTOPHELES: Nun nicht mehr!

FAUST:

Warum nicht? – Kraft des Vertrages beschwöre ich dich, meinen Befehlen zu folgen! Du bist mir Gehorsam schuldig!

MEPHISTOPHELES:

Jetzt nicht mehr, Deine Zeit ist abgelaufen. In drei Stunden bist du auf ewig mein!

FAUST:

Wie? Was sprichst du da, meine Zeit wäre verflossen? Du lügst, Bestie! Zwölf Jahre erst dienst du mir, also hast du den Vertrag noch weitere zwölf Jahre zu erfüllen!

MEPHISTOPHELES:

Ich habe dir Tag und Nacht gedient, also zweimal zwölf Jahre. Nun ist die Frist abgelaufen, die dir die Hölle eingeräumt hatte.

FAUST:

Ha, Lügengeist, so hast du mich betrogen!

MEPHISTOPHELES:

Nein, du hast dich selber betrogen, wenn die geglaubt hast, mit der Hölle ein Geschäft machen zu können!

FAUST:

Lass mich noch ein Jahr leben!

MEPHISTOPHELES: Nicht einen Tag.

FAUST:

Nur noch einen Monat!

MEPHISTOPHELES:

Die Stunde der Rache naht, auf die ich so lange gewartet habe. Ich entreiße dir deine Zauberkräfte und banne dich in den engen Bezirk, den ich um dich ziehe. Hier sollst du ausharren, heulen und zittern, wenn ich dir die Folgen deiner Taten enthülle. So habe ich dich besiegt; um zwölf Uhr sehen wir uns wieder!

lachend ab

FAUST:

Was habe ich Unglücklicher getan!

STIMME: Praeparate te!

FAUST:

Nun muss ich mich auf mein Ende vorbereiten. Doch nirgends finde ich einen Menschen, dem ich mein Leid klagen kann.

HANSWURST:

Hört Ihr Männer und lasst euch sagen,

Wenn die Glocke wird zehn Uhr schlagen,

Gebt auf eure Weiber acht,

Dass man euch nicht zum Schwager macht.

geht vorbei, ohne Faust gesehen zu haben

STIMME:

Accusatus es!

FAUST:

Ich bin wegen meiner Sünden angeklagt; wo werde ich Armer Trost finden? Mir wird die Welt vor Angst so eng.

HANSWURST:

Hört, ihr Weiber, lasst euch sagen,

Wenn euch eure Männer schlagen,

So tragt nur alles mit Geduld,

Denkt, euer Maul hat’s oft verschuld’t.

Hat zehn Uhr geschlagen!

AUERHAHN (kommt aus der Luft):

Höre, Hanswurst, ich fasse mich kurz: Deine Zeit ist abgelaufen, und deine Seele gehört mir!

HANSWURST:

Ich fasse mich noch viel kürzer. Erstens ist dir mit meiner hölzernen Seele nicht gedient, denn die würde in der Hölle sogleich zu Asche verbrennen. Zweitens haben wir keinen Vertrag geschlossen. Drittens darf in NN der Teufel keinen Nachtwächter holen, denn das hat der Stadtrat verboten. Viertens schlage ich dir gleich mein Horn ins Gesicht und fünftens die Laterne um die Ohren, dass die Scheiben herausfliegen!

AUERHAHN:

Der ist schlauer als sein Doktor Faust.

HANSWURST:

Bist du noch nicht weg? Warte, ich werde dich schon auf Trapp bringen.

Perlicke!

Auerhahn unter Geschrei ab

Bange machen gilt nicht. Hier in NN herrscht Respekt vor der Obrigkeit! – Ah, der Doktor Faust, Guten Abend, seid Ihr auch noch auf der Straße?

FAUST:

Ach, mein Diener. Nirgendwo finde ich Ruhe.

HANSWURST:

Das geschieht euch schon recht. Ihr seid mir noch den Lohn von zwei Wochen schuldig. Seid so gut und gebt ihn mir jetzt.

FAUST:

Ich will versuchen, mich durch diesen Narren doch noch vom Teufel loszureißen, – Siehe, ich habe kein Geld dabei, doch ich gebe dir meine Jacke mit den goldenen Knöpfen; die ist ein Vielfaches Wert von dem, was ich dir schulde.

HANSWURST:

Na, dann würde der Teufel vielleicht den Falschen erwischen. Da danke ich recht schön und will Euch das Geld lieber schenken. Tut mir bitte einen Gefallen dafür.

FAUST: Welchen denn?

HANSWURST:

Grüßt mir meine Großmutter, die sitzt in der Hölle gleich rechts unter Nummer 13. Ich wünsche Euch eine gute Nacht und zugleich eine glückliche Fahrt!

Alle Jungfern lasst euch sagen,

Wenn euch jemand sollte fragen,

Ob ihr auch noch Jungfern seid,

Sagt nur; Ja, es tut uns leid!

Es hat elf geschlagen,

unter Tuten ab

STIMME:

Judicatus es!

FAUST:

Nun bin ich gerichtet, das Urteil ist gesprochen.

Der Stab ist über mich gebrochen,

Ich sehe schon vor mir die Hölle offen stehen!

In jenem Labyrinth ist eine Folterkammer,

Nun folgt der Sünde Staf‘ mit wohlverdientem Lohn,

Es ruft der Höllenfürst, er wartet meiner schon,

O Höllenpein, o Geist, o morderfüllte Stimm‘,

Dein Widerhall zeigt an, was für ein wilder Grimm

Aus deinem Rachen brüllt; wie werd ich deine Plagen,

O lange Ewigkeit, ohn‘ Ende können tragen?

O weh, was große Pein, verflucht die eitle Pracht,

Die mich Unglücklichen in Feu’r und Flamm’ gebracht!

HANSWURST:

Da hockt der Herr Faust ja noch immer auf der Straße, Nun singe ich meinen letzten Vers und gehe nach Hause. Wenn der Teufel kommt und den Faust holt, will ich nicht dabei sein.

Hört, ihr Herrn und lasst euch sagen,

Die Glocke wird gleich zwölf Uhr schlagen,

Verwahrt das Feuer und die Kohlen,

Bald wird der Teufel den Faust holen!

unter Tuten ab. Es schlägt zwölf Uhr

STIMME:

In aeternum damnatus es!

FAUST:

Nun, Faust, bist du verdammt wegen deiner Sünden; meine Seele ist auf ewig verloren!

die Hölle öffnet sich; die Teufel holen Faust

 

 

4. Szene

AUERHAHN (kommt):

Ich glaube, der Teufel hat den Faust schon geholt! Komm, Hanswurst, es nützt dir nichts, dass du keine Seele hast. Du musst mit in die Hölle!

HANSWURST:

Was denn, was denn? Willst du dich an einer hölzernen Puppe vergreifen? – Perlicke!

Auerhahn verschwindet

Da ist der Kerl schon verschwunden. Mal sehen, ob er vor Wut zerplatzt ist, – Perlacke!

Auerhahn erscheint wieder

AUERHAHN:

Sage mir, was du für ein Landsmann bist!

HANSWURST:

Ich bin ein NNer!

Auerhahn verschwindet unter Gebrüll

Da kann man sehen: selbst der Teufel hat Respekt vor einem NNer Nachtwächter!