Geißelbrechts Faust
nach der Handschrift von Georg Geißelbrecht
Unter den 144 Manuskripten der Sammlung „Volkstheater“ im Goethe-Schiller-Archiv Weimar befinden sich 75 Marionettenspiele; ihren Hauptteil (ca. 50 Texthefte) bildet das vollständige Repertoire des 1762 in Hanau geborenen und nach 1826 gestorbene Marionettenspielers und Theaterprinzipals Georg Geißelbrecht. Unter diesen Texten, die zur Hälfte von Geißelbrecht selber, zur anderen Hälfte von Schreibern seiner Truppe zwischen 1805 und 1815 niedergeschrieben wurden, befinden sich auch einige Faustspiele, darunter zwei vollständige Spieltexte, die Geißelbrecht zwischen Ende 1804 und Herbst 1805 niedergeschrieben hat. Die hier vorliegende Edition des Marionetten-Faust folgt der vollständigeren der beiden Handschriften, nämlich No. 10 (Q 68310); in einigen Fällen wurde der Text nach der Handschrift No. 8 (Q 6838) in den Anmerkungen hinzugesetzt. No. 8 weist zusätzlich Notizen von der Hand des Weimarer Publizisten und Pädagogen Johann Daniel Falks auf, auf dessen Veranlassung der Marionettenspielers seine bisdahin nur extemporierten Spieltexte niederschrieb und nach Weimar schickte. Das Manuskript No. 10 ist vom Inhalt bis auf wenige Szenen umfangreicher als No. 8 und muß nach diesem niedergeschrieben worden sein.[1]
In Geißelbrechts Manuskripten besitzen wird das älteste vollständig aufgeschriebene Marionettenspiel vom Doktor Faust und damit auch den frühesten Textzeugen der deutschsprachigen theatralischen Fausttradition; es zeigt uns, in welcher Gestalt die Wanderbühnen und Marionettentheater die Faust-Comödie im 18. Jahrhundert aufgeführt haben.[2]
Der Abdruck erfolgt diplomatisch nach der Handschrift; Ergänzungen des Herausgebers sind in <> gesetzt. Die verderbten lateinischen Sentenzen werden buchstabengetreu nach der Handschrift abgedruckt und in den Anmerkungen richtig wiedergegeben. Im Manuskript sind Groß- und Kleinbuchstaben sowie ss und ß nicht immer zu unterscheiden; in solchen Fällen hat sich der Herausgeber an vergleichbaren Schreibungen orientiert. Der Strich über dem m wird in mm aufgelöst, das gelegentlich noch vorhandene y (z.B. in bey) durch i ersetzt. Wo der Strich (-) die Funktion eines Satzzeichens vertritt, wurde er durch einen entsprechendes Satzzeichen nach der heute üblichen Notierung ersetzt.
Regieanweisungen werden in der Handschrift uneinheitlich durch runde Klammern oder Unterstreichungen markiert; sie werden einheitlich durch Kursivdruck, der Name des jeweiligen Sprechers wird durch Fettdruck hervorgehoben, die uneinheitlich gesetzten Punkte bei Überschriften werden fortgelassen.
Für die Abdruckgenehmigung und die freundliche Bereitstellung von Materialien sowie die Erlaubnis, aus bisher unveröffentlichten Briefen zu zitieren, danke ich den Mitarbeitern des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar.
Diese Edition erschien erstmals in Buchform in dem Band: "… aus allen Zipfeln …". Faust um 1775. Referate und Zusammenfassungen der Diskussionen des wissenschaftlichen Symposiums am 25./26. September 1999 in Knittlingen, hg. von Günther Mahal. Knittlingen 1999.
Doctor Faust
Eine alte Volks-Sage, aus den Zeiten des 12ten Jahrhunderts in 5 Aufzügen
Personen
Johannes Faust, Doctor der Theologie, und Professor zu Wittenberg.
Christoph Wagner, sein Famulus.
Hannswurst, ein reisender Bedienter, nachher angenommener Diener bei dem Doctor Faust.
Eine junge Dame, Herzogin von Parma.
Ein Todtengerippe.
Mefistopheles[3].
Auerhahn[4]. } Teufel.
Asmotheus[5].
Vizlebuzle[6].
Audiumatgugulorum[7].
Erster Act
Erster Auftritt
Zimmer des Doctor Fausts mit allerlei Möbeln die sich zu diesem Stück passen.
Faust
sitzt hinter dem Tisch, auf welchem einige Bücher aufgeschlagen liegen.
Siste Mortalis, Concuritu Vos; et atentite mecum Veritatum.[8]
Stehet stille ihr Sterblichen, und betrachtet mit mir ihr Bürger dieser Stadt, meine sonnenklare Wahrheit, nämlich, daß nichts unter der Sonne, nichts unter dem Horizonte lebt, das sich je schmeicheln könnte, den Zweck seiner Zufriedenheit, vielweniger den seiner Vollkommenheit erreicht zu haben.
Was nuzt es mich, wenn ich auch die Numeröse, oder Menge, der heutigen Herrn Doctores betrachte, so trag ich fast ein Bedenken, diesen Titel länger zu führen, daher bin ich entschloßen, mich der Negromantie[9], oder Schwarzkunst zu widmen, um der Nachwelt, meinen Namen unsterblich zu machen.
Eine Stimme ruft
Fauste!
Faust sich umsehend.
Die feine Stimme
Verlasse das Studium Negromantikum, und fahre fort in dem Studium Theologikum, so wirst du noch der glücklichste Mensch auf Erden sein.
Eine grobe Stimme ruft
Fauste!!
Faust erschrocken
He wer ruft mich da?
Grobe Stimme
Verlasse das Studium Theologikum, und erwähle dir das Studium Negromantikum, so wirst du der glücklichste Mensch auf Erden sein!
Faust
Was ist das? - Kaum gedenke ich nur daran ein Negromantist zu werden, so lassen sich auch schon zwei Stimmen hören, eine zu meiner Rechten die andere zur Lincken; die erstere räth mir ab, die zweite räth mir zu, was soll ich davon halten? - Ich muß suchen etwas Nähers von beiden Stimmen zu erfahren. er wendet sich zur rechten Seite Stimme zur rechten, was bist du? -
Feine Stimme
Ein Engel des Lichts, der dich will von deinem bösen Vorhaben abwendig machen.
Faust
Ein Engel des Lichts? - Der mich will von meinem bösen Vorhaben abwendig machen? - Ist denn mein Vorhaben so Böse? - Stimme zur Lincken was bist denn du? -
Grobe Stimme
Ein Geist aus dem plutonischen Reich[10] der dich auf der Obernwelt, will bei allen Menschenkindern beglückt, vollkommen, und angenehm machen.
Faust
Ein Geist, der mich beglückt vollkommen, und angenehm bei allen Menschenkindern machen will.
1te Stimme
O weh Faust! - Deine arme Seele ist verloren!
2te Stimme lacht gräßlich.
Faust
Was soll ich davon denken. Die Stimme zur Rechten bewehklagt meinen künftigen Standt, und zur Lincken schlagen mehrere, ein lautes Hohngelächter auf, was soll ich davon denken? Doch ich muß schweigen, denn ich sehe meinen getreuen Diener, meinen Wagner kommen.
Sc<ene> 2. Wagner. Voriger.
Wagner
Euer Magnifizenz! Es befinden sich zwei Herrn Studenten vor der Thür, und verlangen mit euch zu sprechen.
Faust
Was ist ihr Begehr? -
Wagner
Sie haben ein Tracktätlein[11], welches sie euch gerne überreichen möchten.
Faust
Wißt ihr den Inhalt dieses Tracktätleins noch nicht?
Wagner
Nein ihro Magnifizenz! So viel ich aber gehört, so soll es der Schlüssel zur Negromantie, oder Schwarzkunst sein.
Faust
Ha! - erwünscht kommt uns dieses Buch, gehet hin, nehmt beide Herrn Studenten mit auf euer Zimmer, tracktiret[12] sie alldorten mit einem guten Glas Wein, wie auch etwas zum Anbiß, saget Ihnen daß ich bald erscheinen werde.
Wagner
Sogleich Ihro Magnifizenz! bevor ich aber gehe, hätte ich noch eine Bitte an euch zu wagen.
Faust
Was verlanget denn mein treuer Famulus?
Wagner
Dieses wäre mein Ansuchen, daß wir noch einen Menschen in unsere Dienste dürften nehmen damit ich in meinem Studirstunden, nicht so oft unterbrochen würde. -
Faust
Wohl! Das soll euch erlaubt werden, aber nehmt einen solchen Menschen an der da allezeit verschwiegen treu, und fleißig ist.
Wagner
Ich werde dafür sorgen, lebet wohl Eu<e>r Magnifizenz.
Faust allein
Ha! was thut der Zufall doch in der Welt! Schon oft schrieb ich, an alle Professores auf den Universitäten die ich kenne, um mir das Büchlein der Negromantie zu verschaffen, - keiner konnte mir darinnen Genüge leisten, nun kommen von ohngefähr zwei Studenten, und bringen mir solches.
Da will ich auch sogleich darinnen studiren, um zu sehen wie man die höllischen Geister zittiren[13] und zu unserm Plan anwendbar machen kann. Ha! es wird Einst heißen, Faust! Faust! das war ja doch ein großer Mann
ab.
Hannswurst
kommt mit einem Bündel auf dem Rücken und spricht
Omle omle! meo mecum comporto[14].
Das ist ein miserables Wesen, wenn man ein Studiermachers Gesell ist, und hat seinen Buckel aufm Bündel. - Da bin ich bei einem Herrn gewesen, und der Herr hat zwei kleine Buben gehabt, bei den Buben bin ich glücklich wieder der Bube gewesen. - Da hab ich alle Tag die Bücher müssen in die Schul tragen. - Da hab ich auch mal die Bücher in die Schul tragen müssen, da begegnet mir ein Weib, das hat Zwetschgen feil gehabt, so sag ich Weib! wie theuer gebts eure Zwetschgen? - So sagts, das Hundert gibts um a Groschen, da hab ich mir so a vier hundert runter zählen lassen, und habs glücklich g'fressn wie ich so weit fort g'marschirt bin, so begegnet mir wiederum ein anderes Weib, das hat Buttermilch feil gehabt, so frag ich, wie theuer gebts eure Buttermilch? - So verlangts für die Maaß ein Dreier, ich laß mir also für 6 Dreier abmessen, und saufs aus, wie ich die Buttermilch im Leib gehabt hab, und bin so a weil fort g'marschirt bin, so fangen die Zwetschgen in meinem Bauch a G'rebellion an, daß ich für Grimmen nicht g'wußt hab, wo ich nauß oder na soll, meine Zwetschgen waren aber nicht faul, die kriegen meine Buttermilch, bei der Parück, die Buttermilch aber, kriegt die Zwetschgen bei der Parabel, und das war a Lärm in meinem Bauch drin, nicht anders als ob a Regiment Tambour drinnen wären; und thäten a Rebell schlagen, und endlich bin wildfuchs g'worden, und hab g'sagt, was habts für an Lärm in meinem Bauch? - Ihr zahlt ja doch keinen Hauszins, hab meine HinterhausThür aufg'macht, und habs zur hinter Thür nausg'schmissen, zum Unglück hat ich das Schnupftuch vergessen wo man die Renovation mit macht, g'schwind nahm ich meines Herrn Buch, riß aus der Rentizipi[15] ein Blatt raus, und hab die Renovation mit g'macht, und nahms Blatt, und legs wiederum ins Buch nein, trags ihm in die Schul auf einmal fängt mein Herr a zu blättern, zu blättern zu blättern, und der Teufel führt ihn mitm Finger grad in Pfifferling nein, - da hat er halt den Plurarum[16] verdorben, daß mer den Singularum nimmer g'kannt hat, wie er aus der Schul kam hat ers halt gleich dem Papperpa erzählt, wart Kerl, sagte der, der Johann, der Hausknecht, soll dir deinen Abschied schreiben, nu ja, dachte ich, das wird a saubren Abschied geben, wenn ihn der Hausknecht schreiben soll, mein Hausknecht kriegt mich beim Krips[17], und führt mich die große Schneckentrep[18] runter, und mit mir in Roßstall nein, und kriegt mich und legt mich so über die Futtertruhel hinüber, und kriegt so ne dreizinkete Feder hinter der Stallthür vor, und schreibt mir so fünfundzwanzig Buchstaben aufs Hinter Bergamentfell, daß ich vor Schmerz nicht wußte was ich machen sollte, die dreizinkete Feder hat teufelmäßig krazt, kein Mensch hat sich über mich erbarmen wollen, Niemand! - außer so en alter Schimmel ist in Stall g'standen, der hat g'weint daß ihm die Tränen faustdick über die Backen runter g'fallen sind. Jetzt bin ich wildfuchs g'worden hab meinen Buckel aufn Bündel g'nommen und bin zum Zölpel[19] aus g'marschirt, wie ich so a weil g'loffen bin, so komm ich auf en grüne Wiesen hin, da begegnet mir ein Esel, der hängt den Kopf zur Erde, als ob er Philosophie studirte. Ich ging zu ihm und sagte Bon jour Herr Pegasus! - Das hat meinem Esel gleich wohl g'fallen. Drauf hab ich g'fragt, ists Erlaubt ein Bissel zu reiten? - So hat er g'sagt I-a. Haha! dachte ich, der Herr spricht wohl Leckteinisch, er sagt i da! - Das heißt zu deutsch ja ja. Ich also pardauz auf meinen Esel nauf, wie ich ohngefähr so ne' Meile fortgeritten bin, so führt der Teufel den Müller hinter mir her, dem der Esel g'wesen ist, der hat ein Prügel in der Hand wie mein Arm so dick, schlägt mir von Hinten aufs Kreuz, Pardauz bin ich übern Esel runtergepurzelt, drauf sagt er, du Kerl mit deinem spizigen Huth du mußt mit mir ins Dorf zum Schulz! - ohne viel zu spindisiren[20], kriegt er mich beim Kripps führt mich ins Dorf zum Schulz! Wie wir zum Schulzen kommen, so sitzt der Schulze da, und schneidt Parade, wie die Laus aufm Nudelbrett, seht so ist er da gesessen er setzt sich auf einen Stuhl und läutet mit den Beinen.
Er macht die Stimme des Schulzen nach etwas grob.
Sagts mal ihr Kerl! wer seid ihr, und was wollts ihr?
Jezt bin ich der Müller. er macht die Stimme des Müllers nach Ja sehns mal Herr Schulz! - Der Kerl da mitm spizigen Huth, hat mir meinen Esel stehlen wollen! - was hab ich gsagt, Müller! das ist nicht wahr, ich <hab> deinen Esel nicht stehlen wollen, sondern dein Esel hat mich wollen stehlen, denn ich hab deinen Esel nicht fortgetragen, aber dein Esel hat mich fortgetragen. -Jetzt bin ich wieder der Schulz. wie oben Hört ihr zwei Kerls, wann ihr nicht wollt g'scheidt und vernünftig werden, so kann ein jeder einen Thaler Strafe, in die Büchse blasen. - Jetzt bin ich wieder der Müller. wie oben Ja Herr Schulz, wir haben ja keine Büchse nicht! - Jetzt bin ich wieder der Hannswurst. Müller! hast keine Büchse? - Da hast meine.
er springt den Müller mit dem Hintern auf die Nase, so daß der Müller umfällt, zu gleich schmeißt er den Schulz, der sich auf dem Stuhl gewiegt hat übern Haufen, dies erzählt er in folgendem Satz. Dem Müller hab ich was zu riechen gegeben, und dem Schulzen hab ichs Gaunscheln heißt auf deutsch Schaukeln vertrieben, bin drauf zur Thür naus grannt und kein Mensch hat mich ang'halten: Jezt bin ich aber hier in einem Zimmer, und kein Mensch ist hier zu Hauß.
er sieht die Bücher daliegen. Was Teufels da sind ja Bücher; und eins ist aufg'schlagen; Potz Blitz! wenn ich nur a bissel lesen könnt, nu wart ich will mal a bissel buchstabiren. Das ist a Buchstab der ist so groß wie a Scheunentor. Das ist g'wiß ein a. richtig ein a.
er buchstabirt a, r, s, ch, Schnupfstabacksdose. Aha. V, o, tz, Feuerzeug. B, o, x, box be u beu, t, e, l, tel a Schneiderg'sell. H, a, a, r, har b, e, u, t, e, l, tel, a Parükenmachersg'sell; das erste Schnappitel, wie man kann machen Flöh und Mäus, Ratten und Läus a was, Flöh und Läus hab ich so gnug, Ratten und Mäus brauch ich keine. Das zweite Schnappittel, wie man kann machen aus einem alten Weib eine junge Jungfer, Potz Blitz das muß ich lernen, was nimmt man denn dazu, laß sehen, dazu braucht man das Herz aus einem Amboß, 3000 Zungen von jungen Flöhen, sechs Maaß Krebsblut, ein paar Pfund Advokaten Gewissen, einen Schoppen Jungfernmilch, dieses mit 60 Malter Bäckerrauch angerührt, und mit 6 <Pfund> Glockenklang vermischt, und zu Pulver gemacht, dem alten Weib Täglich ein Pulver durch einen Federkiel hinten eingeblasen, o du Schweineigel von Doctor. -
Sc<ene> 3
Wagner. Hannswurst.
<Wagner>
Sage mir du Kerl, wie kamst du in dieses Zimmer herein? -
Hannswurst
Auf den Sohlen.
Wagner
Das glaub ich, daß der Narr nicht durch die Luft geflogen ist. Sage mir, bist du jetzo Herrnlos? -
Hannswurst
Nein ich hab mein Hirn noch.
Wagner
Ich meine nicht also, sondern ich frage, ob du keinen Herrn nicht hast.
H<anns>w<urst>
Nein ich hab jezt keinen, aber ich nehme gleich wieder einen auf und an, wenn ich einen bekommen kann.
Wagner
Einfalt! Der Herr muß ja dich annehmen, denn er gibt dir ja Kost und Lohn.
H<anns>w<urst>
Ja. Aber die ganze Woche nix zu fressen gelt? - was gibst du einem Kerl meines gleichen, wenn ich zu dir gehe? -
Wagner
Du bekommst jährlich 20 Thaler[21].
Hannswurst.
Dafür bleib ich nicht.
Wagner
Warum denn nicht??
Hannswurst
Ei bei meinem vorigen Herrn hatt ich des Monats dreißig Kreuzer.
Wagner
Das ist das ganze Jahr erst sechs Gulden, da ist ja zwanzig Thaler weit mehr.
Hannsw<urst>
Das mach du einem Narren weiß, daß zwanzig mehr soll sein, als dreißig, - ich kanns rechnen auch a bißle.
Wagner
Nu nu! - Du sollst die dreißig Kreuzer extra erhalten, bevor ich dich aber annehme, so sage mir, aus was für einem Geschlecht oder Familie bist du?
Hannsw<urst>
Ich bin aus dem Fischgeschlecht.
Wagner
Sag mir, wie hat denn dein Vater geheißen?
H<anns>w<urst>
Den hat man nur den Musje[22] Lachs genannt.
Wagner
Hast du auch Brüder g'habt?
H<anns>w<urst>
O ja! Der eine war sehr lang und schmal, den hat man nur den Hecht geheißen.
Wagner
Und was ist er? -
H<anns>w<urst>
Ein Advokat. - und der andere war dick und kurz den hat man nur den Karpfen genannt, der war a Prälat er sagt aber Brüllat.
Wagner
Hast du auch Schwestern gehabt oder noch? -
H<anns>w<urst>
O ja! ich habe zwei Schwestern gehabt, die eine war eine Putzmacherin, und hat dabei mit Spitzen gehandelt, denen Mansleuten dieselben sammt der Manschetten gewaschen, und eingekniffen, die hat man in der ganzen Stadt nur das Weißfischerl geheißen. - Und die andere, die war so kurz und schmierig, die hat mit Asche gehandelt, die hat man nur die Murschleihe genannt.
Wagner
Wie hat denn deine Mutter geheißen?
H<anns>w<urst>
Ich hab keine Mutter gehabt.
Wagner
Was? - Du hast keine Mutter gehabt? - was hättest du denn gehabt?
H<anns>w<urst>
Ei eine Frau Mama!
Wagner
So? - eine Frau Mama, und wie hat denn diese geheisen?
H<anns>w<urst>
Die hat man nur die Frau Lächsin geheisen, weil sie mit Herrn Lachs diese gehabt hat. Ja, einen Frau Mamerlemama!
Wagner
Wie heißest du denn?
H<anns>w<urst>
Wie ich heiße? - ich heiße wie du.
Wagner
Wie ich? - ich heiße Johann Christoph Wagner.
H<anns>w<urst>
Ganz recht, das erste ist mein rechter Name.
Wagner
Also heißest du Johann?
H<anns>w<urst>
Ja, aber die Leute heisen mich nur Hanns, und noch so a bissel was dabei.
Wagner
Nun was soll denn das sein?
H<anns>w<urst>
So was, was die Juden nicht fressen dürfen.
Wagner
Ha! ich verstehe! - Hanns Speck.
H<anns>w<urst>
Ach! ich hätt bald was g'sagt, Hanns D<reck>: - nein so was kurzes, so was rundes; so was, was man aufs Sauerkraut legt.
Wagner
Das versteh ich nicht, was ist denn das?
H<anns>w<urst>
Wurst wurst!
Wagner
Ah! Also Hannswurst nennst du dich?
H<anns>w<urst>
Ja Hannswurst.
Wagner
Nun so räume diesen Stuhl und Tisch beiseit, und komme zu mir in die Küche, da sollst du Essen und Trincken erhalten.
H<anns>w<urst>
Gut. Aber was bist du? bist du denn der Herr selbst?
Wagner
Nein! - ich bin nur des Herrn sein Famulus.
H<anns>w<urst>
Was ist das für ein Ding! ein Fummelochs? -
Wagner
Zu deutsch: der Jung.
H<anns>w<urst>
Der Jung? - nun da kann man sehen, was das für 'ne Wirthschaft ist, da will ein Hundsjunge, den anderen Hundsjungen zur Aufwartung haben.
Wagner
Einhalt! ich bin der Junge zum Studiren und du bist zu der Hausarbeit bestimmt.
H<anns>w<urst>
So so, du bist zum Schmieren und ich zu der Lausarbeit! Sag mal, wer ist denn dein Herr?
Wagner
Der Faust.
H<anns>w<urst>
A Faust? - Da bleib ich nicht!
Wagner
Und warum nicht? -
H<anns>w<urst>
Geh weg! - ich wills dir sagen, schau ich bin a mal auf einer Bauernkirchweih g'wesen, da bin ich unter die Fäust nein gerathen, ich hab vier Wochen lang blaue Augen davon getragen.
Wagner
Ach du Narr! Er heißt nur Faust, er ist Doctor, und Profeßor dahier zu Wittenberg.
H<anns>w<urst>
Ha ha! so! Brodfressor zu Wittenberg, aber wer bist, oder wie heißt du?
Wagner
Wagner.
H<anns>w<urst>
Ein Wagner, das ist ein Stellmacher, da muß man gar oft Hobelspäne fressen und Spatenstiele scheißen, und fliegt einem manchmal ein grober Keil an Kopf.
Wagner
Spaßmacher! - trage nur diesen Tisch und Stuhl beiseit, und komme zu mir in die Küche, da sollst du Essen und Trincken genug erhalten ab
H<anns>w<urst>
Den Stuhl schmeiß ich zum Fenster hinaus, den Tisch schmeiß ich um.
er thut es, und geht ab
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Zweiter Act
Erster Auftritt
Ein Todtengewölbe
Faust steht in einem von Pappir gemachten Kreis, der mit allerlei mistischen Zeichen bemahlt ist.
Faust
Hier in diesem Todtengewölbe und hier in diesem dazu bereiteten Kreis, wo keine Furie Macht hat, mir etwas zu Leide zu thun, will ich sogleich meine Beschwörung anfangen, und so zu meinem Glück oder Unglück den Anfang machen.
Er dreht sich im Kreis herum und ruft mit eignem Grauen.
Sise, Sise, Flegeronsia Stix! Hejus! Hejus atteste male Spiritus! Faustibus, Videridet zitra[23].
man hört ein Geräusch. Was soll das bedeuten? man hört ja nur ein Getöse, und keine Furie erscheint mir, ich werde zum 2tenmal meine Beschwörung fortsetzen. wie oben
Sise! Sise! Flegeronsia Stix! Hejus! Hejus! Atteste male Spiritus! Faustibus zideritet zitra. Der Lärm wird stärker
Ha meine Beschwörung hat wohl Kraft genug, geschwinde noch einmal. er wiederholt obige Beschwörung, es donnert und blitzt, unter diesem Mordspecktakel, erscheinen die Furien.
Ha welch gräßliche Gestalten! ich werde eine nach der andern befragen. Höllische Furie hier zu meiner rechten - sage mir wie nennst du dich mit deinem Namen?
Eine Furie
Ich nenne mich Vizlebuzle.
Faust
So sage mir denn du höllischer Vizlebuzle, wie geschwinde bist du dann?
Vizlebuzle
So geschwind wie die Schneck auf dem Zaun.
Faust
Ei du Langsamer verfluchter Geist, entferne dich! Abbache male Spiritus![24]
Vizlebuzle schnurrt ab
Faust
Ha es sind ja noch mehrere Teufel zugegen, einer wird doch darunter sein, der mir anstehn wird. Höllische Furie hier zu meiner Lincken, sage mir wie nennst du dich.
Eine Furie
Audium et gugulorum!
Faust
Sage mir denn du höllischer Audium et Compagnie, wie geschwinde bist du denn?
Furie
Wie ein altes Weib.
Faust zornig
Hebe dich weg von mir, langsamer Teufel.
Furie rauscht ab.
Faust
Wie nennst du dich hier, du zu meiner rechten? -
Furie
Auerhahn! Auerhahn!
Faust
Höllischer Auerhahn! wie geschwinde bist du dann? -
Furie
Wie ein Pfeil, der abgeschossen wird.
Faust
Das ist eine schöne Geschwindigkeit, aber für meine Wünsche, immer noch nicht hinlänglich genug. Entferne dich Abbacke Spiritus[25].
Furie ab
Faust
Übereile dich nicht Faust, es sind noch mehrere Furien zugegen. Wie nennst du dich?
Eine Furie
Asmotheus. Asmotheus.
Faust
Bist du nicht der Hochmuths-Teufel? -
Furie
Das bin ich.
Faust
Du sollst weder in meinem Kopfe noch in meinem Herzen einen Plaz finden. Abbache male Spiritus. Furie ab
Faust
kann noch einige befragen, die dann nach Willkühr ihre Geschwindigkeit angeben, zum Ex<empel>: Der eine ist so fix wie ein Fisch im Wasser, der andere so schnell wie ein Spiegel, womit man in der Sonne blinkert<.> Keiner kann ihn befriedrigen<;> nun fragt er die letzte Furie wie sie sich nennt.
Furie
Ich nenne mich Mefistopheles der Geschwinde.
Faust
Der Geschwinde? - nun da du dich selbst der Geschwinde nennst, so sage mir denn, wie geschwinde bist du dann?
Mefistopheles
Ich bin so geschwinde, wie des Menschen Gedanken.
Faust
Was? - wie des Menschen Gedanken? - Ha! das ist die gröste Geschwindigkeit die nur auf der Welt existirt. - Denn wie bald bin ich mit meinen Gedanken, in Asia, Afrika, Amerika und Europa zugleich; sage mir höllische Furie, willst du mir dienen?
Mefistopheles
Nein! - ich diene dir nicht.
Faust
Und warum willst du mir nicht dienen.
Mefistopheles
Weil ich keine Erlaubniß dazu habe dir dienen zu dürfen, indem unser Höllenfürst Pluto, bei der Prinzessin Proserbina[26] in Gesellschaft ist.
Faust
Ha! wenn dem so ist, so entschuldige ich dch, wenn die Teufel in der Hölle, ihre Kränzel, und Assambleen[27] halten, so beurlaube ich dich für diesesmal, aber dafür erwarte ich dich heute Nacht um 12 Uhr, in meinem Zimmer, und zwar ohne Geheul, ohne Geräusch, ohne Gepolter, Ohne Lärm, so daß Niemand in meinem Hause, noch in der Nachbarschaft etwas gewahr werden mag.
Mefistopheles
Gut! - Verlasse mir jetzt diesen Kreis, es wird dir keine Furie etwas zu leide thun.
Faust
Nun so entferne dich erst. Abbache male Spiritus.
Mefistopheles ab
Faust allein.
So, nun wäre ja der Grundstein zu meinem künftigen Glück oder Unglück gelegt, nun will ich mich auf mein Zimmer begeben, und noch mehr in meinem Tracktätlein studiren. Die Nachwelt, wird mich Einst preisen, indem die gegenwärtige mich verachtet, denn meine neuerfundene Schwarzkunst, wird der Nachwelt noch wichtige Dienste leisten. Die Buchdrucker, werden mich, und meinen Freund Gutenberg[28] noch segnen. ab
Hannswurst
Kommt von der andern Seite, indem er erst den Kopf herein steckt.
Hier ist mein Herr auch nicht! Wo mag er denn stecken? er sieht den Kreis an.
Was! Teufels ist denn das da für a Ding? - Ist das vielleicht ein Kreis, von einer Pastete, oder, ist vielleicht gar ein Schneider vorbei gegangen und hat sein Maaß verloren?
er tritt in den Kreis, indem umringen ihn alle die Teufel.
Ha ha! - was sind dies für schwarze Kohlenbrenner? - was wollt ihr.
Die Furien
Dich wollen wir zerreißen!
H<anns>w<urst>
Was? ihr wollt mich zerreißen!
Furien
In Tausend und abermal tausend Stücke.
H<anns>w<urst>
O weh! Da bleibt ja kein ganzer Fezen mehr an mir! - warum zerreißt ihr mich nicht gleich.
Die Furien
Wir können nicht in den Kreis.
H<anns>w<urst>
So? - Könnt ihr nicht herein! nun so kann ich auch nicht heraus. er sezt sich
Die Furien setzen sich auch.
So bleiben wir auch da!
H<anns>w<urst>
Na, nun bleiben die Satans auch da. zornig Wollt ihr wohl weg.
Furien
Nein!
H<anns>w<urst>
Wann ich nur wüßte wo mein Herr wäre, der sollte mir die Kerls brav zwiebeln, aber halt! - Gestern hab ich gelesen, in meines Herrn Buch, wie man Teufel verjagen kann, es war nur ein einziges Wort, warte wie heißts nur gleich, ich glaube es hieß Perlike.
Die Furien fahren alle ab.
H<anns>w<urst> lacht
Richtig, das war das rechte Wort, und das andere stand gleich dabei es hieß glaub ich, Perlokko.
Die Teufel erscheinen wieder und schreien
komm heraus, wir wolen dich zerreißen!
H<anns>w<urst>
Was wollt ihr machen?
Furien
Dich zerreißen!
H<anns>w<urst> schnell
Perlike!
Die Furien schnell ab.
H<anns>w<urst>
Nu kommt mal her, zerreißts mich mal, O ihr dumme Dorfteufel ihr, warte, ich muß mir mit den Teufeln noch einen Spaß machen, Perlokko.
Die Teufel kommen zornig,
komm heraus wollen dich zerreißen.
H<anns>w<urst>
Spricht gleich Perlikke sie fliegen allmal ab, er vexirt sie einige mal, in dem er nur Per- sagt, endlich spricht er die beiden Worte, so schnell hinter einander weg, daß die Teufel vor Angst nicht wissen was sie sollen und fahren so schnell allmählich auf und ab, endlich ruft Hannswurst Perlikke! sie bleiben weg.
H<anns>w<urst>
Wartet ihr dumme Heuochsen von Teufel, ihr sollt mir nicht g'scheit g'nug sein, ich wickle mich hier in den Kreis nein, da können mir die Teufel nichts thun, und so troll ich mich zu meinem Herrn!
er wickelt sich in den Kreis. Indem er abgeht schreit er
Herr Fäustling! Herr Fäustling! ab
Ende des zweiten Acts.
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Dritter Act
Faust allein, Zimmer wie im Ersten Act.
Faust
Nemo Sue Sorte Contentus[29]. Niemand ist mit sich und seinem Stande zufrieden[30], ein Soldat möchte gerne General, ein General König, ein König Kaiser sein, und ist er auch wircklich dieses alles, so wird er dennoch nicht ganz zufrieden sein. Er wird immer noch einen Wunsch im Herzen haben, der ihn nicht befriedigt worden, und auf dieser Erde auch nicht befriedigt werden kann. Ein Zeichen, daß doch etwas in uns steckt, das nicht auf diese Welt gehört, und das sich immer nach einer höheren Sphäre sehnt, und also mit diesem irdischen Glücksgütern nicht zufrieden sein kann, um diesen geheimen Wunsch zu befriedigen, habe ich den Geist Mefistopheles bestellt um mir zu sagen, was hinter jenem dunklen Vorhang vorgeht. Denn schon Myriaden Geschöpfe sind hingegangen, und keiner ist nicht zurüke gekommen der uns die Wahrheit hätte sagen können.
Es schlägt 12 Uhr.
Eine Stimme ruft Fauste!
Faust
He! wer rufet? -
Mefistopheles
In Qua Forma Fis, Odivi Mefistopheles Apparint[31]??
Faust
Himmel welch eine Geschwindigkeit? - Kaum gedenke ich nur an den Geist Mefistopheles, so fragt er auch schon, in was für einer Form, oder Gestalt er mir erscheinen soll? - wohlan! erscheine mir als ein Löwe, nur nicht mehr als Teufel.
Mefistopheles
als Löwe. Gefalle ich dir so?
Faust
Du siehst scheußlich aus. Kannst du dich nicht in ein etwas hummaneres Thier verwandeln?
Mefistopheles
Verwandelt sich in einen Bären.
Ists so recht?
Faust
O was soll ich mit einem Bären? Verwandle dich lieber in einen schöngekleideten Jüngling oder Mädchen.
Mefistopheles
Verwandelt sich in einen schönen Jüngling
Gefalle ich dir so, mein Faust.
Faust
O recht gut! - recht gut! wenn ich nicht gewiß wüßte, daß du der Satan wärest, so würde ich dich als den Sohn meines Freundes umarmen. Sage mir! hast du nun die Erlaubnis von deinem Höllenfürsten Pluto erhalten mir dienen zu dürfen? -
Mefistopheles
Ja, ich habe sie erhalten.
Faust
Nun so werde ich dir 24 Punkte, die ich zu Pappir gebracht habe, verlesen, wir wollen aber nur die Hauptpunkte berühren.
Mefistopheles
Nun, so laß einmal deine Punckten hören.
Faust
Der erste Artikel ist, daß du mir an Geld sollst niemals Mangel leiden lassen, aber kein solches Geld, das wieder unter Menschenhänden verschwindet. Nein, ein solches Geld, das von Menschen ist geschlagen und geprägt worden.
Mefistopheles
Zugestanden.
Faust
Zweitens, sollst du mich durch die Luft führen, wohin ich nur hinverlange, aber ohne Gefahr meines Lebens.
Mefistopheles
Accordiert[32].
Faust
Drittens, sollst du mir auf alle meine Fragen, eine Categorische Antwort ertheilen: Sie mag nun geist- oder weltlich; an dich gerichtet werden.
Mefistopheles
Wenn ich kann? Ja.
Faust
Nun wollen wir, die anderen alle alle <so!> überschlagen, und nur den lezten und Hauptpunckt berühren, dieser ist, daß du mir vier und zwanzig Complette Jahre auf der oberen Welt dienen sollst.
Mefistopheles
Vier und zwanzig Jahr? - Das ist ja eine halbe Ewigkeit.
Faust
Das mag für euch Furien, in der Qual wohl eine Ewigkeit sein, aber für uns sterbliche Menschen, sind 24 Jahr, in Gesundheit und Wollust hingelebt, nur eine kurze Zeit.
Mefistopheles
Nun ich gehe dir diesen Punckt auch ein, aber nun wirst du dich auch bequemen, meine Artikel anzuhören.
Faust
Was? sind wir Menschen denn auch gemüßigt von euch höllischen verächtlichen Kreaturen Gesetze anzunehmen? -
Mefistopheles
Kannst du von deinem Nebenmenschen etwas verlangen, ohne Gegendienst? - und du verlangst von uns verächtlichen Geistern, Dienste; ohne Belohnung? - Sieh meine Forderung ist weit billiger als die deine.
Faust
Nun so laß einmal deine Punkten Hören.
Mefistopheles
Der erste Punkt ist dieser, daß du dich nie mehr in eine Kirche begeben sollst.
Faust
Das ist unmöglich! - Du weißt wessen Stand, und Würde ich bekleide[33], ich bin Doctor der Theologie, man würde mich ja für einen Deisten[34], aber nicht mehr für einen Christen halten.
Mefistopheles
Sorge nicht! ich werde dich auch in der Kirche vorstellen.
Faust
Nun wenn du dieses willst, so geh ichs ein, weiter.
Mefistopheles
Zweitens, darfst du dich nie verheirathen.
Faust
Anjetzo schweige! - Das ist unmöglich, was ist liebenswürdiger auf der Welt, als wenn man eine treue Gattin hat, die man liebt, von der man wieder geliebt wird, das ist ja das gröste Vergnügen für uns sterbliche Menschen.
Mefistopheles
Ich sage dir aber, Ehestand ist Wehestand.
Faust
Mache du mir einmal eine vernünftige Vorstellung gegen den Ehestand.
Mefistopheles
Sehr leicht! Sieh nimmst du dir eine Reiche, so mußt du gewärtigen bei mancher Gelegenheit zu hören, Lump du hast ja nichts gehabt, und so weiter: nimmst du dir eine Arme, so hast du den Bettelstab vor der Thür. Nimmst du dir eine Schöne, so mußt du fürchten in eine große Schwäherschaft aufgenommen zu werden, nimmst du dir eine Häßliche, so hast du selbst kein Belieben daran, lieber bleibe ledig und frei, und du sollst an Schönheiten niemals Mangel leiden.
Faust
Nun wenn du das kannst so bin ichs auch wohl zufrieden, rede weiter.
Mefistopheles
Leztens, sollst du nach 24 Jahre mit Seel und Leib, in das Plutonische Reich verfallen sein.
Faust
Mit Seel und Leib? - O mein Geist, alles fodre, alles verlange von mir, nur meine Seele nicht, denn das ist ein anvertrautes Gut, über das ich wachen muß, das kann ich dir nicht geben.
Mefistopheles
Nur mit deiner Seele allein ist mir geholfen.
Faust für sich
Es ist wahr! - wie die Arbeit so der Lohn, was soll ich anfangen? Soll ich glücklich sein? in meinem Vorhaben triumphieren; o so muß ich ihm diesen Punkt wohl eingehen, ich bin ja ein kluger und vernünftiger Mann. Vielleicht kann ich mich unter der Zeit doch noch von dem Teufel losreißen.
laut Nun denn mein Geist, ich gehe dir diesen Punkt auch ein, aber mit dem Beding, daß meine Seele bei euch gut gehalten wird.
Mefistopheles
O, sie soll den Vorzug vor allen andern Seelen haben.
Faust
Nun so will ich dir den Contrackt unterschreiben.
Mefistopheles
Mit was willst du schreiben?
Faust
Nun ich werde gleich Feder und Tinte holen.
Mefistopheles
Das hast du nicht nöthig, denn wir höllischen Furien schreiben alles nur mit Blut.
Faust
Mit Blut? wo soll ich jetzo Blut bekommen. Da kein Mensch mehr auf ist? -
Mefistopheles
Reiche mir deine Hand.
Faust
Aber ohne Schmerzen?
Mefistopheles
Ohne Schmerzen und Gefahr, hier hast du Blut.
Faust
Himmel! kaum berührt mich die Furie, so quillt auch schon das Blut aus meinen Adern, und es ziehen sich in meiner rechten Hand zwei Buchstaben zusammen, ein H. und ein F. Was soll das heißen, Homo Fugo[35]! Mensch fliehe! vor[36] wem? vor niemand anders, als vor dir du leidiger Seelendieb.
Mefist<opheles> laut
Hahaha! du willst so ein gelehrter Mann sein, und kannst die paar Buchstaben, nicht besser auslegen. Es heißt allerdings Homo Fugo Mensch fliehe, aber wo anders hin, als in die Arme deines treuen Freundes Mefistopheles.
Faust
Es ist wahr, du kannst deine aprorirte[37] Schrift am besten auslegen, nun so werde ich eine Feder holen, um zu unterzeichnen.
Mefistopheles
Das ist nicht nöthig! Lasse nur einen Tropfen Blut darauf fallen, und dein ganzer Name wird da stehen.
Faust
Nun ich werde sehen, was deine Kunst vermag. er schlägt mit der Hand auf das Pappir Was seh ich? - mein ganzer Name? - Als ob ich ihn mit der Feder geschrieben hätte, aber wie ist mir, es ist als ob mit diesem Tropfen Blut, meine ganz Lebenskraft geschwunden wäre. Ha! welch eine Mattigkeit überfällt mich. Es zieht mir die Augen zu, ich muß mich ein wenig schlafen legen, du bleibe da und bewache mich.
Mefist<opheles>
Schlafe nur, ich bleibe bei dir.
man hört eine Harmonika, oder Flötenuhr. O weh! mein Erbfeind kommt. er entflieht.
Eine Wolke erscheint
Ein Genius, mit einen Palmzweig in der Hand. Singt folgende Strophen.
Fauste, jene Himmelsgaben,
Die dir mitgeteilet sein,
Die da alle Menschen laben,
Heilen, lindern Todespein,
Du bist als ein Mensch geboren;
Willst so schändlich sein verlohren?
Traue nicht des Teufels List
Welche dir so nahe ist.
#
Ewig in dem Himmel leben,
Ist der Engel größte Freud.
In der Hölle zittern beben,
Die Verdammten jederzeit.
Faust wach auf von dem Beginnen
Wenn du willst der Höll entrinnen:
Faust wach auf, bekehre dich
Deine Seel erbarmet mich.[38] ab
Eine andere Furie erscheint, mit grober Stimme, singend
Fauste was willst du einschränken,
Deinen freien frohen Sinn!
Von dem Vorsatz tu nicht wanken
Lust und Freud ist dein Gewinn.
Du kannst stets in Freiheit schweben
Und dem Glück im Schoße leben
Faust wach auf und fahre fort
Schicke Pluto dein Accordt. ab
Faust erwachend.
Entweiche Phantasie, der thörichten Gedanken,
Die nirgends stille stehn, bald dort, bald dahin wanken,
Faust ist ein großer Mann. Er sizt dem Glück im Schoß.
Fortuna gönnet ihm, anheut, das größte Los.
Dazu Mefistopheles.
Nun mein Faust, hast du einen angenehmen Traum gehabt?
Faust
Nein, nicht so sehr! Denn es war mir als schwebte ich anfangs in einem Meer von Wonne, als ich auf Ein Mal in einen schwarzen unabsehbaren Abgrund sThürzte, wo scheußliche Ungeheuer meinen Cörper mit Zähnen zu zerreißen drohten. Darüber erschrocken wachte ich auf.
Mefistopheles
Das sind Phantasien deiner erhitzten Einbildungskraft, die dir dann der Geist im Schlafe, mit verworrenen Bildern wieder vorgaukelt. Denn sobald der Mensch eine wichtige Handlung begehen will, und sich starck damit beschäftigt, so werden ihm jederzeit im Schlaf diese Ideen, im umgekehrten und schiefen Lichte erscheinen. Soll ich nun den Contrackt abholen lassen?
Faust
Nach deinem Gefallen.
Mefistopheles
So beschwöre ich sogleich eine höllische Furie, bei ihrer größten Pein, und Plage, daß mir solche erscheinen, und den Contrackt abholen soll, denselben unsern Höllenfürsten Pluto zu übermachen.
Es erscheint ein Rabe
er nimmt den Kontrakt vom Tisch und fliegt zum Fenster hinaus.
Faust
Weh! was hab ich gethan? O weh! was hab ich angefangen? Meine Seele! - Das meinem Erlöser so theuer erworbene Gut, muß ich sehn, der Hölle zufahrn, o Faust! Faust! du bist geringer als ein Wurm weniger als ein Hund! - Denn ersterer krümmt sich wenn man ihn tritt, er zeigt doch Gefühl: lezterer liebkoset seinem Herrn für jeden bissen Brod, aber du Mensch! Du bist fühllos gegen alle die Wohltathen, die dir dein Schöpfer täglich gibt; du trittst seine Gesetze mit Füßen, und verachtest seine Gebote.
Mefistopheles lacht
Ich muß ihn doch nicht ganz verzweifeln lassen. Nun mein Fauste! willst du eine Freude genießen? So Befehle! Alle Schäze der Erde stehn dir nun frei, genieße.
Faust für sich
Nun ich habe mich einmal der Welt, und dem Satan gewidmet, so will ich auch davon Gebrauch machen, so lange ich lebe. laut Nun drum, mein Geist, ich habe vernommen, daß der Herzog von Parma, ein so prächtiges Beilager hält, welches nun schon einige Monate dauert, dabei möchte ich mich heute noch einfinden, wäre dir dieses wohl möglich? -
Mefist<opheles>
O, in einer Viertelstunde, wenn du willst, geh nur in dein Zimmer, breite deinen Mantel da aus, stelle dich darauf, so wirst du wenn du das Wort Wohlauf sagst in 20 Minuten in Parma sein! -
Faust
Nun ich will sehen was deine Kunst vermag, aber ich habe auch noch einen Diener mit Namen Hannswurst, den mußt du mir auch mitbringen.
Mefistopheles
Gut, er soll nachkommen.
Faust
Er soll aber ja nicht sagen, daß er bei mir, dem Doctor Faust in Diensten sei. ab
Mefistopheles
Ich werde es ihm verbieten.
allein.
Ha! - endlich ist Fauste ins Netze gegangen. Dafür wird mir nun meine Pein auf 200 Jahre gelindert werden, verschiedene Furien haben schon ihr Heil an ihm versucht, aber umsonst, der Geiz, der Hochmut! Die Wollust! - alle wurden abgewiesen, ich allein war so glücklich ihn ins höllische Netz zu ziehen. Er hat auch noch einen Diener, namens H<ans>wurst>: Auch dieser muß des Teufels sein, er mag sich stellen wie er nur immer will.
Dazu Hannswurst.
Das weiß der Teufel wo mein Herr steckt, der Herr Fäustling.
Mefistopheles
Wie stehts du Kauz?
H<anns>w<urst>
Geh du Kerl! heiß mich keine Katz nicht.
Mefistopheles
Was machst du in meines Herrn Zimmer?
H<anns>w<urst>
Das ist mein Herrn sein Zimmer! - Denn mein Herr hat ja keinen andern Menschen im Hause, als mich und den Wagner.
Mefistopheles
Und mich.
H<anns>wurst>
Ja wer bist du denn?
Mefist<opheles>
Ich bin sein geheimer Sekretär, ich weiß von allen seinen Geheimnissen.
H<anns>w<urst>
Ich glaubs! - Du wirst nur a bissel zu viel wissen.
Mefistopheles
Nun wenn du bei dem Doctor Faust in Diensten bist, so sage mir, wo ist denn jetzt der Doctor Faust? -
H<anns>w<urst>
Nu! wo wird er sein? - er wird halt in seinem Schlafgemach sei.
Mefistopheles
O nein! - er ist schon längst zu Parma.
H<anns>w<urst>
Wie hat ihn denn der Teufel in eine Barbe[39] hineingeführt?
Mefistopheles
Ich hab ihn durch meine Kunst und Geschicklichkeit dahin gebracht.
H<anns>w<urst>
Ei wer bist du denn? -
Mefist<opheles>
Ich bin, Egusum Diabulus[40]
Hannswurst
Was du bist a Strohfuß.
Mefist<opheles>
Nicht also! auf Deutsch, der Teufel.
H<anns>w<urst>
I, das wär ja gar der Teufel!
Mefistopheles
Und ich setze dir tausend Thaler an deine Seele, daß ich alles kann.
H<anns>w<urst>
Du, ja du schaust mir aus als wenn du alles könntest. Schau es gilt 4 Groschen, du kannst nicht alles.
Mefist<opheles>
Nun meinetwegen vor Spaß, es gilt. -
H<anns>w<urst>
Kannst du auch einen Bumbes Fexiren[41]?
Mefistopheles
Was ist <das,> ein Furz??
H<anns>w<urst>
A du Schweineigel, so was mußt' nicht gleich raussagen, so was mußt' verschlucken. - Kannst du mir den Fexiren? -
Mefistopheles
Nein das kann ich nicht, lern michs.
H<anns>w<urst>
Ja du sollst lernen, aber es kostet dir 4 Ggr.
Mefist<opheles>
Nun meinetwegen, immer zu, wie macht man denn das?
H<anns>w<urst>
Nu paß auf, es ist a schönes Stück. Sieh wenn dir a Bumbes ankommt und du willst ihn fexiren, so läßt du ihn unter ein Sieb springen, da weiß er nicht sogleich zu welchem Löchel er naus soll. Das heißt man an Bumbes Fexirt.
Mefistopheles
Das ist schön, weißt du noch so was?
H<anns>w<urst>
O ja, kannst du auch einen Bumbes aderlassen.
Mefistopheles
Nein das kann ich auch nicht.
H<anns>w<urst>
Ei seh mal wie dumm du bist, erst sagst du, du könntest alles, nun ich will dirs lehren, gib acht, aber es kostet vier Groschen.
Mefistopheles
Schon recht, sollst sie haben.
H<anns>w<urst>
Das sind hernach 8 Groschen.
Mefist<opheles>
Ja, ja, nur weiter,
H<anns>w<urst>
Nu sieh wenn man einem Bumbes will aderlassen, so nimmt man einen Kübel voll Wasser.
Mefist<opheles>
Kalt oder Warm? -
H<anns>w<urst>
Das gilt gleich - sieh man sezt sich mitm Hintern ins Wasser und läßt den Bumbes hineinspringen, das gibt dann eine Blase, die stichts mit deiner Nasen auf. Das heißt man an Bumbes ader g'lassen.
Mefist<opheles>
Das mag der Teufel thun.
H<anns>w<urst>
Ei du bist ja der Teufel. Es gilt noch vier Groschen.
Mefist<opheles>
Weißt du noch so etwas schönes?
H<anns>w<urst>
Ja, kannst du sagen, warum die Schuster, den Montag immer nach dem blauen Montag nennen.
Mefist<opheles>
Ich weiß das auch nicht, erzähle mirs.
H<anns>w<urst>
Gut, aber es kostet wiederum 4 Gg, das sind hernach 12 Ggr.
Mefist<opheles>
Ja ja, du sollsts haben, rede nur.
H<anns>w<urst>
Nu sieh, die Ritter haben doch immer so ein Turnier gehalten, nun habens die Schuster auch a mal probiren wollen, weils aber nicht mit den Lanzen wußten umzugehn, so haben sie einander mit der geballten Faust, zwischen die Augen rein Turniert, das geschah alle Sonntag nach der Predigt. Davon habens alle Montag blaue Augen gehabt. Sieh daher hat es den Nahmen blauer Montag, blos von den blauen Augen.
Mefist<opheles>
Du kannst recht haben, weißt du noch was? -
H<anns>w<urst>:
Ja, kannst du aus einem alten Weib, wieder a junge Jungfrau machen?
Mefist<opheles>
Nein das kann ich nicht.
H<anns>w<urst>
Das kann ich auch nicht, wenn ich das könnte, so brauchte ich mich nicht so zu quälen in der Welt, da hätt ich Arbeit genug.
Mefist<opheles>
Nun sage mir willst du auch zu deinem Herrn.
H<anns>w<urst>
Ja, bring mich auch zu ihm.
Mefist<opheles>
Da mußt du mir aber geben, was du in deinem Leibe hast.
Hannswurst
Morgen kannsts Faustdick haben, aber nur heute nicht mehr.
Mefist<opheles>
Ach das meine ich nicht, sondern ich meine deine Seel.
H<anns>w<urst>
A so! - ich hab aber keine Seel, denn ich bin ja von Holz.
Mefist<opheles>
So mußt du dich mir doch wenigstens verschreiben, daß du willst mein Eigen sein.
H<anns>w<urst>
Ich kann aber nicht schreiben.
Mefist<opheles>
Ich werde dir die Hand führen.
H<anns>w<urst>
O gehts weg, das wär ne Schande, wenns heißen thät der Teufel hat den H<anns>w<urst> da oder dort die Hand geführt.
Mefist<opheles>
So mußt du mir doch versprechen, daß du willst mein eigen sein.
H<anns>w<urst> bei seit
Versprechen kann ichs ihm schon es gilt nicht mehr bei der Obrigkeit, und er hat keinen Zeugen, ich leugne es ihm wieder ab. - laut Nu meinetwegen versprechen will ich dirs schon, da hast du meine Hand drauf. er reicht ihm die Hand und schreit Heiß! Heiß! Kerl du bist ja so heiß wie ein Backofen, du brennst ja wie Feuer! warum bist du denn so heiß ? -
Mefist<opheles>
Wir sind alle so hiziger Natur.
H<anns>w<urst>
Seid ihr so hiziger Natur? - warum vertreibt ihr dann den kalten Winter nicht, wart wenns wieder mal so kalt wird, so will ich dich in Ofen stecken.
Mefist<opheles>
Das ist nicht unser Geschäft, die Menschen zu wärmen, jezt werde ich dir ein Luftpferd schicken.
Hannsw<urst>
Was ist das für a Ding a Luftpferd? -
Mefist<opheles>
Einen Ziegenbock.
H<anns>w<urst>
Pfou Teufel! Da möchten mich die Leute für a verdorbenes Schneiderpürschel halten.
Mefist<opheles>
Das hat nichts zu sagen, denn bei uns geht alles durch die Luft. er fliegt oben naus und läßt einen tüchtigen -
H<anns>w<urst>
Der kanns noch besser wie unser Kettenhund, und fliegt dabei ohne Flügel oben naus, so leicht wie ne Seifenblaß.
Ein Ziegenbock erscheint H<anns>w<urst> setzt sich darauf der Ziegenbock spuckt hinten und vornen Feuer aus, H<anns>w<urst> schreit mörderisch Schneidergaul nicht so hoch von der Erde ich bin schwindlich. ab.
—————
Vierter Aufzug
Erster Auftritt
Garten im Schlosse zu Parma.
Die Herzogin tritt auf
Himmel wie unglücklich bin ich! - vor wenigen Wochen, wurde ich mit meinem Gemahl den Herzog von Parma vermählt, und seit einiger Zeit ist derselbe so Tiefsinnig geworden, daß auch nichts im Stande ist, das sonst so heitere Gemüth meines Gemahls in die vorige Ruhe zurückzubringen. Ich gebe Fehden, Kampf- und Ritterspiele, Ball, Jagd, und Tanzbelustigungen, aber immer bleibt er düster, und in sich gekehrt, noch eine große Jagd werde ich veranstalten lassen. Bleibt er dann noch stumm und in sich gekehrt, so bin ich die unglücklichste meines Geschlechts.
Man hört H<anns>w<urst> in der Luft schreien Ho ho! ho ho! ho ho!
er fällt aus der Luft zu ihren Füßen.
Herzogin erschrickt
O Himmel was ist das für ein Zufall?? -
Hannsw<urst>
Das ist kein Zufall. Das ist ein Einfall.
Herzogin
Aber was soll das bedeuten?
H<anns>w<urst>
Rumpelt mit der Zunge
Herzogin
Ich glaube der Mensch ist stumm. Gib mir durch ein Zeichen zu verstehen wie lange du stumm bist und warum du stumm geworden bist. Pause Wie lange bist du denn schon stumm? -
H<anns>w<urst>
A paar Minuten bin ich stumm.
Herzogin
Ei du Schelm, du kannst ja doch reden.
H<anns>w<urst>
Ja das machts, ich bin stumm und kann doch reden zugleich.
Herzogin
So sage mir doch, durch welchen Zufall bist du hier in diesen Garten gekommen? -
H<anns>w<urst>
Das will ich euch sagen, da bin ich auf einem Schneidergaul durch die Luft geritten. Das Luder hat hint und vorn Feuer g'spuckt, auf ein Mal ist er unter mir durch g'marschirt, und hat mich darunter g'schmissen.
Herzogin
Auf diese Art bist du wohl gar ein Zauberer.
H<anns>w<urst>
Nein kein Zauberer bin ich nicht, aber so en ordinärer Hexenmeister.
Herzogin
So wie ich an deiner Kleidung sehe, bist du wohl in Diensten? bei wem bist du denn?
H<anns>w<urst> für sich
Nu könnt ich wohl a guts Trinckgeld verdienen, wenn ichs nur sagen dürft, er steckt seinen Arm hin. bei dem bin ich.
Herzogin
Bei deinem Arm? - ich glaube selbst, daß du beim Arm bist, und der Arm bei dir.
H<anns>w<urst>:
Ich glaub selbst, daß ihr beim Narren seid, und der Narr bei euch! - nein bei dem da bin ich.
Herzogin
Nun machst du mir ja gar eine Faust.
H<anns>w<urst>
Nun machst du mir ja gar eine Faust.
H<anns>w<urst>
Nun ja! bei dem Doctor bin ich ja.
Herzogin
Wie? - bei dem weltberühmten Doctor Faust?
H<anns>w<urst>
Ja, aber ich darfs nicht sagen, hab ich mich vielleicht schon verschnappt! - ?? -
Herzogin
Nein nein! Ich habe es bloß errathen.
H<anns>w<urst>
Ja ja, er hats verboten, ich hab aber noch nichts g'sagt!! nicht wahr?? -
Herzogin
Nein nein, du hast noch nichts gesagt wenn du aber bei einem solchen gelehrten Mann bist, so wirst du doch wohl auch etwas von seiner Kunst und Geschicklichkeit gelernt haben.
H<anns>w<urst>
O ja, er hat schon alles von mir gelernt.
Herzogin
Er von dir?? - Ei so macht ja die Herzogin selbst ein Compliment vor dir. complimentiert ihn
H<anns>w<urst>
erwiedert es auf eine komische Art
Ja ja, er hat alles von mir gelernt.
Herzogin
Nun könnte man dann nichts von deiner Kunst und Geschicklichkeit sehen?
H<anns>w<urst>
Von meiner Kunst. - O ja! Da könnt ihr gleich was sehn, was wollt ihr denn sehn? - - wollt ihr vielleicht sehn, die egyptische Finsterniß in Baumwolle eingewickelt? -
Herzogin
Nein, das möchte zu traurig sein.
H<anns>w<urst>
Wollt ihr vielleicht sehn einen Triller, von einer gewissen großen Sängerin, in Spiritus eingemacht.
Herzogin
Ach nein, das haben wir nicht nöthig, wir haben selbst die vornehmsten Virtuosen bei Hofe.
H<anns>w<urst>
So, so, ihr habt selbst zerrissene Hosen bei Hofe, nun so will ich euch ein viehisches Stück machen.
Herzogin
Ein physisches Stück, willst du sagen, nun in was soll denn das bestehen?
H<anns>w<urst>
Ich will euch ein Feuer hervorbringen, ohne Rauch und Dampf.
Herzogin
Nun das muß schön sein. Laß einmal sehn.
H<anns>w<urst>
O ja, es ist sehr schön! - es führt nur a bißle viel Schmiral nach.
Herzogin
Moral willst du sagen!
H<anns>w<urst>
Moral, oder Schmiral, das ist mir ein Ding, nun gehts nur a bißle beiseit daß euch nichts ins Gesicht sprizt. er hebt den Fuß auf. Hokes bockes, rictus malagus.
Herzogin
Nun wirds bald.
H<anns>w<urst>
Gleich gleich! es ist schon unterwegs.
Herzogin
Ich bin sehr neugierig.
H<anns>w<urst>
Wird schon befriedigt werden.
Herzogin
Aber ich seh ja noch nichts! -
H<anns>w<urst>
Ich hab auch noch nichts gesehn! -
beiseit Ich meine Trinckgeld.
Herzogin
Das dauert sehr lange.
Hannswurst
Ne gute Sache will Weil haben, nu kommts, nu paßt auf, nu kommts. er läßt einen tüchtigen Knall los, er geht auf die Herzogin los.
Herzogin
Zurück! zurück! - ist das ein Feuerwerk ohne Rauch und Dampf? -
H<anns>w<urst>
Freilich! - Das Feuer sieht man nicht, aber den Dampf schmeckt man.
Herzogin
Schurke! - meine Erwartung so zu täuschen, mich so zum Besten zu haben.
H<anns>w<urst>
Gebts mir auch mein Trinckgeld.
Herzogin
Trinckgeld! - Prügel sollst du haben, so bald du an die Wache kommst!
H<anns>w<urst>
Prügel? - Die kann ich überall umsonst bekommen, ich brauch nicht erst so weit zu reißen.
Herzogin
Fort aus meinen Augen! Laß dich nicht wieder vor mir sehn, und schicke mir deinen Herrn her, den Doctor Faust.
H<anns>w<urst>
Der macht euch ein anderes Experiment. Der Hext euch ein paar mal Hundert Tausend Mäuse ums Schloß herum.
ab
Herzogin allein
Elender Wicht, meine Erwartung so zu Täuschen, aber warte! wenn Faust kömmt der soll meine ganze Rache meinen ganzen Zorn empfinde, ha da kommt ein Fremder, nach aller Beschreibung ist es Faust.
Vorige Faust
Himmel! - Hier ist die Herzogin! Ew Durchl<aucht> werden gnädigst verzeihen, daß es ein Fremdling wagt, so unangemeldet zu Hohedenselben zu treten.
Herzogin
Seid mir herzlich willkommen, mein lieber Faust.
Faust
Wie? Ew Durchl<aucht> wissen bereits meinen Namen? - Nun da es einmal nicht anders ist, so muß ich Ew Durchlaucht bekennen, daß ich würcklich der Faust bin, wovon Ew Durchl<aucht> schon werden gehört haben.
Herzogin
Wem sollte der Name eines solchen berühmten Mannes nicht bekannt sei!! Ihr seid mir herzlich willkommen willkommen, mein werther Faust. Ihr werdet auch ohne Zweifel wissen, daß mein Gemahl seit einiger Zeit in eine solche schwermüthige Gemüthsbewegung gerathen ist, daß auch nichts imstande ist, ihn davon zu befreien, auf Euch mein Fauste, habe ich mein Vertrauen, Ihr seid vielleicht imstande ihm seine vorige Heiterkeit wieder zu geben.
Faust
Ich weiß nicht nur allein, den Grund seiner Kranckheit, sondern auch die Mittel ihn zu heilen. Er hat die Hypochontrie[42], ihm fehlt nichts als Zerstreuung, ich werde ihm solche geben, ich werde sein Zimmer in einem Augenblick in 10 Gegenstände verwandeln, auch andere Künste zeigen, woran ich Ew Durchl<aucht> sogleich eine Probe machen kann. Seht ihr hier diese Statue, sie soll sogleich eine menschliche Gesichtsfarbe bekommen, er berührt die Statue, und das Gesicht nimmt eine Fleischfarbe an. noch mehr! Es soll mir erscheinen, Alexander der große Held, der Einst die halbe Welt überwunden hatte. Erscheine mir! Seht da steht das Gerippe des großen Mannes, der einst fragte, ob er jenseits auch noch Völker bekämpfen könnte. Jetzt ist er ein ohnmächtiges Gerippe, das sich ohne meine Zauberkrafft nicht von der Stelle rühren kann. Seid Ihr zufrieden, wollt Ihr glauben, daß ich der Faust bin, daß ich im Stande bin etwas zu leisten? -
Herzogin ängstlich.
Ja ja ich glaube, aber lasset das häßliche Gerippe erst abgehn, mir graust vor seinem Anblick.
Faust
Abbache! Der Geist verschwindet glaubet und vertrauet mir ich will den Herrn Gemahl bald wiederum gesund machen und ich Hoffe Ihr werdet mit meiner Kunst zufrieden werden?
Herzogin
Ich bin schon genug davon überzeugt. Ihr seid bei mir zur Tafel eingeladen, kommt und begleitet mich. ab
Faust allein.
Ha! Kunst! - Ha Wissenschaft! wie glücklich machst du denjenigen, der dich besitzet, als ich noch nichts wußte, als bloß zu schreiben, und ich meine Lateinische Bibel, dem Magistrat zu Frankfurt am Main, um Hundert Goldgulden feil bot, so gab man mir die schnöde Antwort, man habe erst ein großes Faß Wein, für den Magistrat gekauft, und könne für das Wort Gottes, nicht so viel Geld ausgeben. Jetzo aber, da ich die Bibel drucken kann, und solche um zehn Goldgulden lassen kann, und dadurch reich geworden bin, so sind die Menschen ganz anders gegen mich gesinnt, man drängt sich an mich ja, ich kann nicht so viel drucken als ich Bestellungen habe. Freilich nennen mich meine Nebenmenschen, einen Schwarzkünstler, einen Teufelsbanner, weil sie nicht begreifen können, wie ich so geschwinde eine Bibel schreiben, und einmal wie das andere Mal die selbe Bibel und denselben Buchstabensaz machen kann, so lange ich lebe, will ich die Esel auch nicht klug machen. er will ab.
Dazu Mefistopheles.
Mefist<opheles>
Wo willst du hin mein Faust? -
Faust
Denke nur mein Geist, welche Gnade ich genieße, die Herzogin will mich an die Tafel ziehen, mich da ihrem Gemahl vorstellen.
Mefist<opheles>
Ich rate dir aber, gehe nicht an diese Tafel, wenn dir dein Leben anders lieb und werth ist, denn die Herzogin ist fest entschloßen, dich durch einen Gifttranck tödten zu lassen.
Faust
Wie könnte diese edle Dame solch eine mörderische Entschließung fassen, ich habe sie ja nicht beleidiget.
Mefist<opheles>
Du wohl nicht, aber dein Diener Casper[43].
Faust
Der Schurke, der hat ihr gewiß einen seiner gewöhnlichen groben Streiche gespielt, nun so soll er zur Strafe auch nicht mehr mit. Simdemalen er meine Gebote übertretten so ist er auch aus meinen Diensten entlassen. Ergreife mich, und führe mich zurück nach Wittenberg, den Bösewicht überlasse seinem Schicksal!
Mefist<opheles>
Nun dann; fasse mich bei den Haaren, spreche das Wort Wohlauf! so werden wir gleich zu Wittenberg sein.
Faust
Nun dann - Wohlauf!
Sie fahren oben naus daß die hölzernen Beine klappern
Casper kommt
O Miserabel über Miserabel gehts mir. Da bin ich in dem Gasthof gerade vom Schloß herüber g'wesen, und habe mir da ne Boutelle[44] Schluckmunter geben lassen, und wie ich hab ausgsoffen g'habt und lang in die Taschen hinein; Hab ich hol mich der Guckuck, keinen Dreier mehr drin, mit dem verzweifelten Reiten, auf dem Ziegenbock ist mir das Geld, alles miteinander raus geburzelt, nun läuft mir der Hausknecht und das Kellermädchen nach, und wollen Geld haben. Ich will mich auf dieser Seite wegpacken.
er will ab man hört den Hausknecht. No du du du! sollst mir die drei Botellien Wein bezahlen, die du hast ausgesoffen, oder ich komm rein zieh dir die Joppen aus, und nehme dirs Hütle weg, du du Schlaukel!
Casper
Pfou Teufel, das ist der stotternde Hausknecht, wart der soll mich nicht kriegen, ich geh hier wieder zurück.
man hört die Köchin
Du liederlicher Geselle! Zahl deine 6 Boutellen Wein, dein 3 Dutzend Bratwürste, und deine sieben Pfund Schinken, die du gefressen hast. -
Casper
Pfou Teufel, nun soll ich gar 6 Boutellen zahlen, und hab nur eine getrunken, nun die verstehn die Kreide recht zu schneiden, bei mir zu Lande, macht die Kreide oft bei manchem Wirt nur zwei Strich, und die macht gar sechse. an die Scene gehend Habt nur Gedult bis übermorgen, da kommt mein Wechsel am von anderthalb Groschen, da will ich euch ganz auszahlen. - Wenn ich nur aber naus könnte wie mein Herr! - Der spricht nur - übel auf! so gehts, wart ich wills mal probiren - übel auf! er springt Das geht nicht höher als ich springen kann, warte, ich will mal die Beine recht weit vom Leibe bringen, was gilt es geht hernach besser - übel auf er springt in dem er die Beine vorwärts hält, und fällt tüchtig auf den Podex.
O weh das ist auch nichts das thut weh, wenn nur der Stoffelfus da wäre! er ruft
Stoffelfuß - Stoffelfuß! Goldener! silberner, bleierner, hölzerner Stoffel, Stoffel über alle Stöffelchen, komm und hilf mir.
Dazu Mefistopheles.
Was schreist du denn so? ich hörte dich ja überm Meere.
Casper
Ach da bist du ja, o schöner langer, runder, kurzer, dicker Stoffel, Stoffel über alle Stoffel hilff mir doch aus der Verlegenheit. Sieh die Gläubiger wollen mirs Röckel ausziehen, aber, du Stofferl kannst mir helfen, schaff mir Geld von meinem Herrn, denn er ist mirs schon lange schuldig, helf du mir doch aus der Verlegenheit.
Mefist<opheles>
Es geschieht dir schon recht, warum hast du deinen Herrn verrathen? -
Casper
Wer hat ihn verrathen? - Ich hab ja nichts gsagt, ich hab ja nur eine Faust gemacht.
Mefist<opheles>
Das war genug für eine kluge Dame.
Casper
O liebs Stofferl! Helf mir doch, seh ich schenck dir auch die 8 Ggr die du mir noch schuldig bist.
Mefist<opheles>
Das ist eine Kleinigkeit für mich, aber du dauerst mich, ich will dich zurück führen, aber zu deinem Herrn darf ich dich nicht mehr bringen, auch ist seine Zeit bald aus, wo ich ihn abholen werde, darum werde ich dir den Nachtwächterdienst verschaffen.
Casper
Nun das thu liebs Stofferl. Hock mich auf. er sezt sich unter allerlei Gestikulationen[45] auf seinen Rücken und fährt mit ihm davon.
Ende des Vierten Acts.
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Fünfter Act
Straße, Nacht.
Faust allein
Nirgends, nirgends habe ich Ruhe. Bin ich zu Hause, so treibts mich ins Freie, bin ich da, so möchte ich wieder zurück nach meiner Wohnung. Ach ein böses Gewissen, ist doch eine schreckliche Hydra, es ist ärger als ein toller und böser Hund. Dieser hat doch noch Augenblicke, wo er ruhig liegen kann; aber ein böses Gewissen läßt uns auch keinen Augenblick in Ruhe.
Dazu Mefistopheles.
Mein Faust! warum so alleine? Willst du eine Freude, ein Vergnügen genießen, so befehle. Dein Freund Mefistopheles ist bereit dir alle Schäze der Welt zu schaffen.
Faust
Keine irdische Freude kann mich nun ergözen. Ich werde mich vielmehr mit dir in ein Gespräch einlassen, du sollst mir auf meine Fragen, eine categorische Antwort ertheilen.
Mefist<opheles> kalt
Wenn ich kann, von Herzen gern.
Faust
Nun so höre! - Ist denn die himmlische Freude, wircklich so groß, als sie uns Menschenkindern, geschildert und abgemahlet wird? -
Mefist<opheles>
O, die himmlische Freude ist sehr groß, siehe diese Freude ist so groß, daß, wenn alle Menschenkinder von Anbeginn der Welt bis zu dessen Ende schreiben würden, so wären <sie> doch nicht im Stande den tausendsten Theil dieser Freude so zu beschreiben, wie sie wircklich ist.
Faust
So groß ist die himmlische Freude! sage mir mein Geist, was würdest du wohl darum geben, wenn du noch könntest ein Kind der Seeligkeit werden.
Mefist<opheles>
So groß ist die himmlische Freude, daß ich, wenn ich solche noch erlangen könnte, und ein Kind der Seeligkeit könnte werden, solche Leiden wollte erdulden, ja wenn ein Leiter, vom Erdboden bis ans Firmament wäre, und ein jeder Sproße, wäre mit Tausend und abermal Tausend Scheermesser besezt, und ich könnte alle menschliche Empfindungen fühlen, und wenn ich auch so klein zerschnitten würde wie der Sand am Meer, so würde ich doch mit Freuden diese Leiter besteigen.
Faust für sich
Dieses wolltest du thun? - Ha diese Furie beschämt dich. Sie, sie! - wollte alles wagen um aus der Qual zu kommen, und du Mensch! der du zu dieser Freude geboren, stürzest dich so muthwillig in diese Gefahr hinab; laut sage mir mein Geist könnte ich nicht auch noch ein Kind der Seeligkeit werden? -
Mefist<opheles>
Das weiß ich nicht.
Faust
Du mußt es mir aber sagen, laut deines mit mir gemachten Accords, alle Fragen zu beantworten.
Mefist<opheles>
Und ich sage dirs nicht.
Faust
So beschwöre ich dich.
Mefist<opheles>
So fliehe ich. er geht ab
Faust
Ha! so fliehe hin, leidiger Satan, so weit habe ich dich gerade haben wollen, nun kann ich auch den Rest meiner Tage, meinem Schöpfer weihn. er kniet nieder
Sieh großer Weltregent! - hier lieg ich auf meinen Füßen, ich will was ich gethan, auf meinen Knien büßen: bereuen meine Schuld, und große Missethat, die mächtger Schöpfer dich, so sehr erzürnet hat - brecht ihr Augen, brecht in lauter Tränengüssen, ach daß es möglich wär, in Blut beströmten Flüssen, und zeigt der ganzen Welt, in Faustens Beispiel an, was doch uns Sterblichen, für Unglück treffen kann.
Dazu Mefistopheles
Fauste! - willst du dein Leben wie ein altes Weib beschließen? Geh laß Beten beten sein, ich will dich zu einem Kaiser machen, dir schöne Kleider geben.
Faust
Hinweg mit deinem Kleiderpracht, der nur mein Herz befleckt,
weil unter diesem Goldprokat, doch nichts als Gift und Schwefel steckt.
Mefist<opheles>
Ha! nun ists Zeit, daß ich aus einer Schlange, ein Frauenzimmer verfertige, Fauste muß des Teufels sein, er mag sich stellen wie er nur immer will.
Faust kniend
Zuvor in Purpurkleiderpracht prangt her, der stolze Prasser, nun sitzt er in der Höll, und schmacht, nach einem Tröpfchen Wasser. Lazarus, war arm, und bloß, ließ sich von Hunden lekken. Er sitzet nun in Abrahams-Schoß, läßt sich von dem Himmel schmecken. Judas, hat durch bloßen Kauf, sein Glück und Heil verschwendet. Zuletzt nahm der Herr den Schächer auf, der sich zu ihm gewendet. O so wende ich mich auch zu dem Heil, ach Herr gedenke meiner, schenk mir doch deinen Gnadenteil denn ohne dich, hilft keiner.
Voriger Mefistopheles mit einem Frauenzimmer dessen Körper, unten sich in einen Schlangenschwanz verwandelt.
Mefist<opheles> ruft
Fauste! -
Faust
Ha! wer rufet?
Mefist<opheles>
Sieh hier die schöne Helena, um welcher willen, ist ganz Troja vernichtet worden.
Faust
Was will sie?
Mefist<opheles>
Dich glücklich machen!
Faust
Auf der obern Welt, wie sieht es aber aus, in jener duncklen Ewigkeit? -
Mefist<opheles>
O, wer wird daran denken! sehe, betrachte einmal wie schön, wie reizend Helena ist.
Faust
Ist sie denn so schön?
Mefist<opheles>
O zum Entzücken schön.
Faust
Ja ja, sie ist auch schön, beiseit verzeihe mir denn du gütiger Himmel, daß ich hier diese Schönheit noch einmal über meine Buße thriumphiren lasse. Es ist ja morgen noch Zeit genug zur Bekehrung. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach, komm schönes Helenchen, schließ dich in meine Arme ein; Ich liebe dich, und will dein Paris sein.
Mefist<opheles> lacht
Da sieht man wohl, daß das Sprichwort wahr ist, was der Teufel selbst nicht kann, das stellt er durch ein Weibsbild an. ab.
Faust
Nun schönes Helenchen komm laß dich umarmen, laß uns ganz glücklich sein. Donner und Bliz Helena verwandelt sich in eine Schlange, und speut Feuer.
Faust
O proterque! proterque! in felix![46] hat mich denn der Teufel zum zweitenmal betrogen! - Als ich diese Schönheit in meine Arme schließen wollte, so verwandelte sie sich in eine Schlange, die mir mit Feuerflammen alle meine Sünden in das Angesicht speite! - Ha, ich will mich dennoch bekehren, ich will beten, nein ich kann nicht mehr, o ich verworfener!
Mefist<opheles> ruft Fauste!
Faust
Was gibts? - wer rufet?
Mefist<opheles>
Preporate'![47]
Faust
Bereite dich, rufst du mir zu! - Zu was?? - Zu Qual und Jammer?
Der Teufel ruft mir schon, in seine Folterkammer,
Faust! Faust! bereite dich, das will was Großes sagen,
Die Teufel wollen dich, zu allen Teufeln tragen.
Es zittert Hand und Fuß, es bebet Leib und Geist,
Mein Herze sagt mir schon, war Preporate' heißt.
heftig fast in Verzweiflung
Ja ja! - ich bin bereit, der Höllen zuzueilen.
Denn mein Gewissen, fühlt die Schärff der Donnerkeilen.
So kommt ihr Teufel dann, führt Faust zur Hölle hin.
Dieweil ich schon bereit, zu der Verdammniß bin.
man hört die Glocke 9. schlagen
Casper als Nachtwächter
Hört ihr Herrn und laßt euch sagen, der Hammer hat 9 Uhr geschlagen, verwahret euer Feur und Licht, u<nd> daß der Knecht und Magd nicht sticht. er bläst und geht wieder ab ohne Fausten gesehn zu haben
Eine Stimme ruft
Faust!
Faust Wer rufet?
Stimme
Accusatus est![48]
Faust
Nun bin ich schon verklagt! -
Verklagt von meinen Sünden.
Wo werd ich armer Faust,
Trost, Rath, und Hilfe finden.
Vor Angst wird mir zu klein
Die weit und breite Welt.
Hier liegt der Höllenhund;
Der ins Gewissen bellt.
Lernt Sünder, lernt von mir, des Satans Neze fliehen, wenn er euch nicht wie mich, soll nach der Hölle ziehen.
O hartes Donnerwort, hört was der Satan sagt! Faust, Faust. Du bist bei Gott verklagt.
Es schlägt 10 Uhr
Casper als Nachtwächter wie oben ruft
Hört ihr Herrn und laßt euch sagen, mein Nachbar hat mein Pudel erschlagen. I bitt gar schön aus Herzensgrund machts mer aus ‘nem andern Hund, an Pudel, an Pudel. ab.
Stimme.
Fauste! Judicatus est.[49]
Faust
Nun bin ich schon gericht das Urteil ist gesprochen,
Und über mich der Stab mit ach und weh gebrochen.
Halt Richter! halte ein! verschone deinen Knecht!
Allein es ist umsonst, sein Urtheil ist gerecht!
Ich selbsten habe mich dem Teufel übergeben.
Das bricht mir auch den Hals, o unglücksel'ges Leben,
So ich geführet hab, niemand beklaget mich: Der Himmel ruft mir zu: Er hat mich selbst gericht. O Angst erfüllte Stimme! - bei dessen Wiederhall, ich wie ein Würm mich krümme. Ach! Schöpfer, kann es sein, so richte mich doch nicht!
Jedoch sein Wort ist g'recht, er hat mich selbst gericht.
Es schlägt 11 Uhr
Casper wie oben
Hört ihr Herrn und laßt euch sagen, der Hammer hat schon Eilfe g'schlagen.
Verwahrt das Feuer und auch die Kohlen! Der Teufel wird den Faust bald holen. Ha guten abend Herr Fäustling. Hörts mal Herr Fäustling, ihr seid mirs Monatsgeld noch schuldig, vom lezten Monat her, gebts mirs doch jezt gleich. Ich brauch es gar zu nothwendig. -
Faust
Ach mein Diener! Ich habe nicht, der Teufel hat mich so arm gemacht, daß auch das nicht mehr mein ist, was ich in und an mir habe.
Casper
Es g'schieht euch schon recht! - Warum habt ihr mit dem Teufel ang'fangen, schauts mir war der Teufel nicht g'scheit genug, ich hab ihm noch 12 Gr dazu abgewonnen.
Faust beiseit
Ich muß mich suchen durch diesen Narren von dem Teufel los zu reißen. laut
Mein lieber Casper! ich wollte gerne bezahlen, aber Geld habe ich nun keines, ich will dich aber auf eine andere Art befriedigen. Ziehe deine Kleider aus, lege die meinigen dafür an, so kommst du zu deiner Bezahlung, und ich von meiner Schuld!
Casper
schüttelt den Kopf Na a - da könnte der Teufel gar den Unrechten Erwischen, - nein nein, ich will lieber das Geld verlieren, ehe so ein großer Irrthum passiren soll, thuts mir lieber einen Gefallen dafür.
Faust
Herzlich gerne, sage nur welchen?
Casper
Grüßts mir, wenn ihr in die Hölle kömmt, meine Großmutter dafür. Sie sitzt gleich No 1. so rechter Hand, wenn man in die Hölle hineingeht, nun ich wünsche eine glückliche Fahrt, und wenn ihr mal wieder auf d'Welt kommt, so seids klüger, fangts mit'm Teufel keine Scheißerei an, das ist gar a grober Gsell, der bricht einem den Hals, er fragt nicht einmal nach, obs auch weh thut. ab
Stimme
Fauste! In eternum domnatus est.[50]
Faust
Verdammt? - in alle Ewigkeit verdammt, zu jenen Finsternissen, was werd ich armer Faust, allda empfinden müssen!
Verflucht hab ich gelebt!
Verflucht fahr ich dahin!
Mein Ende ist also, wie ich gewesen bin. Verdammt sei alle Kunst, und alle Wissenschaft. Verdammt sei alles Thun, sobald es lasterhaft. Verdammt sei Faustens Leib, verdammt sei Faustens Seel, in alle Ewigkeit,
o weh! o weh!
Eine Menge Teufel holen ihn ab
Casper
der von ferne mit zugesehen winkt ihm nach
Glückliche Reiße, glückliche Reiße. Pfou Teufel, der hat schöne Kammerdiener, die können einander zurufen, Bruder tritt mir nicht auf den Schwanz![51]
Eine Furie schwebt hernieder und spricht
Ich bringe dir ein Gegencompliment, von deiner herzallerliebsten Großmama!
Casper
Ei! ei! - was macht denn meine Großmutter in der Hölle
Furie
Ha Sie thut nichts als Heulen und Zähnklappern!
Casper
Ei so lüg du und der Teufel! Zähnklappern solls, und hat kein einzigen Zahn mehr im Maul g'habt. Sie müßte dann grade mit dem A<rsch> klappern.
Furie.
Willst du mit?
Casper
Nein.
Furie.
So sage mir wo du her bist.
Casper
Ich bin von Weimar.
Furie schnell ab
Casper
Ich gratuliere, ich gratuliere, wer von Weimar ist den holt der Teufel nicht, aber ich muß mich weg packen denn er möchte es gewahr werden, daß ich nicht von Weimar bin, und könnte mich abholen.
Gute Nacht.
ab
Fini[52]
Anmerkungen
[1] Zur Datierung der Handschrift und zur Stellung innerhalb der Sammlung „Volkstheater“ im GSA vergl. meinen Beitrag „Der Fauststoff auf der Marionettenbühne“.
[2] Ohne die Manuskripte mit dem Namen „Geißelbrecht“ in Verbindung zu bringen hat Oskar Schade No. 8 und No. 10 als Vorlagen für eine Kompilation verwendet: „Das Puppenspiel Doctor Faust.“ In: Weimarisches Jahrbuch, Hannover 1856; bis heute ist der Forschung unbekannt geblieben, dass es sich bei beiden Manuskripten um Handschriften Geißelbrechts handelt. Die von Schade vorgelegte Edition an sehr abgelegenem Ort bietet einen Mischtext entspricht heutigen Anforderungen nicht mehr.
[3] Der Name des Klugheitsteufels lautet im Faustbuch von 1587 "Mephostophiles"; später variiert die Schreibweise; die Deutung nach dem Griechischen "der das Licht nicht liebt" ist ebenso umstritten wie "der Faust feindlich ist".
[4] Alter Name des Teufels, so bereits im Faustbuch von 1587 für den affengestaltigen Begleiter von Fausts Famulus Wagner.
[5] Der aus der altiranischen Religion in das apokryphe Buch Tobias übernommene Dämon der Verschwendung (Asmodeus).
[6] Verballhornung des Namens eines aztekischen Kriegsgottes (Vitzliputzli).
[7] Verderbtes Latein (Audium et Gugulorum); vielleicht aus auditum (Gerücht) und cuculus (Kuckuck; alter Name für den Teufel) mit der Assoziation zu "Kokolores" (unnützes Geschwätz).
[8] Sistite, mortales! concurrite vos et attendite mecum veritatem!
[9] Negromantie: Mit "Nigromantie" oder "Schwarzkunst" wurde im 16. Jahrhundert die Magie bezeichnet, von der es eine weiße (gute) und eine schwarze gab, deren Anhänger nach der Voksmeinung mit dem Teufel im Bunde waren.
[10] aus dem plutonischen Reich: Der Hades, Aufenthaltsort der Schatten, ist die Unterwelt der griechischen Mythologie und wird von Pluto beherrscht; im 16. Jahrhundert ist damit die Hölle gemeint, in der nach christlicher lehre die Bösen gepeinigt werden.
[11] Tracktätlein: Nach lat. tractare Abhandlung, Buch.
[12] tracktiret: tractieren; hier bewirten.
[13] zittiren: lat. zitieren: jemanden zu sich kommen lassen; hier: die Teufel durch Beschwören herbeirufen.
[14] omnia mea mecum porto.
[15] Prinzipii: Prinzipien, Regeln; hier für Lehrbuch der Grammatik.
[16] Pluralum: Mehrzahl.
[17] Krips: Kragen, Genick
[18] Schneckentrep: Wendeltreppe.
[19] Zölpel: Zollhaus
[20] spindisiren: lange überlegen
[21] Thaler: die im Spiel erwähnten Münzeinheiten Thaler, Kreuzer und Gulden lassen sich in der frühen Neuzeit folgendermaßen in Relation setzen: einem Gulden entsprechen 60 Kreuzer, 3 Gulden entsprachen 2 Thalern
[22] Musje: franz. Monsieur
[23] Siste, siste, Phlegethontia Styx! Hejus hejus! Adste, mali spiritus! Faustus vos citissime citat.
[24] Apage, male spiritus!
[25] apage, spiritus!
[26] Proserbina: Proserpina ist in der griechischen Sage die Gemahlin des Pluto.
[27] Assambleen: Gesprächskreise und Versammlungen.
[28] Gutenberg: Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) brachte Faust mit dem Erfinder der Buchdruckerkunst in seinem Roman "Faust's Leben, Thaten und Höllenfahrt (1791) in Verbindung.
[29] Nemo sua sorte contentus.
[30] Der längere Text in Nr. 8 lautet: ein Bauer möchte gerne Bürger, Ein Bürger Edelmann, ein Edelmann Graf, ein Graf Fürst, ein Fürst König: und ein König Kaiser sein. Und wenn einer alles dieses ist, so ist er doch nicht mit sich zufrieden; Er möchte gerne ein Alexandro, ein Bezwinger der ganzen Welt sein; so geht es mir Johannes Faust. Ich habe so viel erlernt, so viel gesehen und bin doch noch nicht zufrieden, Ein gewisses etwas in mir, das ich mir selbst nicht erklären kann, ein Streben nach einem mir unbekannten Dinge, ists, was mich in beständiger Unruhe erhält; mein Herz sehnt sich immer nach etwas; und ist dieses etwas befriedigt, so ist schon wieder ein anderer Wunsch in meiner Seele reif. Immer haben wir Menschen einen Wunsch, und nie bleiben wir ohne diesen. Ein Zeichen daß ein Spiritus, in uns lebt der mit den irdischen Wünschen nie zufrieden, der sich immer nach etwas Höheres sehnt, und das wir Menschen in dieser Hölle nicht erreichen können.
Um nun einigernmaßen diese Leere auszufüllen, um hinter das dunkle Geheimnis jenseits des Grabes zu kommen, habe ich meinen Geist Mefistopheles hierher bestellt; aber es ist bereits 12 Uhr durch und mein Geist Mefistopheles hat sich noch nicht hören lassen.
[31] In qua forma vis ut tibi Mephistopheles appareat?
[32] Accordiert: vereinbart.
[33] Geißelbrecht schreibt: begleite.
[34] Deisten: Anhänger einer Gottesauffassung der Aufklärung, nach der Gott die Welt geschaffen hat, danach aber keinen Anteil mehr an ihr nimmt.
[35] Homo fuge!
[36] Geisselbrecht schreibt: für.
[37] aprorirte: aporetische; hier im Sinne "sich der Deutung entziehend".
[38] Manuskript Nr. 8 enthält folgende Versvariante:
Faust wach auf vom Sündenschlaf/ Ermuntre dich verlornes Schaf
[39] Barbe: Karpfenartiger Flußfisch.
[40] Ego sum diabolus.
[41] Fexiren: vexieren; irreführen, quälen, necken.
[42] Hypochontrie: Hypochrondrie; Gefühl einer körperlichen oder selischen Krankheit ohne pathologische Grundlage.
[43] Am 21. Oktober 1804 schreibt Geißelbrecht an Falk: „Noch etwas neues! Der Hanswurst hat seinen Namen verlohren, und heißt Casperl, weil ihn Dreher und Schüz so tauften, so muss ich ihn auch so nennen - - -.“ Unveröffentlichter Brief, GSA Weimar.
[44] Franz. Bouteille
[45] Geißelbrecht schreibt: Gistikulationen.
[46] O ter quaterque infelix!
[47] Praepara te!
[48] Accusatus es!
[49] Judicatus es!
[50] In aeternum damnatus es!
[51] Abweichender Schluß im Manuskript Nr. 8:
Eine Furie kommt zurück und will Hanswurst aufheben, er schreit entsetzlich und will nicht mit. Die Furie bringt ihm ein Compliment von seiner Großmama
H<ans>w<urst>
Was macht meine Großmama
Furie
Sie thut nichts als Heulen und Zähnklappern!!
H<ans>w<urst>
Ei so lüg!! sagt der Kerl sie tät mit den Zähnen klappern, und hatte keinen einzigen Zahn mehr im Maul. Sie müßte denn grad mit dem Podex knappern
Furie
Also willst du nicht mit in die Höll?
H<ans>w<urst>
Nein du bist gar ein schwarzer Gesell doch wenn ich gleich wieder raus könnte dann ging ich doch mal mit.
Furie
Du sollst gleich wieder kommen.
er führt in ab, nach einer kurzen Zeit kommt er wieder und erzählt daß er dorten die Krämer, in Pappir eingewickelt habe brennen sehen, die zu einem halben 4tel Kaffee 2 Loth Pappir gewogen. Die Metzger haben keine Daumen an Händen gehabt, die Jungfern hätten müssen die Schürz ausbügeln die sie hätten von den Junggesellen verkrümpeln lassen, zuletzt sieht er die Leute so springen, und das waren diejenigen die auf dem letzten Plaz zahlten und herüber stiegen auf den 2ten oder 1ten, hiermit macht er sein Compliment und geht ab
Ende.
[52] In anderer Handschrift: „Apolda 13/8.24“.